Heute zum letzten Mal: Sex für Anfänger im Depot-Theater

Mit der Broschüre „Fortpflanzung – ich bin dabei“ versucht die Bundesregierung die Deutschen wieder zu mehr Nachwuchs zu bewegen. Trotz Androhung von Apathiesteuer und Leistungskürzungen bei Libidoverweigerern lassen sich die beiden Protagonisten von „Etwas mehr links“ nicht auf den Vermehrungsplan ein.

Werden wir alle sterben? Foto:jwSterben die Deutschen aus?

Werden wir alle sterben? Foto: jw

Ein angenehmes Empfangsklima erwartet einen in dem 2001 umgebauten Bahnhof. Im Depot ist man gleich per du und kommt ins Gespräch. Dabei wird schnell der idealistische Anspruch des Kulturtheaters deutlich; es geht um die Freude an der Sache; da wird auch für drei Leute im 200-Personensaal gespielt. Dass Herzblut im Spiel ist – das merkt man vom ersten bis zum letzten Augenblick. Ein Stück, welches über die schönste Sache der Welt geht und „doch so wenig Haut zeigt“ – wie Kritiker bemängeln. Zumindest sagt dies René Sydow, der Darsteller von Tom Perez Morales.

Aphrodisiaka könnten einiges bewirken... Foto: jwAphrodisiaka

Aphrodisiaka könnten einiges bewirken... Foto: jw

Trotzdem muss der Zuschauer nichts missen; statt Sex gibt es schlagfertige Wortgefechte und unterhaltsame Radiodurchsagen auf der Bühne. Das Stück ist seit Oktober 2009 auf der Bühne und feiert heute (11.06.10) die letzte Aufführung.

Den Auftakt für das Zwei-Personen-Stück gibt eine Radiodurchsage, in der die Bundesregierung verkündet, ab nun einen aktiven Vermehrungsplan zu verfolgen. Dieser besteht in der Bürokratisierung des Intimbereichs. Androhung von Apathiesteuer und Leistungskürzungen bei Libidoverweigerern, sowie die Broschüre „Fortpflanzung – ich bin dabei“ soll fertile Paare dazu bringen, ihre Libido aufleben zu lassen und die Geburtenrate zu steigern. Die beiden arbeitslosen Pädagogen Antonia Assmann und Tom Perez Morales haben in den zehn Akten so ihre Probleme damit. Die Kompensation für Sex heißt für sie Essen; hierzu müssen die Darsteller während der Vorstellung etwa 2Brötchen plus Erdbeeren vertilgen(s. Interview). Grundsätzlich versuchen sich die beiden unbeholfenen Sex-Legastheniker darin, den Anweisungen der Broschüre zu folgen. Nur hilft es da nicht, wild mit Dildos in der Luft zu schleudern, oder sich mit der Tischdecke der Mutter an das Bett zu fesseln. Auch der Akt wird schnell zur Malerei, anstatt zum eigentlichen ‚Akt‘.

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Barbara Müller inszeniert das ursprüngliche Hörspiel von Dunja Arnaszus witziger, als das Original. Der Fokus liegt nicht so sehr am Scheitern, als vielmehr dem Spaß, an der Sache herumzugehen. Zwei „asexuelle Playmobilmännchen“ auf der Bühne, die von der Regierung zum Bettsport gezwungen werden sollen. Die Regierung tritt in Form von Frau Ensing vom Arbeitsamt auf den Plan, die immer wieder Morales Namen falsch ausspricht und das Paar zu so verzweifelten Handlungen bringt, wie Immigrantenkinder als ihre eigenen auszugeben, nur um Zuschüsse zu erhalten. Ein Gespräch mit Antonias Mutter bringt die beiden Protagonisten ihrem Ziel noch weniger näher, als ihr Shaqra in der freien Natur zu suchen. So kommt es schließlich, dass Tom und Antonia, da sie ihren Vermehrungsvertrag nicht einhalten, fliehen und auf dem Weg in die Freiheit auch ihre Libido wieder finden…

Fazit: Eine unterhaltsame Sommersatire, die einen schönen Abend beschert, allerdings auch zum Nachdenken anregt.