Müllberge für die Steckdose

Fotos: flickr.com/Timothy Takemoto/epSos.de/Marc Patzwald, Montage: Marc Patzwald

Fotos: flickr.com/Timothy Takemoto/epSos.de/Marc Patzwald, Montage: Marc Patzwald

Bei uns gehört der Abfall in die Mülltonne – und wenn die Müllabfuhr da war, heißt es oft: Aus den Augen, aus dem Sinn.  In vielen afrikanischen Ländern aber verdreckt der Müll oft die Straßen. Jetzt entwickelt man eine Methode, um die stinkenden Müllberge sogar auf effektive Weise zu nutzen.

Kleine schwarze Plastiktüten hängen in den Bäumen und flattern im Wind, Plastikflaschen liegen an jeder Ecke, überall stapelt sich der Müll – ein katastrophales Bild, das man hier höchstens in den hintersten Bahnhofs-Ecken oder nach Festivals kennt.

Müllberge wie dieser sind ein typisches Bild in vielen afrikanischen Ländern - hier bei uns kaum vorstellbar. Foto: hoyasmeg/flickr.com

Müllberge wie dieser sind ein typisches Bild in vielen afrikanischen Ländern - hier bei uns kaum vorstellbar. Foto: hoyasmeg/flickr.com

In Togo beherrscht es tagein, tagaus die Straßen. Auch die Eisenbahnstrecke, die quer durch das Land verläuft, wird von meterhohen Müllhaufen umrandet. Denn wie in vielen afrikanischen Ländern gibt es hier keine funktionierende Abfallwirtschaft – die Städte ertrinken beinahe im Müll.

So entwickelt man derzeit speziell für Entwicklungs- und Schwellenländer ein Kraftwerk, das solche Abfallstoffe und Biomasse nutzt, um Wärme, Kälte, Strom und möglicherweise auch Trinkwasser zu gewinnen. „So leistet man auf der einen Seite einen Beitrag zu einer vernünftigen Abfallbeseitigung, zudem lässt sich auch ein deutlicher Nutzen aus der enthaltenen Energie erzeugen“, erklärt Chemieingenieur Tim Schulzke vom Oberhausener Fraunhofer-Institut Umsicht das Konzept. Dort am Institut hat man nämlich eine sogenannte Wirbelschichtfeuerung entwickelt, die die nötige Wärme für den Betrieb des Kraftwerks erzeugt.

Strom sparen beim Kühlen

Sri Lanka, der südliche Mittelmeerraum, Indien, Afrika – der Zielmarkt für ein solches Kraftwerk liegt vorwiegend in sonnigen Regionen. Heizen wollen dort wohl die wenigsten, klimatisieren hingegen schon. Indem man die Abwärme des Kraftwerks nutzt, um thermische Kältemaschinen anzutreiben, spart man schon einmal deutlich an Strom gegenüber den herkömmlichen Kältemaschinen.

So sieht die Wirbelschichtfeuerung am Fraunhofer-Institut aus. So groß wird das Müll-Kraftwerk auch in etwa sein. Foto: Fraunhofer Umsicht

So sieht die Wirbelschichtfeuerung am Fraunhofer-Institut aus. So groß wird das Müll-Kraftwerk später auch in etwa sein. Foto: Fraunhofer Umsicht

In besonders trockenen Regionen könne man mithilfe des Kraftwerks sogar Trinkwasser erzeugen, erklärt Tim Schulzke (übrigens auch ehemaliger TU Dortmund-Student), indem Meerwasser mithilfe von Wärme entsalzt wird – eine eher altmodische Methode, die sehr energieaufwändig ist und deshalb kaum mehr angewendet wird. Aber mit der Verbrennungswärme des Kraftwerks hätte man ja sogar noch Wärme ‚übrig‘, die dann zur Meerwasserentsalzung genutzt werden könnte.

Zuerst die Hotels

Als erstes sollen Hotelanlagen mit einem solchen Kraftwerk ausgestattet werden. Der Inhalt der Papierkörbe, alte Tischdecken, Handtücher, Servietten, Kartonagen – das alles könnte verfeuert werden. Auch trockener Grünschnitt, der auf den ausgedehnten Grünflächen ja zuhauf anfällt, Gehölze und Bäume könnten so entsorgt werden.
Und nicht nur die Hotelanlage selbst soll sich durch das Kraftwerk mit Strom, Kälte oder auch Wasser selbstversorgen, auch das angrenzende Dorf könnte mit der Energie versorgt werden. Sollte das Kraftwerk allerdings nicht genug Energie erzeugen, könnte man auch andere Stromerzeugungsanlagen wie beispielsweise Wasserkraft- oder Photovoltaik- Anlagen in das Stromnetz einbauen – ein klassischer Hybrid-Ansatz.

In Togo sind die Stromnetze extrem schlecht, sie halten keine hohen Belastungen aus. Während hierzulande ein zehnminütiger Stromausfall schon zu Chaos führt, seien dort Stromausfälle die Regel – etwa vier bis sechs Stunden am Tag, berichtet Schulzke. Dem Betrachter bietet sich dann ein erschreckendes Bild: Dichte, schwarze Wolken steigen über den Häusern auf. Denn auf fast jedem Haus steht für genau diesen Fall ein Dieselgenerator, der das Haus weiterhin mit Strom versorgt.

Keine Top-Emissionswerte

Chemie-Ingenieur Tim Schulzke, ehemaliger TU-Dortmund-Student. Foto: privat

Chemie-Ingenieur Tim Schulzke, ehemaliger TU-Dortmund-Student. Foto: privat

Schaut man auf die Emissionswerte, müsse man deshalb auch beachten, womit man diese vergleicht. Mit den hiesigen Umwelt-Standards könnten die geplanten Kraftwerke sicherlich nicht mithalten, selbst das älteste Kohlekraftwerk in Deutschland sei vergleichsweise ’sauber‘, so Schulzke. Doch verglichen mit dem jetzigen Standard vor Ort wäre es ein enormer Fortschritt, lägen die Emissionen des Müll-Kraftwerks doch weit unterhalb derer, die bei der direkten Verbrennung der Abfälle entstehen. Momentan ist das nämlich oft die Lösung, um die riesigen Müllberge loszuwerden. „Und wenn wir mithilfe des Kraftwerks nur zwei, drei Stunden Dieselgenerator-Nutzung am Tag einsparen, dann ist das schon ein großer Beitrag zur Luftreinhaltung“, so Schulzke.

Erstmal Kinderkrankheiten ausmerzen

Auf einem Netzwerk-Treffen am Fraunhofer-Institut berichtete ein gebürtiger Togolese, bei der älteren Generation sei in puncto Abfallentsorgung und Umweltschutz schon Hopfen und Malz verloren. Die nachwachsende Generation aber sei sehr sensibilisiert für die Thematik und interessiert an Veränderungen. Es gibt es auch schon erste Anfragen nach den Kraftwerken, beispielsweise von einem Ministerium in Togo, doch die werden zurzeit noch vertröstet.
Denn erst einmal muss noch getestet werden, ob die Anlage auch im Dauerbetrieb funktioniert, außerdem soll mit unterschiedlichen Brennstoffen experimentiert werden. Leider könne man eine solche Testanlage nicht einfach in Togo oder Sri Lanka selbst aufbauen: „Die Kinderkrankheiten sollten wir erst einmal hier in der Nähe auszumerzen versuchen.“
Der Wunsch ist, dass man mit der Planung der ersten Anlage Anfang 2014 beginnen kann. „Aber das ist ein extrem straffer Zeitplan“, warnt Schulzke.

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