Dortmund und die Nazis

Über 1000 rechtsmotivierte Straftaten gab es laut Verfassungsschutz in den Jahren von 2005 bis 2010 – allein in Dortmund. Das heißt: Jeden zweiten Tag passiert hier eine Straftat mit rechtsextremistischem Hintergrund, so viel wie in keiner anderen Stadt in NRW. Wie sieht die Situation heute aus? pflichtlektüre hat die Lage in Dortmund für euch zusammengefasst.

Kompakt: Seit wann? Wo? Wie viele?

Seit den 80er Jahren gibt es in Dortmund eine gut organisierte rechte Szene. Zunächst gründete sich die „Borussenfront“, ein Zusammenschluss aus BVB-Fans unter der Leitung von Siegfried Borchert, dem früheren Landesvorsitzenden der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“. Sie wurde 1995 verboten. Danach gab es viele lockere Zusammenschlüsse, sogenannte „Freie Kameradschaften“. Heute wird die Szene vor allem von zwei Gruppierungen dominiert: Der „Skinhead Front Dortmund-Dorstfeld“ und den „Autonomen Nationalisten“. Ihre Mitglieder und Sympathisanten bewegen sich vor allem im Westen Dortmunds im Stadtteil Dorstfeld, aber auch um Eving oder Lütgendortmund. Der harte Kern der Neonazis besteht aus ca. 30 Personen. Die Polizei geht von insgesamt 80 aus, Sympathisanten mit eingerechnet.

Welche rechten Gruppierungen gibt es zurzeit in Dortmund?

Heute sind Neonazis nicht mehr so einfach am Aussehen zu erkennen. Foto: Bob Jagendorf / www.flickr.com

Heute sind Neonazis nicht mehr so einfach am Aussehen zu erkennen. Foto: Bob Jagendorf / www.flickr.com Teaser: Wrote / www.flickr.com

„Autonome Nationalisten“: Die „Autonomen Nationalisten“ gibt es seit 2004. Diese „Kameradschaft“ ist gut organisiert, ihre Anhänger sind sehr jung, zwischen 18 und 27 Jahren. „Sie verstehen sich im Selbstverständnis als eine revolutionäre Bewegung, eine, die auch auf der symbolischen Ebene auf Äußerlichkeiten bezogen vieles von Linksautonomen übernimmt“, sagt Thomas Pfeiffer, Referent beim Verfassungsschutz NRW. Das heißt konkret: Sie tragen zum Beispiel auch schwarze Kapuze und Sonnenbrille. Außerdem suchen sie häufig die Konfrontation mit der Polizei oder Antifaschisten.

„Skinhead Front Dortmund-Dorstfeld“: Die „Skinhead Front Dortmund-Dorstfeld“ wurde ebenfalls 2004 gegründet. Sie sieht sich selbst als „feste Kameradschaft“. Ihre Mitglieder fallen vor allem durch ihr Aussehen auf: Glatze, Springerstiefel und Bomberjacke. Der harte Kern dieser Gruppierung besteht aus rund 15 Personen. „Die Skinheadszene versteht sich selbst als Arbeiterjugend“, sagt Thomas Pfeiffer. Deswegen gebe es in diesen Gruppierungen auch kaum Gymnasiasten und Studierende. Laut Polizei-Pressesprecher Wolfgang Wieland ist die „Skinhead Front“ nicht so organisiert, wie es bei den „Autonomen Nationalisten“ der Fall ist.

Warum ist Dortmund so attraktiv für Neonazis?

Laut Antifa war Dortmund neben Berlin eine der ersten Städte, in denen der Stil der „Autonomen Nationalisten“ schnell bekannt und übernommen wurde. Inzwischen hat sich Dortmund zu einem Zentrum der „Autonomen Nationalisten“ entwickelt. „Zum anderen war es auch das jahrelange Wegsehen der Dortmunder Zivilgesellschaft, der Stadt und der Polizei“, sagt   Niklas (Name geändert) von der Antifa. Es gebe Interviews mit Aussteigern, die sich gewundert hätten, dass sie in Dortmund tun und lassen könnten, was sie wollten, ohne dafür belangt zu werden. Inzwischen hat Dortmund aus der Sicht von Neonazis einen so guten Ruf, dass es immer mehr von ihnen nach Dortmund zieht. Dortmund wird mittlerweile Symbolcharakter zugeschrieben. Von Dortmund aus soll, so die Idee, das ganze Ruhrgebiet eingenommen werden.

Warum lassen sich viele junge Leute auf die rechte Szene ein?

In Dortmund finden regelmäßig Nazi-Aufmärsche und Gegen-Demos statt. Foto: DortmundQuer / www.flickr.com

In Dortmund finden regelmäßig Nazi-Aufmärsche und Gegen-Demos statt. Foto: DortmundQuer / www.flickr.com

Viele Jugendliche sind schon mit 15 Jahren in der rechten Szene aktiv. Viele von ihnen suchen dort nach Halt und Orientierung. Einschneidende Erlebnisse wie ein Wohnortswechsel oder der Tod eines Elternteils können der Auslöser dafür sein. Oft bemerken die Jugendlichen gar nicht, welche politischen Botschaften zum Beispiel hinter Rechts-Konzerten stecken. „Rechtsextremisten bemühen sich, ihr Weltbild, ihre politische Propaganda in Formen zu kleiden, die Jugendlichen auf den ersten Blick Spaß machen, die Jugendliche ansprechen, um auf diese Weise den politischen Inhalt eher peu à peu einfließen zu lassen“, sagt Thomas Pfeiffer.

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