Gute Karten beim Gehaltspoker

Aus dem Hörsaal in die Arbeitswelt: Absolventen warten im Bewerbungsgespräch mit wenig Berufserfahrung auf. Wie sie eine richtige Gehaltsverhandlung führen, wissen die wenigsten – und verkaufen sich nicht selten unter Wert. Dennoch ist ihr Marktwert hoch. Ines Speda, Job Coach und Finanzberaterin, klärt im Interview über gefährliche Bescheidenheit und den Mut zum Ich-Sagen auf.

Job Coach Ines Speda. Foto: Ines Speda

Job Coach Ines Speda: Seit 2001 berät die 42-Jährige ihre Klienten in Karrierefragen. Teaserbild: Maike Knorre / Foto: Ines Speda

Pflichtlektüre: Frau Speda, spielen Sie Poker?

Ines Speda: Nein, Poker habe ich noch nie gespielt. Ich spiele lieber passiv – Fußballgucken zum Beispiel (lacht).

Als Job Coach kennen Sie sich dennoch mit dem Pokern aus – und zwar dem Gehaltspoker im Bewerbungsgespräch. Glücksspiel oder Taktik?

Beides. Ein großer Teil lässt sich insofern berechnen, dass man mit einer guten Vorbereitung Unsicherheiten abbauen kann, sich Argumente parat legt und auf mögliche Rückfragen vorbereitet. Aber es wird nie gelingen, im Voraus die komplette Bandbreite der Möglichkeiten und Eventualitäten abzudecken. Auch der Gesprächspartner, mit dem man es zu tun hat, hat Einfluss auf die Situation. Jeder hat da sein eigenes Pokerface.

Wie wichtig ist es, schon bei der ersten Gehaltsverhandlung auf den möglichen Höchstwert zu setzten? Lege ich hier die ersten Steine für das Fundament meiner Karriere?

Der Engländer hat da ein sehr schönes Zitat: „You never get a second chance for a first impression“, also es gibt nie die zweite Chance für den ersten Eindruck – das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wenn das erste Vorstellungsgespräch nicht so optimal auf der Gehaltsschiene läuft, dann ist nicht automatisch die ganze Karriere verbaut. Es wird zwar schwieriger, innerhalb der gleichen Firma größere Gehaltssprünge zu einem späteren Zeitpunkt zu machen. Doch spätestens bei einem Jobwechsel in ein neues Unternehmen werden die Karten wieder neu gemischt.

Frischgebackene Absolventen kommen als hochqualifizierte Kräfte aus dem Hörsaal in die Arbeitswelt. Berufserfahrung haben die wenigsten, ebenso wenig Ahnung von angemessenen Gehaltsverhandlungen. Die Billig-Absolventen verkaufen sich daher oft unter Wert, wie die Süddeutsche Zeitung 2010 titelte. Ist das so?

So pauschal würde ich das nicht sagen. Dennoch kommt gerade Berufseinsteigern oft eine falsche Tugend – die Bescheidenheit – in die Quere. Besonders bei Frauen ist das sehr ausgeprägt. Dass man nicht gierig oder zu forsch erscheinen möchte, sind Werte, die meist schon in der Kindheit vermittelt wurden. Dieser Bescheidenheit nachzugeben, ist hier eine große Falle. Denn wer unerfahren und nicht selbstbewusst wirkt, wird nicht, oder für „kleines Geld“ eingestellt. Umgekehrt sollte man aber auch aufpassen, nicht zu hoch übers Ziel hinauszuschießen, es sei denn, man kann eine außergewöhnlich hohe Summe auch außergewöhnlich gut vertreten.

"Fußball ist unser Leben" sangen schon die westdeutschen Nationalkicker zur WM '74. Aber was passiert mit dem Leben nach dem Profi-Fußball? Foto: Reiner Sturm/pixelio.de

Ines Speda vergleicht sich mit einem Fußballtrainer: Sie hilft, die richtige Strategie und Positionierung zu finden. Foto: Reiner Sturm/pixelio.de

Wenn die Forderung aber nicht zum eigenen Gefühl passt, ist eine erfolgreiche  Gehaltsverhandlung meist mehr als schwierig. Die Kunst ist es, durch eine gute Vorbereitung die richtige Balance und einen Betrag zu finden, mit dem ich mich wohl fühle und den ich dementsprechend sicher und selbstbewusst vertreten kann. Ich spreche hier gerne von dem sogenannten „Lächel-Faktor“: Wenn mir die angestrebte Summe schon im Vorfeld statt Bauchschmerzen ein Lächeln beschert, und ich mit einem zufriedenen Lächeln aus dem Gespräch gehe, habe ich richtig gepokert.

Der Schlüssel zum Lächeln ist also die richtige Vorbereitung – das heißt aber nicht schnödes Auswendiglernen von Lebenslauf und Referenzen. Wie erkenne ich meinen wahren Marktwert, und wie verkaufe ich diesen im Bewerbungsgespräch richtig?

Der Begriff „Marktwert“ ist sehr kompakt, dahinter steckt jedoch eine ganze Menge. Um ihn zu ermitteln, spielen verschiedenen Faktoren eine Rolle. In erster Linie zählen die Person und ihre individuellen Erfahrungen. Da Studenten meist noch keine ausgeprägte Berufserfahrung haben, können sie zum Beispiel Praktika oder Studentenjobs günstig herausarbeiten, die mit Bezug auf den Job stehen, auf den sie sich bewerben. Dann zählt natürlich die Qualifikation auf dem Papier, also Abschluss, Promotion, Anzahl der Semester und Noten. Auch Auslandsaufenthalte können positiv sein, wenn sie im Bezug zum Job einen Mehrwert haben.

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Die Grundlagen für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung bauen auf dem Selbstbewusstsein auf. Infografik: Ines Speda

Neben den persönlichen Erfahrungen hat das Paket „Firma und Rahmenbedingungen“ Einfluss auf den Marktwert. Dazu zählen das Berufsbild, die Unternehmensgröße und Branche, aber auch die Region und der Standort des Unternehmens. Im Mode- und Werbebereich ist es beispielsweise hipper in Düsseldorf zu arbeiten als auf dem Land. Und mit etwa fünf Prozent mehr Verdienst auch lukrativer. Nicht zuletzt liegt es aber an der Persönlichkeit und dem Verhandlungsgeschick, das ganze Paket möglichst gut zu verkaufen. Wer seinen Marktwert kennt und sich seiner Stärken und Qualifikation bewusst ist, kann seine Forderungen souverän vertreten.

Nackte Zahlen auf den Tisch zu legen fällt nicht nur Berufseinsteigern schwer. Wenn im Bewerbungsgespräch die Frage nach der konkreten Gehaltsvorstellung aufkommt, fängt das große Stammeln an. Wie formuliere ich meine Forderungen überzeugend, ohne naiv zu wirken oder mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen?

Zur Vorbereitung gehört es natürlich auch, sich über das Berufsfeld an sich sowie die gängigen Kurse in der entsprechenden Branche zu informieren und sich in Anlehnung daran ein persönliches Maximal-, Minimal- sowie Alternativziel herauszuarbeiten, mit dem man sich wohlfühlt. Sobald sich die Verhandlung in die Nähe des Minimalwertes oder gar darunter bewegt, sollten mit dem Alternativziel denkbare Zusatzleistungen wie Firmenwagen, Prämien oder Urlaubsgeld eingefordert und eine Brücke gebaut werden. Der Fehler, den auch viele meiner Klienten machen, ist es, aus der Unsicherheit heraus in den Konjunktiv zu verfallen. „Ich würde eventuell gerne verdienen wollen“ ist wenig überzeugend. Damit geht auch die körperliche Signalwirkung einher: Wer mit leiser Stimme in seinem Stuhl versinkt macht sich unnötig klein.

Besser ist es, wenn im Vorfeld die Argumentation und das Bewusstsein für die eigenen Leistungen klar sind. Nur so können die Forderungen mit Rhetorik und Körpersprache überzeugend präsentiert werden. „Meinen Qualifikationen entsprechend empfinde ich ein Gehalt von … Euro für angemessen“, wirkt schon ganz anders – „Ich-Argumente“ unterstreichen berechtigte Forderungen.

Gibt es neben dem souveränen Präsentieren der eigenen Forderungen noch andere Spielregeln für das Gehaltspoker?

Bewerber sollten in jedem Fall warten, bis der Arbeitgeber das Thema anspricht und nicht mit der Tür ins Haus fallen. Das ist meistens gegen Ende des Gespräches, kann aber auch erst bei einem weiteren Treffen zur Sprache kommen. Wenn möglich, sollten die Kandidaten den potenziellen Arbeitgeber dazu bringen, seine Gehaltsvorstellungen zuerst zu formulieren. Ansonsten gilt es, keine Angst vor klaren Zahlen und konkreten Zielen zu haben. Wem das trotz der besten Vorbereitung nicht liegt, kann gegebenenfalls auch eine Spanne der vorher recherchierten Summe nennen, das kann unter Umständen Ängste abbauen helfen.

Hilfreich ist es in jedem Fall, bereits zu Hause ein paar Eckdaten aufzuschreiben und mit in das Gespräch zu nehmen. Meist erfolgen Gehaltsverhandlungen auf Basis des Brutto-Jahresgehaltes. Es schadet aber nicht, Minimal- und Maximalwert einmal in den Taschenrechner einzutippen und inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld auf 13, 5 Gehälter runter zu brechen. Ist sich der Bewerber trotz aller Vorbereitungen unsicher, ob die vorläufige Gehaltsvereinbarung seinem Marktwert angemessen ist, kann er sich ohne Zweifel einige Tage Bedenkzeit geben lassen.

Ines Speda im Interview

Sich weitergebildet hat die glernte Kauffrau 2009 an der Karriereberater-Akademie Martin Wehrle in Hamburg. Heute hat sie in Rheinberg ihr eigenes Büro. Foto: Maike Knorre

Wie viel Werbung steckt in Bewerbung, wie viel Handlung in Verhandlung?

Kein Autohersteller dieser Welt würde auf die aktuelle und für ihn eher ungünstige Pannenstatistik hinweisen, wenn er ein Auto verkaufen möchte. So ist es auch im Bewerbungsgespräch: Warum mit den Schwächen hausieren gehen, wenn man die Stärken in den Vordergrund rücken kann? Davor sollten sich Berufseinsteiger nicht scheuen – es ist keine Lüge, die individuellen Vorzüge ins Licht zu stellen und Schwächen im Schatten zu lassen.  Natürlich macht man Werbung in eigener Sache, schließlich soll das Produkt „Persönlichkeit“ gekauft werden.

Für die Verhandlung gilt grundsätzlich: Hoch pokern! Aber in Maßen. Gerade Berufseinsteiger sollten abwägen, wie weit sie gehen wollen. Das Wichtigste ist es, stets fachlich korrekt und authentisch zu bleiben. Ein reines Pokerface ist da eher hinderlich. Nur mit einem stimmigen Gesamtbild wird das Auftreten überzeugen.

8 Comments

  • Ines Speda sagt:

    Danke für die freundlichen Rückmeldungen, über die ich mich persönlich – aber natürlich auch für Frau Knorre und ihren gelungenen Artikel – sehr freue! 🙂
    Für weitere Fragen rund um das Gehaltscoaching stehe ich Ihnen sehr gerne in einem kostenlosen und unverbindlichen Erstgespräch zur Verfügung. Sprechen Sie mich einfach an!
    Bis dahin, immer ein gutes „Blatt“ auf der Hand und viele Grüße vom Niederrhein,
    Ines Speda

  • S. Richter sagt:

    Per Zufall bin ich auf den informativen Artikel von Frau Speda gestoßen. Noch immer sprechen viele Bewerber, wenn es um die Gehaltshöhe geht, von dem was andere bekommen oder was sie früher bekommen haben. Es geht aber darum, was sie im Wortsinn „verdienen“, mit ihrer Leistung. Deshalb ist es im „Gehaltspoker“ überzeugend, wenn dieser Punkt mit eigenen Leistungen untermauert wird. Wer da unsicher ist, für den rentiert sich ein Gehaltscoaching mit Sicherheit.

  • Maike Knorre sagt:

    Hallo D. Kanschat und K. Alisch,
    sich über die Spielregeln zu informieren, bevor im Bewerbungsgespräch gepokert wird, ist auch meiner Meinung nach ein wichtiger Vorbereitungsschritt – auch wenn jeder Personaler seine eigene Variante spielt.

  • K. Alisch sagt:

    Sich beim Zusammenstellen der Pokerkarten Unterstützung zu holen, finde ich persönlich sehr clever. Der Artikel macht mir Lust aufs Gehalts-Coaching. Vielen Dank dafür.

  • D. Kanschat sagt:

    Ein sehr informativer und detaillierter Artikel, insbesondere für Berufsstarter (studiert oder nicht).

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