„Studiengebühr fördert Bafög-Empfänger doppelt“

Andreas Pinkwart ist Wissenschaftsminister und damit eng mit den Hochschulgesetzen verknüpft. Sein neues Stipendienmodell geht in Nordrhein-Westfalen zum Wintersemester 2009/10 an den Start. Die Besonderheit: Einzige Voraussetzung für ein Stipendium seien herausragende Leistungen. Das Einkommen der Eltern sei ohne Bdeutung. pflichtlektüre online sprach mit Pinkwart über Stipendienvergabe an Studenten, die vom Elternhaus bereits gute Startbedingungen hatten. Und wollte wissen, wie und warum die Studiengebühren angeblich niemanden benachteiligen.

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Andreas Pinkwart in seinem Düsseldorfer Büro. Hinter dem Schreibtisch versteckt sich ein gemeinsames Bild mit dem Dalai Lama. Fotos: Franziska Weigt

pflichtlektüre online: Zunächst zu Ihrer Studienzeit. Wie hätten Sie selbst oder Ihre Kommilitonen auf die Einführung von Studienbeiträgen reagiert?

Pinkwart: Das war damals eine andere Zeit, in der man das Studium auch anders begriffen hat. Ich würde im Nachhinein sagen: Leider. Ich gehöre zu einem geburtenstarken Jahrgang und habe selbst völlig überfüllte Hochschulen erlebt – weil es keinen Hochschulpakt gab, durch den man bei steigenden Zahlen noch Lehrstühle eingerichtet hätte, sondern weil schlicht und ergreifend die Türen noch ein Stück weiter aufgemacht wurden. Ich hätte mir mehr Qualität in der Lehre gewünscht und hätte auch sicherlich gerne einen solchen Studienbeitrag geleistet – unter der Maßgabe, dass sich die Situation verbessert hätte.

pflichtlektüre online: Verstehen Sie heute Studierende, die weiter gegen Studienbeiträge sind?

Pinkwart: Das ist immer so, wenn Sie die Grundsatzfragen stellen, dass Menschen unterschiedlicher Meinung sind. Ich beobachte aber, dass die Debatte an den nordrhein-westfälischen Hochschulen sich längst mehr mit dem „wie“ als mit dem „ob“ beschäftigt. Es geht den allermeisten darum, wie die Studienbeiträge von den Hochschulen sinnvoll für die Verbesserung des Studiums eingesetzt werden können.

pflichtlektüre online: In NRW dürfen die Hochschulen über die Beitragshöhe bis zu 500 Euro selbst entscheiden. Warum?

Pinkwart: Das ist ein Stück unseres Selbstverständnisses: Wir haben Vertrauen in die Hochschulen und ihre Mitglieder. Der Staat ist für eine hinreichende Finanzierung verantwortlich, was Ausstattung und Personal betrifft. Wir hatten nur den Eindruck, dass es noch Verbesserungsmöglichkeiten über das hinaus gibt, was wir an Standard antreffen. Und für diese Verbesserungen sollen Studienbeiträge gezielt eingesetzt werden. Da muss jede Hochschule selbst wissen, wie viel Verbesserung wünschenswert ist.

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2 Comments

  • Franziska Weigt sagt:

    Hallo Herr Popper,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Den Vorschlag, die Studienförderung um die Studiengebühren zu erhöhen halte ich auch für sinnvoll, um Gleichberechtigung zu erhalten.

    Es gibt zwar keine Erstattung der Studiengebühren, Herr Pinkwart spricht in diesem Interview aber auch nur von einem Erlass der Studienbeiträge. Damit meint er, dass bei besonderer Leistung (zu den besten 30% aller Absolventen des Abschlussjahrganges gehören) oder schnellem Abschluss (4 – 2 Monate vor Regelstudienzeit) ein Teil der Gebühren bei der Rückzahlung erlassen wird.

  • Die Problematik des Verhältnisses von Studiengebühren zur Ausbildungsförderung nach dem BAföG wird von Bundes- und Landespolitik weithin verkannt. Das liegt vermutlich daran, dass die Hochschulpolitik in die Zuständigkeit der Länder fällt, während die Studienfinanzierung abschließend im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) geregelt ist und daher der Bund fürs BAföG zuständig ist.

    Der im BAföG geregelte Bedarfssatz für Studierende sieht jedenfalls keine Erstattung von Studiengebühren vor. Dies hat zur Folge, dass Studierenden in Bundesländern ohne Studiengebühren weniger Geld für das Studium und den Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Dieses Ergebnis ist jedenfalls unter sozialen Gesichtspunkten, insbesondere der Chancengleichheit nicht hinnehmbar.

    Der im BAföG vorgesehene Bedarf für Studierende sollte daher um die jeweilige Studiengebühr angehoben werden – unter der Prämisse, dass der Bundesgesetzgeber Studiengebühren als sinnvolles Instrument zur Qualitätssicherung und -Verbesserung von Forschung und Lehre an den Hochschulen ansieht.

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