Poetry-Slammer im Liebestaumel

Die LMBN ist eine Slam-Kabarett-Burlesk-Entertainment-Show, in der vier Wortakrobaten und ein Gast einmal im Monat das Publikum mit ihren Werken beglücken. Ort des Geschehens ist immer die Bühne des Jazzclubs domicil Dortmund. Am Valentinstag drehte sich hier alles um das schönste Gefühl der Welt.

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Mischa-Sarim Verollet inmitten roter Herz-Luftballons. Fotos: Judith Merkelt.

Als die fünf Poetry Slammer ihre Bühne betreten, liegt Liebe in der Luft. Ganz dezent weisen die Klänge von „Time of my life“ und die großen roten Herzluftballons auf das Motto des Abends hin. Bei näherer Betrachtung der ziemlich bärtigen Interpreten bekommt man leicht das Gefühl, an diesem Abend würde die Liebe wohl auf sarkastisch, analytische Weise behandelt. Romantische Liebesgedichte scheinen zunächst keinen Platz auf der Bühne zu haben. Die fünf Jungs begrüßen ihr Publikum und zelebrieren mit Bierflaschen und Zigarettenqualm gelassene Männlichkeit.

Der optische Poet

Den Anfang macht Mischa-Sarim Verollet, einer der festen Mitglieder bei LMBN. Exzentrische Locken, Nerd-Brille und Tattoos – so steht er da – Musterbeispiel eines modernen Poeten. Der vorgetragene Text trägt den Titel „Was ich nicht verstehe – zappeln lassen“. Über verzweifelte Recherchen auf guteFrage.de zum Thema: „Wann kann ich sie anrufen ohne verzweifelt zu wirken“, kommt der Protagonist zu einer Erkenntnis über moderne Beziehungen. Eigentlich sollte eine Beziehung sein wie Eisessen als Kind, also beschließt er: „Als Kind isst man kein Eis, man fühlt es – mit dem ganzen Gesicht!“ Doch die meisten Beziehungen seien eher wie Eisessen als Erwachsener: „Jedes Waffelstück im Bart könnte da ein Zacken aus der Krone sein“, kritisiert er.

Das Sebastian-Paradoxon

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Sebastian Lehmann liest aus "Sebastian".

Verwirrenderweise springt Sebastian Lehmann für „Sebastian 23“ ein und hat ein Buch mit dem Titel „Sebastian“ geschrieben. Aus diesem Buch trägt er die Geschichte „Das Glitzern in den Augen“ vor. Sie entpuppt sich als Streitrede gegen das allzu öffentliche zur Schau stellen von Gefühlen. „Pärchen-Klumpen in U-Bahnen und Kinos sind kaum zu ertragen“, so das Fazit. Während seines Vortrags liegt ein besonderes Knistern in der Luft. Zum einen mag das an der Stimmengewalt des Vortragenden liegen – zum anderen hat sich einer der Heliumballons davon gemacht und flattert nun knisternd an einer Lüftung herum. Der ausgerissene Ballon erntet deutlich lautere Lacher als der Vortrag.

Skurril aber witzig

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Andy Strauß präsentiert schwarzen Humor.

Weiter geht es mit dem zweiten festen Mitglied der LMBN, Andy Strauß. Während er eine leicht verstörende Geschichte mit dem Titel „Das Festzelt der Liebe“ vorträgt, streicht er sich mit spitzen Fingern die Haare hinters Ohr. Seine Körperhaltung wechselt zwischen vorgeschobener Hüfte mit skeptischem Blick und gebeugtem Rücken mit diabolischem Grinsen. Seine Geschichte nimmt Sweeney Todd-ähnliche Züge an, ist aber mit so viel Wortwitz und schwarzem Humor gewürzt, dass sie die Zuschauer trotzdem in ihren Bann zieht.

Dating mal anders

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Gast-Slammer Patrick Salmen schwört auf die neue Partnerbörse "Immobilienscout24.de"

Auch Gast-Slammer Patrick Salmen kommt zu Wort. Er trägt einen beachtlichen Backenbart und man kommt nicht umhin sich zu fragen, ob ein üppiger Kinnwuchs Zugangsvoraussetzung für den heutigen Abend war. Mit erstaunlich tiefer Stimme trägt Patrick seine Vorstellung einer effektiven Partnersuche vor. Er proklamiert „Immobilienscout24.de“ als neuste Partnerbörse und gibt praktische Tipps fürs erste Date. So müsse man(n) nur eine Wohnungsanzeige schalten und das Heim dann entsprechend herrichten, um eine Frau für sich zu gewinnen. Einige Küchenabfälle des Nachbarn auf der Anrichte vermittelten den Eindruck, man koche gern und mit viel Gemüse. Die Auswahl von Büchern und DVDs solle das volle Spektrum von „Der kleine Prinz“ bis „Terminator“ umfassen, um Stärke und Sensibilität zu signalisieren. Und zu guter Letzt gelte es, die perfekte Lebenslüge anhand von Fotos zu kreieren. Dazu klebe man einfach Passbilder auf Werbeanzeigen von David Beckham bis Mohammed Ali und hänge sie anschließend in der Wohnung auf, schlägt er vor.

„Sag bescheid, wenn du mich liebst“

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Sulaiman Masomi macht Angela Merkel einen Liebesbeweis.

Es folgen zwei Gedichte des LMBN-Slammers Sulaiman Masomi. Mit schneller Stimme und deutlichen S-Fehler trägt er seine Werke vor. Das erste Gedicht überrascht zum Ende hin: Hatte man zuvor geglaubt, es ginge um eine unerfüllte Sehnsucht, entpuppt sich es sich als Liebesgeständnis an Angela Merkel. Das zweite Gedicht „Sag mir Bescheid, wenn du mich liebst“ kommt schon sehr nah an ein klassisches Liebesgedicht heran. Trotzdem bricht es immer wieder mit Zeilen wie: „Wenn ich mitten in der Nacht neben anderen Frauen liege, spüre ich, wie ich daneben lieg.“

Nach der Pause: Gänsehaut

Im zweiten Teil des Abends driftet so manch ein Beitrag vom Thema Liebe ab, dafür gibt es reichlich Gänsehaut-Stimmung. So hinterlässt Sulaiman Masomis Interpretation der „Timm Thaler“-Geschichte einen kalten Schauer. Denn sie endet damit, dass er das Lachen eines kleinen Kindes stiehlt, um selbst wieder fröhlich zu sein. Mischa-Sarim hingegen widmet sich dem Phänomen Bestseller. Unter anderem wundert er sich, wie ein Buch über einen „blassen, altersschwachen Kinderschänder namens Edward“ so erfolgreich werden konnte. Es sei außerdem nach Charlotte Roche schwer geworden noch Themen zu finden, die wirklich schockieren, meint er.

Echte Gänsehaut kommt bei Patrick Salmens zweitem Vortrag auf. Dem vollkommen stillen Publikum trägt er die Momentaufnahme einer sternenklaren Nacht zu zweit auf dem Dach vor. Voller Gedankenfetzen, Farben, Gerüche und Emotionen wie sie nur Verliebte wahrnehmen, zieht der Vortrag alle in seinen Bann. Ohne kitschige Floskeln und abgedroschene Phasen malt er ein modernes Liebesgedicht in den Raum, mit dem so zu Anfang niemand gerechnet hätte. Schlussendlich hatte der Abend also von allen Facetten der Liebe etwas.

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