Duell: Ist Hotel Mama im Studium noch ok?

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Endlich ist sie da, die Immatrikulationsbescheinigung – dem Postboten sei Dank! Wer einen Studienplatz ganz in der Nähe seines Heimatortes ergattert hat, steht nun vor einer schwierigen Entscheidung: Im Hotel Mama bleiben oder den Auszug wagen? Die Pflichtlektüre-Autoren Lena Beneke und Hannah Biermann diskutieren Wohlfühlort Elternhaus versus Abenteuer eigene Wohnung.

pro
contra

Willkommen im Hotel Mama! Da, wo ausgebrannte Studenten nach entnervenden Prüfungsphasen nur auf einen Kurzurlaub reinschneien, sind andere noch glücklich zu Hause.  Das Elternhaus ist ein absoluter Wohlfühlort: Sterneküche, Service und Gesellschaft inklusive. Ein Paradies für Muttersöhnchen? Von wegen! Es ist Zeit, mit gehässigen Vorurteilen gegenüber „gemütlichen Nesthockern“ aufzuräumen. Schluss mit ausweichenden Rechtfertigungen. Hier geht es zu den wirklich relevanten Gründen, warum es sich lohnt, als Student zu Hause zu wohnen.

In die Zukunft investieren

Studentenanstürme, begrenzte Hochschulkapazitäten, erbitterte Kämpfe zwischen jungen Berufseinsteigern. In diesen Zeiten sind es persönliche Qualifikationen, auf die es letztendlich ankommt. Der Wohnort spielt nur eine Nebenrolle. Neben guten Noten und berufsfeldbezogenen Nebenjobs sind Auslandsaufenthalte im Rahmen der Ausbildung ein entscheidendes Plus. Ein Semester in Übersee, um Fremdsprachenkenntnisse auszubauen, andere Kulturen zu erkunden – das ist für den Lebenslauf nahezu unverzichtbar. Wer seine Füße also zwei Jahre länger unter den elterlichen Esstisch stellt, um mit dem gesparten Geld einen berufsqualifizierenden Auslandsaufenthalt zu machen, investiert wirklich in seine Zukunft! Er könnte die hart verdiente Kohle ja auch in überteuerte Mietwohnungen in überfüllten Unistädten pumpen und so auf das Erasmus-Sparprogramm hoffen.

Fünf Thekenschichten, das muss nicht sein

Keine Miete bedeutet auch weniger Druck. Und mehr Zeit. Zeit, um wirklich sinnvollen und amüsanten Aktivitäten nachzugehen – anstatt von einer stressigen Schicht in die nächste zu rutschen. Natürlich sind Nebenjobs wichtig, aber doch, um Berufserfahrungen zu sammeln, die einen weiterbringen. Kellnern im Akkord, um auf Biegen und Brechen die Heizkosten zu decken? Das muss nicht sein, wenn es auch anders geht – und führt letztendlich nur zu überzogenen Regelstudienzeiten. Wer profitiert davon? Niemand.

Aber kommen wir zum entscheidenden Punkt des Studenten-Daseins: das Studieren. Wo bitte lässt es sich stressfreier und konzentrierter lernen als in gewohnter und heimischer Atmosphäre? Wilde Studentenparties in urigen Wohngemeinschaften sind unschlagbar – zur Ruhe kommt man hier jedoch kaum. Irgendwas oder irgendwer ist immer los. Uff…

Aus Kindern werden Leute – so oder so

Ein Hinweis für alle, die Angst davor haben, im Heimatort wichtige Erlebnisse in Sachen Studizeit zu versäumen: Mit dem heiß begehrten Semesterticket verpassen auch Daheimgebliebene kein Event. Versprochen.

Natürlich geht es in der Studentenzeit letztendlich um mehr als den puren Lernstoff. Aus Kindern werden Leute. Freiheit, Unabhängigkeit, endlich selbstständig sein, herrlich! Erwachsenwerden erfordert aber keine Studentenbude à la Ikea und mit leerem Kühlschrank. Eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen können wir auch im Elternhaus. Man muss sich nur trauen.

Räum bitte den Geschirrspüler aus, bevor du gehst! Diesen Satz hört niemand gern – schon gar kein „Kind“ im zarten Alter von 23 Jahren. Richtig gelesen, hier stehen das Wort „Kind“ und die Zahl „23″ im selben Satz und hängen auch noch eng miteinander zusammen. Das geht? Ja, leider. Wie man das ändern kann? Ganz einfach: Mehr Eigeninitiative. Raus aus dem gemachten Nest und erwachsen werden!

Hotel Mama beliebt im Ruhrgebiet

Sehr prekär, das fällt mir immer wieder bei Freunden auf, ist die Hotel Mama-Lage im Ruhrgebiet. Der Pott, alles ein Brei, sehr bequem. Städte wie Dortmund, Bochum, Essen und Duisburg sind gut miteinander vernetzt. Das zumindest scheint bei meinen Freunden als Argument mit Schlagkraft zu gelten. Wenn die Frage nach den eigenen vier Wänden hochkommt, besinnen sich Nesthocker regelmäßig auf die ideale Beschaffenheit der Region und die unglaubliche Verlässlichkeit der Deutschen Bahn.

Und das stinkt mir ganz gewaltig. Ich bekomme immer einen hoch roten Kopf und ein paar graue Haare, wenn ich Freunde in Bergkamen, Wuppertal, Duisburg oder Marl besuchen muss. Außerdem: Über eine Stunde lang zu den Kumpels zu fahren ist durchaus ab und zu drin – aber jeden Morgen? Nicht nur die Schriftstellerin Bettina Hennig bekennt sich in ihrem Roman „Der frühe Vogel kann mich mal!“ So denken auch Studenten, die extra früh aufstehen müssen, um nach einer mehrstündigen Odyssee beim 8 Uhr-Seminar anzutanzen. Resultat: Manche Pendler schenken sich die frühen Veranstaltungen. Mit einer Wohnung in Uni-Nähe sähe das anders aus.

Ein Schritt in Richtung Eigenständigkeit

Einer Studie des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2007 zufolge, ziehen Frauen mit durchschnittlich 21 Jahren und Männer mit 23 Jahren von zu Hause aus. Deutsche Jugendliche verlassen im europäischen Vergleich relativ früh die elterlichen Gefilde – und das ist richtig so! Eine eigene Wohnung oder ein WG-Zimmer bringen zwar Kosten und mehr Arbeit, sicher. Dennoch ist der Auszug aus dem Elternhaus ein wichtiger Schritt in Richtung Eigenständigkeit und Erwachsensein. Spätestens nach der ersten, viel zu hohen Stromabrechnung, mehreren unangenehmen Auseinandersetzungen mit der Hausverwaltung und der selbst beseitigten Rohrverstopfung im Badezimmer ist man stolz auf seine Leistungen. Endlich alleine zurechtkommen, sein eigenes Geld verdienen: Das ist nicht immer einfach, aber führt dazu, dass man über sich hinauswächst und sich selbst besser kennenlernt.

Den Horizont erweitern

Mehr Freiheiten, Ruhe, Selbstbestimmung, weniger aufräumen. In der eigenen Wohnung herrschen eigene Regeln. Meine Mutter hat früher einfach meine Zimmertür zugemacht, wenn es ihr zu unordentlich wurde. Gesagt hat sie nie etwas. Von Freunden allerdings weiß ich, dass es in den meisten Haushalten anders läuft. Viele Eltern verfallen in einen Kontrollmodus – verständlich, wenn das erwachsene Kind nicht arbeitet, sondern nur Kost und Loge genießt. Ausziehen bedeutet: Ich gehe nun meinen eigenen Weg. Es bedeutet mehr Freiheiten und mehr Verantwortung.

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Foto: Christa El Kashef/pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann

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