E-Learning statt Vorlesung

Acht Uhr morgens – Start in das Sommersemester an der TU Dortmund: Zahlreiche Studenten strömen in das Audimax. Der größte Hörsaal in der Uni ist schon nach kurzer Zeit brechend voll. Freie Sitzplätze sind hier Mangelware. Während manche für die nächsten zwei Stunden Vorlesung auf den Treppenstufen Platz nehmen, kämpft der Dozent bereits gegen ein hartnäckiges Stimmengewirr an. Müde, kein Sitzplatz, keine Konzentration: Ein perfektes Arbeitsklima sieht anders aus.

Dabei gibt es durchaus Alternativen zu einer Vorlesung im stickigen und überfüllten Hörsaal. E-Learning heißt das Zauberwort, mit dem Hochschulen versuchen, die universitäre Lehre für Studenten flexibler und moderner zu gestalten. Professoren stellen beispielsweise Skripte oder Video-Mitschnitte aus Vorlesungen und Seminaren auf einer Lernplattform zur Verfügung. Die Vorteile: Studenten können zu jeder gewünschten Zeit und von jedem Ort online auf die Lehrangebote der Universitäten zugreifen. Für Heiner Barz, Professor für Bildungsforschung an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, sind dabei mehrere Aspekte wichtig: „Gelungene E-Learning-Angebote beinhalten neben Lehrmaterial auch Aufgabenstellungen und die Gelegenheit, sich mit anderen Studierenden auszutauschen und Fragen zu stellen.“ Nicht nur Einzelveranstaltungen lassen sich auf diese Weise bequem von Zuhause aus bearbeiten, manche Hochschulen bieten gar ganze Studiengänge online an. An der Universität Duisburg-Essen haben Studenten die Möglichkeit, ihren Master in Wirtschaftsinformatik ohne Präsenz-Vorlesung zu erlangen.

Neueste Entwicklung: Offene Online-Kurse

Aus den USA kommen seit anderthalb Jahren auch neue Formen des E-Learnings nach Deutschland, sogenannte MOOCs, Massive Open Online Courses. Hinter dem Akronym verbirgt sich der Wunsch, exzellente Lehre kostenlos und für alle weltweit frei zugänglich zu machen. Einzige Bedingung: ein funktionierender Internetanschluss. Michael Kerres vom Lehrstuhl Mediendidaktik an der Uni Duisburg-Essen beschreibt den Unterschied zu anderen E-Learning-Programmen folgendermaßen: „MOOC bedeutet, dass Sie ein E-Learning-Kurs, der sonst nur von Universitäten für Studierende angeboten wird, offen ins Netz stellen“. Der Uni-Campus verlagert sich somit ins World-Wide-Web und mit ihm vergrößert sich die Zuhörerzahl.

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Leere Hörsäle sind trotz E-Learning nicht zu erwarten. (Foto: Malz77 / flickr; Teaser: Bernd Wachtmeister / pixelio )

Das erste MOOC organisierte Sebastian Thrun, Professor an der renommierten Stanford University im Jahr 2011. Verfolgten im Hörsaal sonst rund 200 Studierende seine Vorlesung zum Thema „Künstliche Intelligenz“, nahmen nun über der ganzen Welt verstreut knapp 160.000 Menschen an dem Kurs teil. Der Stanford-Professor hat mittlerweile seine eigene Plattform gegründet, auf der er eigene MOOCs anbietet. Auch weitere Plattformen wie Coursera haben sich auf solche offene Onlinekurse spezialisiert. Über drei Millionen Menschen nutzen dort das Lehrmaterial, das von rund 70 Bildungsanstalten stammt. Neben den amerikanischen Eliteunis sind auch andere Hochschulen vertreten, unter anderem die beiden Münchner Universitäten. In Deutschland existiert seit 2011 die kommerzielle Plattform Iversity, auf der bislang zehn Kurse von deutschen Hochschulen zur Auswahl stehen.

E-Learning als zusätzlicher Aspekt universitärer Lehre

Unklar ist allerdings, wie gut sich MOOCs für die Lehre an der Universität eignen: Von allen Teilnehmern beendeten nur 14 Prozent den Onlinekurs des Stanford-Professors. Zwar erhalten Studenten für den erfolgreichen Abschluss ihres MOOCs ein Zertifikat. Eine anerkannte Studienleistung gibt es dafür in Deutschland jedoch nicht. Anders sieht es bei den bestehenden E-Learning-Programmen aus, die in den deutschen Universitäten integriert sind. Diese kommen an den Hochschulen vermehrt zum Einsatz – allein an der Uni Duisburg-Essen bauen laut Michael Kerres über hundert Dozenten diese Online-Methoden in ihre Lehre ein. Wie kommt diese Entwicklung bei den Studenten an? „E-Learning ist unter Studierenden als Zusatzangebot gefragt, weil sie dadurch flexibler sind und es ihrer Lebenssituation besser entspricht“, weiß Michael Kerres zu berichten.

Wird E-Learning das Lernen an den Universitäten revolutionieren? Heiner Barz ist vorsichtig optimistisch: „Bereits in den 90er Jahren haben manche vorausgesagt, dass bis zum Jahr 2005 die Hälfte des Hochschulunterrichts nur noch online stattfindet. Davon sind wir heute noch weit entfernt.“ Die online-basierte Lehre sieht er dennoch in einer wichtigen Nebenrolle, als Ergänzung zum vorhandenen Angebot. „E-Learning wird den traditionellen Hochschulunterricht aber nie vollständig ersetzen, weil persönlicher Kontakt und Austausch für Studenten und Professoren wichtig ist“, so Barz.

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