Düstere Zeiten für Syrien

In Ägypten und Tunesien kam der Umsturz überraschend schnell. In Syrien aber ist ein zunächst friedlicher Aufstand zum blutigen Bürgerkampf geworden. Friedensforscher Jochen Hippler sprach am Montag an der Universität Duisburg-Essen über unterschiedliche Wege der Rebellion – und darüber, dass dem syrischen Volk wohl auch nach einem Sturz des Regimes düstere Zeiten drohen.

„Im wahren Leben ist es nicht wie im Märchen: Die weiße Prinzessin kämpft gegen den schwarzen Teufel“, sagt Friedensforscher Jochen Hippler. Rebellen gegen Unterdrücker-Regime, friedliche Demonstranten gegen gewaltbereite Streitkräfte. Auch nicht in

"Es gibt nicht die Aufständischen" - Rebellen der Freien Syrischen Armee. Foto: FreedomHouse2/flickr.com

"Es gibt nicht die Aufständischen": Rebellen der Freien Syrischen Armee. Foto: FreedomHouse2/flickr.com/ Teaserbild: syriana2011/flickr.com

Syrien, wo seit fast zwei Jahren ein blutiger Bürgerkrieg tobt – ein Ende ist kaum absehbar.

„Das Volk will den Sturz des Regimes“ schmieren Jugendliche im Süden Syriens im März 2011 auf Gebäude. Sie werden verhaftet und gefoltert – die ersten Proteste beginnen. Die Demonstranten fordern die Freilassung der Kinder. Friedlich, ohne Waffen. Die Proteste breiten sich aus, das Volk protestiert jetzt auch gegen Machtmissbrauch, gegen Korruption, gegen Folter. „Die Kräfte des Regimes sind schon da mit brutaler Härte gegen die friedlichen Demonstranten vorgegangen, haben einfach in die Menge geschossen“, sagt Hippler.  Monatelang sei die Gewalt weiter sehr einseitig gewesen – jetzt aber sei es ein völlig anderer Konflikt. Man könne einen Krieg deshalb auch nur dann begreifen, wenn man ihn als etwas Veränderliches wahrnimmt.

Rebellen bekämpfen sich gegenseitig

Die Rebellen werden radikaler, bewaffnen sich und bauen selbst militärische Einheiten auf. „Wenn man immer wieder erlebt, wie der eigene Neffe oder das Nachbarskind einfach umgebracht wird, gibt man entweder auf, oder aber ein solcher Konflikt wird radikalisiert“, erklärt Hippler. Die Rebellen kämpfen nicht mehr nur gegen Folter und die Arroganz der Behörden, sondern fordern: das Regime muss weg. Und Syrien gleitet in den Bürgerkrieg.

Friedensforscher Jochen Hippler beim Vortrag an der Uni Duisburg-Essen

Friedensforscher Jochen Hippler beim Vortrag an der Uni Duisburg-Essen

„Mittlerweile kämpft aber nicht mehr das Volk mit dem Regime um die Macht, sondern verschiedene Bevölkerungsgruppen kämpfen gegeneinander“, erläutert Hippler die Situation heute. „Es gibt nicht die Aufständischen“, keine einheitliche syrische Armee. Vielmehr gäbe es mehrere hundert bewaffnete Grüppchen, die teilweise sogar gegeneinander kämpfen. Die Städte plündern und wie bewaffnete Mafia-Banden durch die Straßen ziehen.

„Und das ist gefährlich – weil das Regime so wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt“, warnt Konfliktforscher Hippler. Noch vor einem Jahr hätte man über die Propaganda des Assad-Regimes gelacht – heute gibt es Beweise für die Brutalität der Rebellen.

Noch fünf bis zehn Jahr Unruhen

Deshalb würde auch ein Sturz des Regimes zum jetzigen Zeitpunkt keinen Frieden bringen, prognostiziert Hippler: „Selbst wenn Assad jetzt an einem Herzinfarkt stirbt oder einen sehr, sehr langen Urlaub auf den Bahamas macht – der Krieg wird wohl nicht zu Ende sein.“ Noch die nächsten fünf bis zehn Jahre  werde es wohl weiter Unruhen geben. „Nur an anderen Konfliktlinien.“

Ein Bürgerkrieg wie in Syrien oder Libyen aber sei nicht die einzige Form, um sich gegen ein Regime aufzulehnen – ein Blick in andere Länder des arabischen Frühlings zeigt: Es gibt die verschiedensten Wege der Rebellion.

Für ein Unipublikum ungewöhnlich viel graues Haar - der Verein "Lebenslanges Lernen" für Studenten im fortgeschrittenen Alter hatte zu dem Vortrag geladen. Foto: Lisa Weitemeier

Für ein Unipublikum ungewöhnlich viel graues Haar - der Verein "Lebenslanges Lernen" für Studenten im fortgeschrittenen Alter hatte zu dem Vortrag geladen. Foto: Lisa Weitemeier

In Marokko oder Jordanien etwa gab es Reformen von oben. „Die monarchischen Herrscher dort haben vorbeugend begrenzte Reformen beschlossen, um den Dampf aus dem Kessel zu nehmen“, erklärt Hippler. Zwar gäbe es jetzt ein gewähltes Parlament und eine Regierung – die tatsächlichen Entscheidungen treffe aber noch immer ein kleiner Zirkel um den König.

Herrscher schmieren ihr Volk

Eine ähnliche Taktik wählten die Herrscher in arabischen Ölstaaten wie Saudi-Arabien. Hier gab es wenig politische Reformen, vielmehr schlossen die Herrscher mit der Bevölkerung eine Art Deal: Soziale Wohltaten gegen Mitspracherechte. „Hier hat die Regierung die eigene Bevölkerung mit Ölgeldern geschmiert. Nach dem Motto: Klappe halten, dann gibt es ökonomische Zugeständnisse.“ Lehnte sich das Volk trotzdem auf, gingen bewaffnete Sicherheitskräfte mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vor.

In Ägypten und Tunesien dagegen habe es dagegen überraschend einen schnellen Umsturz gegeben, im Wesentlichen friedlich – eine vorbildliche Revolution. Jetzt aber herrsche in den Ländern oft Enttäuschung: der Lebensstandard der Menschen ist abgesunken, es gibt wirtschaftliche Probleme, die Gesellschaft ist polarisiert. Hippler: „So ein Umsturz läuft eben nicht so glatt und paradiesisch, wie man sich das wünscht.“

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