Duell am Donnerstag: Kostenlos Musik downloaden?

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Bezahlen für MP3-Dateien im Internet? Trotz vieler Kaufangebote für digitale Musik kommt das für viele Leute nicht in Frage. Schließlich lässt sich fast jeder Song mit ein paar illegalen Klicks kostenlos im Internet finden. Die Musiker verdienen daran natürlich kein Geld. Aber haben die kostenlosen Downloads tatsächlich nur Nachteile für die Musiker? Unsere Autoren Gordon Wüllner und Nanna Zimmermann sind da unterschiedlicher Meinung.

pro

Die Kostenlos-Kultur im Internet ist ein Siechtum für die Musikindustrie, das steht völlig außer Frage. Beispielswiese heimsten sich im Jahr 1999 noch acht unterschiedliche Interpreten – von 2Pac über Britney Spears  – mit jeweils über 10 Millionen verkauften CDs diamantene Schallplatten in den USA ein. In den letzten neun Jahren (!!) dagegen war Soul-Sängerin Adele der einzige US-Interpret mit einem sprichwörtlich diamanten Kehlchen. Was bitter für die Musik als big business und die CEOs der großen Musiklabels ist, das ist allerdings ein Segen für die Eigenständigkeit der Musiker und ihren künstlerischen Freiraum.

Denn seit es möglich ist, ganze Musikalben mit ein paar Klicks in den Kost-Nix-Läden des Global Village anzubieten, werden auch absichtlich Alben zum Verschenken produziert.  Die Veröffentlichung solcher Free-Alben sind besonders im Hiphop seit einigen Jahren Gang und Gebe. Zwar hätten es viele unentgeltlich schuftende Musiker eigentlich verdient, den Geldbeutel für ihr Schaffen gefüllt zu bekommen, aber es gewährt den Künstlern auch viele Freiheiten, wenn sie ihre Songs nicht für den kommerziellen Markt produzieren müssen.

Eine Spielwiese für Experimente

Eine dieser Freiheiten: Grenzenloser Umgang mit Samples. Zwar ist es rein rechtlich genommen auch bei kostenlos veröffentlichter Musik nicht erlaubt, Samples in einen Song einzubauen, ohne sich vorher eine Lizenz einzuholen. Aber es ist inzwischen zu einer Konvention des Musikgeschäfts geworden, dass auch ohne Genehmigung bei Free-Tracks mit Samples gearbeitet werden darf. Die Free-Kultur hat so eine herrliche Spielwiese für musikalische Sample-Experimente geschaffen, die wohl kein Musik-Liebhaber gerne gemäht sehen würde.

Aber das Sampling ist nicht die einzige Freiheit, die die Free-Kultur gewährt. Auch Künstler, die bei einem großen Major-Label wie Universal oder Sony unterschrieben haben und gezwungen sind, einen massentauglichen Sound zu produzieren, können auf ihren kostenlosen Alben wieder eine andere Seite von sich zeigen. US-Rapper B.o.B. ist ein gutes Beispiel: Auf seinen zum Verkauf bestimmten Alben finden sich vor allem Pop-Balladen, auf seinen Free-Alben dagegen bringt er gern einen dreckigeren Straßen-Sound. Der Grund dafür: Free-Alben fallen nicht unter die Hoheit der Labels. So können Musiker zweigleisig fahren, gleichzeitig im Mainstream Geld scheffeln und sich auf Free-Alben künstlerisch ausleben.

Autonomer Erfolg dank Free-Kultur

Was für die Künstler der Major-Labels ein Terrain für künstlerischen Freiraum sein kann, das kann für noch unbekannte Künstler dagegen eine Chance für autonomen Erfolg sein: Viele Musiker  haben dank der Free-Kultur ihre eigene Karriere wieder viel mehr in der eigenen Hand. Kostenlose Musik kann (mit Hilfe von selbständiger Social-Media-Promotion) im Internet schnell seine Runden machen. Und jeder, dem die Musik gefällt, ist ein potentieller Besucher für das nächste Konzert. Dadurch kann sich ein Künstler eine Fanbase aufbauen und Geld mit Touring verdienen ohne einem  großen Musik-Label untergeben zu sein.

Kostenlose Musik-Downloads haben also erheblich dazu beigetragen, dass seit geraumer Zeit wieder Independent-Künstler wie Mac Miller, Wax oder Macklemore hohe Chartpositionen erreichen. Einen solchen Erfolg sehe ich gerne – die Mogule der großen Labels dagegen können ruhig eine Gehaltskürzung ertragen.

contra

Schaut man sich die Unmengen an Musik an, die viele besitzen, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn ein guter Teil davon illegal heruntergeladen wurde. Natürlich hat das für den Konsumenten viele, vor allem finanzielle Vorteile. All die Songs normal zu kaufen, kann man sich oft nicht leisten. Aber verzichten möchte man nicht, wo es doch kostenlos geht. Trotzdem sprechen viele Gründe gegen den illegalen Musikdownload – mal abgesehen natürlich von den rechtlichen Konsequenzen, die es hat, wenn man erwischt wird.

Die Entscheidung der Künstler

Obwohl ein Teil der illegal heruntergeladenen Songs wahrscheinlich nicht gekauft worden wäre, ist der Schaden enorm, der dadurch für die Musikindustrie entsteht. Die Umsatzeinbrüche wirken sich auch auf die Vielfalt der Musik aus, zum Beispiel können heimische Künstler weniger gefördert werden. Es sind ja bei weitem nicht alle Musiker, die ein (Teil-)Luxusleben führen.

Wenn man weiterhin gute Musik von ihnen hören möchte, sollte man schon aus Anstand bereit sein, sie finanziell zu unterstützen. Nicht nur durch Merchandise und Konzerttickets, sondern auch durch den ehrlichen Kauf der Songs an sich. Die meisten wollen doch ihre eigene Arbeit genauso wenig  verschenken. Entscheiden sich die Künstler bewusst dazu, weil es ihnen wirklich nur um die Musik und ihre Verbreitung geht, können sie diese immer noch kostenlos und legal anbieten. Aber das sollte ihre Entscheidung sein.

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, heißt es in Brechts Dreigroschenoper. Gut, aber es ist – anders als beim Essen – nicht notwendig, so viel und immer die neueste Musik zu besitzen. Die Leute geben doch auch sonst viel Geld für Dinge aus, die sie eigentlich nicht brauchen. Nicht zuletzt kaufen sich viele zum Beispiel Kleidung, obwohl sie schon genug haben. Zugegeben, es fällt wesentlich schwerer, sich diese kostenlos herunterzuladen, aber außer durch Verzicht ließe sich beispielsweise durch günstigere Marken oder Second-Hand-Ware einiges sparen. Schließlich klauen die meisten aus guten Gründen nicht in Geschäften.

Andere (bezahlbare) Möglichkeiten

CDs gibt es ebenfalls gebraucht zu erwerben oder man kann unter Freunden tauschen, um Geld zu sparen. Oft ist man ja nicht der Einzige im Umfeld mit einem bestimmten Musikgeschmack. Der schnelle Download im Internet ist da bestimmt einfacher, aber kann es einem wirklich so wichtig sein, wenn man nicht mal solche „Umstände“ auf sich nehmen würde?

Viele Leute sind ja auch bereit, für gute Musik zu bezahlen. Einige nutzen beispielsweise die Downloads nur zum „Kennenlernen“, um keinen enttäuschenden Blindkauf zu riskieren. Sie leisten sich dann nachträglich die CD, wenn sie ihnen gefällt und kurbeln so den Verkauf ein wenig an. Aber der Teil der Leute, der das macht, dürfte nicht besonders hoch sein.

Dabei sind Original-CDs mit Beigaben wie dem Booklet eigentlich viel schöner, als nur den Titel auf dem Bildschirm zu sehen. Die Freude an neuer Musik geht doch ein Stück weit verloren, wenn sie neben der Vielzahl anderer Songs nur noch eine Datei und nichts Besonderes mehr ist.

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Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann, Teaserfoto: flickr.com / 5150photo & timforrest

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