Duell am Donnerstag: Nichtraucherschutz

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Seit dem 1. Mai gilt es bei uns in NRW: das absolute Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten. Damit hat NRW eins der schärfsten Nichtraucherschutzgesetze in Deutschland. Auch auf Volksfesten wie an Karneval oder auf Schützenfesten darf nicht mehr geraucht werden. Wird gegen das neue Gesetz verstoßen, müssen die Wirte und Veranstalter mit hohen Bußgeldern bis zu 2500 Euro rechnen. Aber ist das Nichtraucherschutzgesetz wirklich gerechtfertigt? Was ist wichtiger: der Schutz der Nichtraucher oder das Recht, selbst zu entscheiden, was gut für einen ist und was nicht? Lisa Tüch und Niklas Dummer im Duell.
(Teaserfoto: lichtkunst.73 / pixelio.de)

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Das neue Gesetz zum Nichtrauerschutz ist längst überfällig. Jeden Tag sitzen tausende von Wissenschaftlern in Laboren, um Heilmittel für allerlei Krankheiten zu finden: Krebs, HIV, Malaria. Trotzdem sterben täglich viele Menschen, weil es das erhoffte Wundermittel noch nicht gibt.

Gleichzeitig gefährden Raucher weiterhin wissentlich die Gesundheit ihrer Mitmenschen und setzen sogar deren Leben aufs Spiel – alles für ein wenig Spaß. Irgendwie unfair, wenn jemand anders dafür an Krebs stirbt, oder?

Rauchen gefährdet die Gesundheit

Wo liegt überhaupt der Spaß? In gelben Zähnen, beißendem Mundgeruch und tränende Augen? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist es zumindest bei Jugendlichen doch eher der Gruppendruck und der Coolnessfaktor. Dabei sollte mittlerweile jeder Deutsche, der lesen kann, mitbekommen haben, dass Rauchen tödlich sein kann. Es steht bei den Risikofaktoren, die zum Tod führen können, auf Platz zwei. „Nun gut, mich trifft es schon nicht“, denken sich jetzt wahrscheinlich viele. Doch die Risikenliste ist lang, das Leiden und die Kosten der Behandlung groß: Lungenkrebs, Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes, Asthma, Lungenentzündung… all diese Krankheiten können durch Rauchen verursacht werden. Auch, wer Kinder haben möchte, sollte sich das mit dem Rauchen nochmal überlegen: Denn Rauchen kann zu Impotenz führen. Ist es das wert?

Apropos Kinder: Nach dem neuem Gesetz ist das Rauchen auf Spielplätzen untersagt. Wer kann sich ernsthaft darüber beschweren?

Schutz der Gesundheit als Pflicht des Staates

Laut Grundgesetz ist es die Pflicht des Staates, „das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und sie vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch das Verhalten anderer Menschen zu bewahren.“ Das versucht das neue, verschärfte Nichtraucherschutzgesetz. So weit, so gut. Nur leider wollen viele Raucher nicht beschützt werden. Ihre Entscheidung. Doch sie sollten wenigstens Rücksicht nehmen auf ihre Mitmenschen! Schließlich bezahlen die später auch ihre Behandlung!

Jährlich sterben 2.150 Menschen an einer Erkrankung der Herzkranzgefäße, die durch passives Rauchen verursacht wird. Das sind Menschen, die möglicherweise gesund und diszipliniert gelebt haben und trotzdem sterben, weil andere zu faul waren, drei Schritte nach draußen zu gehen. Statt auf ihre Mitmenschen einzugehen, verschwenden die Gegner des Gesetzes ihre Energie damit, Demos zu organisieren und sich aufzuregen. Jeder Raucher, der in Anwesenheit von anderen raucht, spielt mit deren Gesundheit.

Gesundheit = Lebensqualität

So viel Ärger um ein Gesetz – dabei wird den Rauchern das Rauchen ja noch nicht mal generell verboten, sondern sie werden lediglich nach draußen verbannt. Hier kann ihr Rauch nicht so viel Schaden anrichten und nebenbei sind die Schritte ins Freie auch noch gut für die Gesundheit. Was ist denn wichtiger: Die Gesundheit vieler oder die Bequemlichkeit einzelner? Insbesondere, weil 98 Prozent aller Befragten einer Studie der Stiftung für Zukunftsfragen Gesundheit als wichtigen Faktor der Lebensqualität ansehen. Gesundheit ist damit wichtiger als Freunde und Familie – und natürlich als Rauchen.

Wir wünschen uns ja schließlich zum Geburtstag auch nicht einen „frohen Zug“, sondern Glück und Gesundheit.

Vorbild Ausland

Übrigens ist NRW nicht allein mit seinen Bestrebungen zum Nichtraucherschutz. In anderen Ländern sind unsere Gesetze längst gang und gäbe. Trotzdem sind die Menschen dort nicht todunglücklich und, Überraschung – Kneipen gibt es auch noch: In Norwegen, Malta, Schweden, Italien und Irland wird man niemanden in Restaurants und Bars rauchen sehen. Auch Russland hat jetzt die Gefahren des Rauchens erkannt und in diesem Jahr ein Rauchverbot am Arbeitsplatz und an öffentlichen Plätzen ausgesprochen. In Neuseeland soll es ab 2025 sogar ein generelles Verkaufsverbot für Tabakprodukte geben. Wichtige Schritte auf dem Weg zu einer gesünderen Lebensweise. Weiter so!

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Nichtraucher genießen seit Jahren einen weitreichenden Schutz: In Zügen, in öffentlichen Gebäuden, in Büros – überall wird der Nichtraucher vor dem schädlichen blauen Rauch geschützt. Selbst in Kneipen wurden Raucher zuletzt in Raucher-Bereiche abgeschoben – das Nichtraucherschutzgesetz nimmt ihnen diese Bastion. Nichtraucherschutz hat seine Berechtigung. Aber der Versuch, den Raucher aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, ihn für seine Sucht mit sozialer Isolation zu bestrafen, hat nichts mit Nichtraucherschutz zutun. Es ist reiner Dogmatismus der Gesundheitsapostel unserer Leistungsgesellschaft.

„Nirgends? Das geht nicht“

Eine Helmut Schmidt Anekdote sagt eigentlich alles: Schmidt saß im Bordrestaurant eines ICEs und qualmte seine Mentholzigarette. Ein Servicemitarbeiter klärte Schmidt freundlich darüber auf, dass das Rauchen dort verboten sei. Schmidt entschuldigte sich und fragte, wo er denn rauchen dürfe. „Hier im Zug dürfen Sie leider nirgends rauchen“, sagte der Servicemitarbeiter. „Nirgends? Das geht nicht“, so Schmidt. Er rauchte weiter.

Im Lüneburg des Jahres 1691 hätte das Schmidt den Kopf gekostet: Das Anzünden einer Zigarette wurde damals – angeblich aufgrund der Brandgefahr – mit dem Tode bestraft.  Erst im März 1848 fiel das Rauchverbot in Berlin den Barrikadenkämpfen zum Opfer. In höchster Staatsnot versicherte ein Fürst dem Volk, das sich anschickte, das Schloss zu stürmen, alle Forderungen der Revolution seien bewilligt. Auch das Rauchen in der Öffentlichkeit.

Rauchen – eine Errungenschaft der Revolution

Das Recht zu rauchen, war die einzige Errungenschaft der 1848er-Revolution in Berlin, die bis heute uneingeschränkt Bestand haben sollte. Die Gegenrevolution und der Autoritätsstaat kassierten die übrigen Errungenschaften – unter Anderem die „unbedingte Preßfreiheit“, die Schwurgerichte nach dem Vorbild Englands – wieder ein.

Rauchen ist also mehr als eine Absage an die Gesundheitsapostel und ihren bevorzugten Lebensstil. Es ist ein Hauch von Freiheit. Der Freiheit in einer reglementierten Leistungsgesellschaft zu genießen, etwas zu tun, was keinen Nutzen hat, was die Arbeitsfähigkeit nicht optimiert, was sogar gesundheitsschädlich ist. Etwas zu tun, das der eigenen Inszenierung etwas Schärfe und Tiefe verleiht. Das Recht in Zeiten, in denen die Menschen immer älter werden und immer länger jung bleiben wollen, in Zeiten, in denen Werte wie Gesundheit und Fitness über alles erhaben scheinen – etwas Irrationales zu tun.

Die Weltgesundheitsorganisation sieht das anders. Sie definiert Gesundheit als einen Zustand des „vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens.“ Der durchschnittliche Hausarzt ist mit sich zufrieden, wenn er das körperliche Wohlbefinden seines Patienten gewährleisten kann. Die WHO glaubt, geistiges und soziales Wohlbefinden mitbestimmen zu können. Keine Organisation und erst recht nicht die Politik sollten sich herausnehmen, in diese Bereiche einzugreifen und vorzugeben, was gut ist und was nicht. Erst recht nicht auf so perfide Art. Denn nicht nur der Raucher wird seiner letzten (öffentlichen) Bastion – der Kneipe – beraubt: Auch Wirte und Betreiber von Schischa-Cafés leiden unter dem Nichtraucherschutzgesetz.

Existenzen stehen auf dem Spiel

Für viele steht die Existenz auf dem Spiel: Wirte, die vor wenigen Jahren viel Geld investiert haben, um ordnungsgerechte Raucherbereiche in ihren Kneipen zu schaffen, haben dieses Geld umsonst investiert. Dazu geht ihnen ein Teil ihrer Stammkundschaft verloren, nämlich der Teil, der auf das Rauchen nicht verzichten kann. Das Nichtraucherschutzgesetz setzt all diejenigen vor die Tür. Schischa-Café Besitzer, in deren Etablissements man des Rauchens wegen geht, müssen reihenweise ihre Türen schließen.

Unterbinden eines Lebensstils?

Wenn nun ein Rentner aus seiner Wohnung geworfen werden darf, weil er eine Schachtel Zigaretten am Tag raucht und mit dem Geruch seine Nachbarn belästige (so ist nach Bericht des Sterns ein Düsseldorfer Gericht geneigt zu entscheiden), wird deutlich – es geht nicht um den Nichtraucherschutz, sondern um das Unterbinden eines Lebensstils, der nicht in das Bild unserer Leistungsgesellschaft passt. Es ist abstrus. Mit demselben Argument könnte meine Nachbarin vor die Tür gesetzt werden – sie kocht gerne indisch, das riecht man bis auf den Hausflur. Wo, wenn nicht in seiner Wohnung soll der gute Mann denn rauchen? Nicht in der Öffentlichkeit. „Nirgends? Das geht nicht“, würde Schmidt wohl sagen.

das-duell-feeder Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann, Teaserfoto: Daniel Rennen / pixelio.de.

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