Sicheres Radfahren durch Helmpflicht?

Es gibt ihn in nahezu allen erdenklichen Formen und Farben – nur tragen will ihn niemand: den Fahrradhelm. Um dies zu ändern, fordern manche Ärzte eine Helmpflicht für Radfahrer. Ob sich dadurch die Sicherheit der Radfahrer erhöht, ist allerdings umstritten. Warum man den Helm beim Radfahren zwar aufsetzen sollte, aber eine Helmpflicht nichts bringt.

Eigentlich dürfte es diese Diskussion gar nicht geben. Fahrradhelme schützen bei Stürzen – Basta! Und deswegen sollte auch jeder Radfahrer – ob jung oder alt – eine solche Kopfbedeckung tragen, so die Argumentation der Helmpflichtbefürworter.

Auch das Gurtsystem trägt zur Sicherheit des Radfahrers bei. schemmi/pixelio.de

Auch das Gurtsystem trägt zur Sicherheit des Radfahrers bei. Foto: schemmi/pixelio.de; Teaserbild: CFalk/pixelio.de

Im Mittelpunkt der Debatte steht die Sicherheit der Radfahrer. Für diese sorgt beim Helm ein Zusammenspiel verschiedener Kunststoffarten. Übliche Fahrradhelme besitzen eine dämpfende Schicht, die aus geschäumtem Kunststoff besteht. Eine harte Außenhaut schützt den Helm vor zu hohen Reibungskräften mit dem Straßenbelag. Christof Koplin vom Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik erklärt den Schutzmechanismus des Helmes folgendermaßen: „Der Helm absorbiert die Energie des Sturzes. Damit wird die Beschleunigungskraft reduziert, um eine Gehirnerschütterung zu vermeiden“. Der Helm funktioniert wie eine Knautschzone: Fällt der Radfahrer auf seinen Kopf, wird der Schaumstoff zusammengepresst und fängt dadurch den Aufprall ab. Außerdem verteilt der Helm bei einem Sturz die Belastung auf eine größere Fläche, was den Schädel vor einer Fraktur bewahrt.

Schutz vor Kopfverletzungen

Zwar ist auch mit Fahrradhelm ein Schädelhirntrauma nicht völlig auszuschließen. Dennoch senken Helme das Risiko, bei einem Fahrradunfall schwere Kopfverletzungen davon zu tragen: Für Verletzungen des Schädels nimmt dabei das Risiko um sagenhafte 85 Prozent ab und für Gehirnverletzungen sogar um bis zu 88 Prozent – wenn man einer vielzitierten US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 1989 glauben mag. Geht es nach der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), müsste schon deshalb jeder Radfahrer einen Helm aufsetzen. „Wir unterstützen alle Maßnahmen, die zur Erhöhung der Helmtragequote beitragen“, so Uli Schmucker, Unfallforscher der DGU. Die DGU geht dabei sogar noch einen Schritt weiter: Die Vertretungsorganisation der Unfallchirurgen gilt als eine der stärksten Befürworter einer Helmpflicht in Deutschland.

Die jüngsten Zahlen der Verkehrsunfallstatistik in Deutschland liefern ihr dabei weiteren Diskussionsstoff: Zwar starben laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2012 insgesamt weniger Menschen an den Folgen eines Verkehrsunfalls als noch im vorangegangenen Jahr, allerdings kamen mit 406 Toten im Vergleich zu 2011 mehr Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben. In Deutschland verunglücken jedes Jahr rund 70.000 Radfahrer, damit sind sie nach Autofahrern die am häufigsten in Unfälle verwickelten Verkehrsteilnehmer.

Geringe Helmtragequote

Bei vielen Radfahrern unbeliebt: der Fahrradhelm. segovax/pixelio.de

Bei vielen Radfahrern unbeliebt: der Fahrradhelm. segovax/pixelio.de

Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage, ob nicht eine Helmpflicht für mehr Sicherheit sorgen könnte. In einigen Ländern existiert bereits ein entsprechendes Gesetz, das Fahrradhelme im Straßenverkehr vorschreibt. So zum Beispiel in Australien, Teilen Kanadas und in manchen Bundesstaaten der USA. Die DGU unterstützt seit längerem Initiativen, die versuchen, den Helm auch in Deutschland zur verpflichtenden Grundausstattung für Radfahrer zu etablieren. Zumal aus freien Stücken nur selten zum Helm gegriffen wird. Denn der Fahrradhelm hat in der Gesellschaft keinen leichten Stand: Zu klobig, zu unbequem, zu schwer, lautet oftmals das Urteil über den Kopfschutz, der darüber hinaus auch noch die Frisur ruiniert. In einer repräsentativen Umfrage des Bundesverkehrsministeriums gaben mehr als die Hälfte der befragten Radfahrer an, nie einen Helm beim Fahrradfahren zu tragen. Eine Erhebung des Radsportversandhändlers „Rose Versand“ gab ein ähnliches Bild ab: Dort waren es sogar zwei Drittel der Befragten, die regelmäßig ohne Helm Fahrradfahren.

Auswirkung einer Helmpflicht ungewiss

In Radsport-Rennen ist der Helm vorgeschrieben. Bald auch im Straßenverkehr? Foto: Dieter Schütz/pixelio.de; Teaserbild: CFalk/pixelio.de

In Radsport-Rennen ist der Helm vorgeschrieben. Bald auch im Straßenverkehr? Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Muss man Radfahrer dazu zwingen, einen Fahrradhelm aufzusetzen? Nein, findet Christian Juhra, Unfallchirurg an der Uniklinik in Münster. In einer Studie aus dem Jahr 2010 hat Juhra Fahrradunfälle im Stadtgebiet Münster untersucht und ist dabei zu einem – auf den ersten Blick – verwunderlichen Schluss gekommen: Obwohl laut dieser Studie nur knapp sechs Prozent der in 2250 Unfällen verwickelten Radfahrer einen Helm trugen, sieht Juhra keinen Anlass, eine gesetzliche Helmpflicht in Deutschland einzuführen. „Ich empfehle jedem, einen Helm zu tragen. Aber eine generelle Helmpflicht muss abgewogen werden“, so Juhra.

Helm ja, Pflicht nein. Wie passt das zusammen? Über den generellen Nutzen des Helmes bei Verkehrsunfällen sind sich die Forscher grundsätzlich einig. Doch die Auswirkungen eines Helmzwangs für Radfahrer sind nicht abzusehen. „Wäre der Fahrradhelm auf deutschen Straßen Pflicht, würde die Rate der Schädelhirntraumata sicherlich sinken, aber das läge vielmehr daran, dass weniger Leute Radfahren würden“, folgert Juhra. Dies belegen Untersuchungen in Australien. In Sydney ist die Zahl der Radfahrer fünf Jahre nach Einführung der Helmpflicht im Jahr 1991 um nahezu die Hälfte gesunken.

Aber selbst die Anzahl der Radunfälle muss durch eine gesetzliche Helmpflicht nicht zwangsweise abnehmen. Kanadische Forscher verglichen Radunfälle in denjenigen Provinzen Kanadas, die eine Helmpflicht besaßen, mit denen ohne Helmpflicht. Das Ergebnis: Die Häufigkeit schwerer Kopfverletzungen war in beiden Fällen gleich groß, eine positive Auswirkung der Helmpflicht auf die Sicherheit der Radfahrer also nicht feststellbar. Allerdings warnt Juhra davor, solche Untersuchungen eins-zu-eins auf die Situation in Deutschland zu übertragen. In Kanada beispielsweise wird das Fahrrad eher als sportliche Freizeitaktivität genutzt und weniger als tägliches Fortbewegungsmittel wie in Deutschland.

Seite 2 – Warum die Studienergebnisse fragwürdig sind

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