Duell am Donnerstag: Werbung nervt. Oder nicht?

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Semesterstart an der Uni und ein Blick ins Mensafoyer zeigt: Der Fußboden ist übersät mit bunten Flyern, die die Studierenden achtlos weggeworfen haben. Wieder andere horten die Werbezettel und stürzen sich wie wild auf die Geschenktüten voller Give-Aways. Nervt die Werbung einfach nur oder bringt sie den Studierenden wirklich etwas? Mahad Theurer und Niklas Rudolph im Duell.

pro

Ein neues Semester beginnt. Dieses Mal sind es mehr Leute, die durch die Flure und Passagen der Universitäten strömen. Der doppelte Abiturjahrgang hat den Campus gehörig überrollt. Noch zäher als sonst fließt die Masse der Kommilitonen auf dem Weg in die Mensa, in die Hörsäle und zu den öffentlichen Verkehrshaltestellen.

Gratis-Stifte auf dem Weg zur Mensa

Wer hier noch den Verkehr aufhält, zieht gerne schon mal den allgemeinen Ärger auf sich. Deshalb ernten Werbestände und Flyerverteiler, die den Fluss der Studenten mit ihren Geschenktüten und Infoblättern verlangsamen, den ein oder anderen weniger wohlgemeinten Blick.

Aber sind wir mal ehrlich, es hat schon etwas für sich, umsonst mit Stiften, Blöcken und Terminplanern versorgt zu werden. Vor allem wenn man eh chronisch pleite ist und sich am Ende des Monats maßgeblich von Nudeln und Ketchup ernährt. Viele Erstsemester und Zugezogene wüssten ohne Flyerverteiler und Infostände auch gar nicht, wo sie sich am Besten ins Nachtleben stürzen oder sich das nötige Kleingeld dazu verdienen können. Manche von ihnen arbeiten vielleicht bald selber als Flyerverteiler oder Aboanwerber.

Es gibt natürlich auch Leute, die Werbung generell als ein Instrument des Kapitalismus sehen, das maßgeblich an der Ausbeutung von Lebewesen aller Art beteiligt ist.

Werbung gehört zu unserem Wirtschaftssystem

Doch ist Werbung auch ein Grundpfeiler unserer freien Marktwirtschaft, die es uns erlaubt in relativer Unabhängigkeit und Freiheit zu leben und studieren zu gehen. Außerdem weiß ich nicht, ob man im Zusammenhang mit den Mitarbeitern der Werbe- und Gestaltungsagenturen direkt von Ausbeutung reden kann. Da die für ihr Gehalt körperlich nicht viel mehr leisten müssen, als vielleicht ab und zu Rückenübungen zu machen, um Haltungsschäden durch das ganze Herumsitzen vorzubeugen. Jeder, der mit seiner abgeschlossenen Berufsausbildung eine ähnlich entspannte Tätigkeit anstrebt, sollte sich freuen, dass ihm das hiesige Wirtschaftssystem samt Werbung dies ermöglicht.

Gezwungen wird keiner

Abgesehen davon beinhaltet Werbung keinerlei Verpflichtung zum Konsum. So gibt es Angebote, aus denen beide Seiten Nutzen ziehen können, genauso wie es Bauernfängereien gibt. Welche Güter wir brauchen und auf welche Marken wir uns verlassen, das obliegt dem eigenen Ermessen und der eigenen Verantwortung. Also wer sich durch die Stände, Flyer und Markennamen gestört fühlt, kann einfach vorbeigehen.

contra

„Nimm keine Sachen von fremden Leuten an“, lehrte mich meine Mutter in frühester Kindheit. Doch ehe ich mich an ihre Worte erinnern konnte, hat mir die fremde Frau schon einen Schokoriegel gegeben. Und ein Zeitungsabo mit dazu.

Jeden Mittag erwarten mich Scharen von Menschenfischern im Mensafoyer. Sie wollen mich mit neuen Betriebssystemen und Handyverträgen in ihre Netze und meinen finanziellen Ruin treiben. Dabei wissen sie sehr gut, dass der Otto-Normal-Student gefühlte drei Semester lang – jedenfalls bis das Bafög-Amt die Anträge bearbeitet – vom Tagesgericht leben muss. Und auch das ist nur dreimal die Woche drin.

Beim Flyerverteilen fängt’s erst an

Diese Werbung im Mensafoyer ist nervig – und erst der Anfang allen Übels. Denn die wahren Werbeträger sind nicht die Flyer, sondern die Studierenden selbst: Werbung ist immer dort im Spiel, wo die Wirtschaft scheinbar ohne Gegenleistung ihre Dienste leistet.

Beim Getränkekauf zum Beispiel mach ich mich bewusst oder unbewusst zum Aushängeschild des größten Getränkeherstellers weltweit. Ob Kaffee, Mineralwasser oder Energy Drink. An der TU gibt es kaum Flüssigkeiten zu finden die nicht aus dem Hause Coca Cola stammen. Ein Vertrag zwischen Studentenwerk und dem multinationalen Konzern sichert Tiefstpreise. Auf Kosten der lokalen Getränkehersteller, deren Wasserflaschen man an jedem Nordstadt-Kiosk bekommen kann. Und die definitiv mehr für die lokale Wirtschaft tun als der Konzern aus Atlanta, USA.

Werbung mit Studenten – nicht immer offensichtlich

Schon zu beginn des Studiums stellen sich die Studierenden als Werbefiguren zur Verfügung. So findet die Begrüßung der Erstsemester traditionell im „Signal-Iduna-Park“ der Borussia Dortmund GmbH & Co. KG anstatt. Und wer diesen Unternehmensnamen das erste Mal liest, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es sich bei „Borussia Dortmund“ um einen börsennotierten Konzern handelt, in dessen Aufsichtsrat unter anderem Peer Steinbrück und Friedrich Merz ein Wort mitzureden haben. Die Einführungsveranstaltung ist ein fabelhafter Marketingstreich, mit Garantie für Titelseiten-Fotos und ein paar Sekunden in der Lokalzeit.

Auch in der Zusammenarbeit bei Kulturprojekten oder Kunstausstellungen macht die TU Werbung für den scheinbar lokalen Energieversorger DEW21. Hinter diesem versteckt sich aber fast zur Hälfte der Energieriese RWE.

Wofür das Ganze?

Und all dem sind wir als Studenten fast schutzlos ausgeliefert. Auf Pressefotos und in Unternehmensberichten dienen wir als PR-Maskottchen für die Konzerne. Alles für einen gratis Semesterplaner und einen Vormittag im Stadion. Und was macht die Uni? Verschickt per Mail massenweise Werbung in eigener Sache.

Ich für meinen Teil bleibe lieber bei den Lehren meiner Kindheit: „Nimm keine Sachen von Fremden an, solange sie damit Fremde bleiben und geldwerte Vorteile aus Dir schlagen wollen.

das-duell-feeder Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann, Teaserfoto: Daniel Rennen / pixelio.de.

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