Duell: gendergerechte Sprache

 

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Oh, nicht schon wieder dieses Thema! Gendern? Wirklich? Müssen wir Unsummen von Geld dafür ausgeben, den Namen des Studentenwerkes in Studierendenwerk zu verwandeln? Hat irgendjemand Lust, sich als Professx ansprechen zu lassen? Und gibt es nicht viel drängendere Probleme, mit denen man sich beschäftigen müsste? Judith Wiesrecker sieht das ganz genau so. Johanna Mack hingegen findet, dass man unserem alltäglichen Sprachgebrauch durchaus einen genaueren Blick widmen sollte.

„Die Sprache muss mitwachsen“,

findet Johanna Mack. 

Sobald das Thema Gendern im Zusammenhang mit Sprache aufkommt, folgen Augenrollen und genervtes Abwenden. Dennoch wird es in den letzten Jahren immer wieder diskutiert und Politik, Sprachwissenschaftler und Feministen versuchen, Auswege wie eine genderneutrale Anrede zu finden. An der TU Dortmund wurde auf Druck des Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung im April das Studentenwerk in Studierendenwerk umbenannt. Fakt ist: Auch wenn wir es uns nicht immer bewusst machen, unser Sprachgebrauch prägt maßgeblich unser Denken. Er hat einen Einfluss darauf, wie wir uns selbst und einander wahrnehmen – auch in Bezug auf die geschlechtliche Identität.

Das Problem, das hier diskutiert wird, ist ein Sprachproblem. Es lohnt sich also, sich die Ebene der Sprache mal genauer anzugucken. Das Wort Studentenwerk beinhaltet die grammatikalisch männliche Form des Wortes – schließt also einen Großteil der Studierendenschaft, der sich nicht als männlich definiert, rein sprachlich aus. Unsere Zugehörigkeit zu einem Sprachsystem entscheidet mit darüber, wie wir gesellschaftliche Hierarchien empfinden, und ob wir die Bedeutung anderer Gender neben dem binären Männlich-Weiblichen in Betracht ziehen. Vermeidet man die Benennung, fehlt die Grundlage für die Kommunikation über solche Themen, und wofür man keinen Namen hat, das existiert demnach quasi nicht.

Kürzer, aber nicht korrekt

Erst langsam wendet die Öffentlichkeit sich den Lebensrealitäten trans- oder intersexueller Menschen zu und gewährt ihnen nach und nach mehr Rechte. Die Sprache muss mitwachsen. Sensibilität ist gefordert, gerade auch im universitären Kontext. „Aber ich persönlich fühle mich als Mädchen gar nicht ausgeschlossen! Ich weiß, dass mit „Studenten“ auch ich angesprochen werden soll!“ So könnte man argumentieren, eine derartige subjektive Interpretation ist als verallgemeinerndes Argument aber nicht haltbar.

Dies belegt wiederum die Linguistik. Nach Ferdinand de Saussure entstehen Bedeutungen dadurch, dass über den Zusammenhang eines Signifikanten und eines Signifikats ein gesellschaftlicher Konsens herrscht. Das heißt, dass alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft beispielsweise wissen, dass das Konzept eines Autos mit dem Wort Auto bezeichnet wird und nicht zum Beispiel mit dem Wort Baum – obwohl dieses letztendlich nicht mehr oder weniger Ähnlichkeit mit dem bezeichneten Gegenstand hat.

Zusätzlich zur Nutzung des Wortes“Studenten“ für Männer hat sich eine zweite, generalistische Konnotation der Bezeichnung entwickelt, die der Einfachheit halber einfach sämtliche Gender unter diese Bezeichnung fasst. Das ist kürzer und praktischer – aber eben nicht korrekt. Dagegen lehnen sich Befürworter des Genderings auf, und das mit gutem Recht.

Den Spieß umgedreht

Dennoch ist auch die Spracheffizienz natürlich ein wichtiger Punkt. Eine Aufzählung aller möglichen Genderidentitäten aufzuzählen wäre nicht praktikabel und würde trotzdem vermutlich noch Identitäten vernachlässigen. Auch die Formulierung „Studierende“ erscheint zugegebenermaßen sperrig.

Einen kreativen Ansatz hat die Uni Heidelberg. Sie drehte den Spieß kurzerhand um und nutzte ganz einfach die weibliche Bezeichnung – redete ihre Mitarbeiter in allen offiziellen Dokumenten und Benachrichtigungen also nur noch als „Studentinnten“ oder „Professorinnen“ an. Der Aufschrei war selbstverständlich groß. Aber was spricht eigentlich dagegen? Dieser Gegenschlag mag eine Trotzreaktion sein und ist natürlich ganz offensichtlich ebenso falsch und diskriminierend wie die rein maskuline Ansprache. Nach Jahrhunderten der umgekehrten Intoleranz erscheint dieser Versuch aber zumindest als eine gelungene Provokation.

Wichtig ist: Sprache ist lebendig und daher veränderlich. Was unseren Ohren heute noch sauer aufstößt, kann morgen schon unbemerkt Teil des gewohnten Sprachflusses sein. Sprache schafft Identität, sie beeinflusst unser Denken und unsere Weltsicht. Sie kann Toleranz und Inklusion oder eben auch das Gegenteil fördern. In Zeiten, in denen mit wachsender Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und Schritten wie der Einführung der Homo-Ehe in einigen Ländern Toleranz propagiert wird, ist es sicher keine Verschwendung von Zeit oder Geld, auch der Sprache, dem direktesten unserer Ausdrucksinstrumente, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wandeln wird die Sprache sich von allein. Wir aber können sie dabei in eine fairere, inklusivere Richtung lenken.

„Gendern ist einfach umständlich“, 

findet Judith Wiesrecker.

Liebe Leser oder liebe Lesende oder liebe Leser(innen) oder liebe Leserinnen und Leser oder liebe Leser_innen…? Puh, jetzt habe ich schon wieder ganze fünf Minuten damit verbracht, darüber nachzudenken, wie ich meinen Text am besten beginne, ohne jemandem auf die Füße zu treten. Was soll diese Diskussion über gendergerechte Sprache?

Sie ist jedenfalls nicht neu. Schon in den 1970ern diskutierten in Deutschland Vertreterinnen der feministischen Linguistik über eine Korrektur von Vokabular und Orthografie. Sie protestierten gegen den „sexistischen Sprachgebrauch“ und brachten das Thema erstmals an die Öffentlichkeit. Erst vor ein paar Wochen hat die TU mit der Umbenennung des Studentenwerks in Studierendenwerk für Zustimmung – aber auch für Empörung gesorgt. Ich kann die Empörung nachvollziehen.

Nicht alltagstauglich

Denn meiner Meinung nach ist eine geschlechtsgerechte Sprache schlicht und ergreifend nicht alltagstauglich. Nicht nur, weil es keine einheitliche Regelung gibt. Alle gängigen Formen, die auch sprachlich beide Geschlechter miteinbeziehen, machen den Text länger oder behindern den Lesefluss. Zwar werden Texte mit gendergerechter Schreibweise gleich gut verstanden, wie eine Studie der Universität Kiel belegt. Trotzdem werden damit journalistische Grundregeln über Bord geworden. Schreibt einfache, klare Sätze, nutzt besser Aktiv statt Passiv – das wird einem fürs Schreiben guter Texte mit auf den Weg gegeben. Gerade im journalistischen Tagesgeschäft zählt oft jede Zeile. Da sind die Studentinnen und Studenten alles andere als hilfreich. Und Studierende klingt – zumindest in meinen Ohren – einfach nicht so schön.

Kürzer sind die Varianten mit mit Binnen-I (StudentIinnen), Gender Gap (Student_innen) und Schrägstrich (Student/innen). Damit stößt man aber in der gesprochenen Sprache auf Hindernisse. Ich wüsste spontan nicht, wie diese Schreibweisen auszusprechen sind.

X-Endung?

Die meisten gängigen gendergerechten Schreibweisen beziehen außerdem Personen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen wollen, nicht mit ein. Und Professx oder Studierx ist zwar kurz und vollkommen geschlechtsneutral, klingt aus meiner Sicht aber ziemlich seltsam. Eine Umstellung auf X-Endung würde zu weit gehen und halte ich für unrealistisch. Das würde die deutsche Sprache verhunzen.

Mag sein, dass sich der Gebrauch der männlichen Form in Tradition der patriarchalisch geprägten Gesellschaft entwickelt hat. Doch das muss nicht schlecht sein. Wir haben uns an den Gebrauch der kürzeren und praktischen maskulinen Form gewöhnt – und wissen, dass mit Studenten nicht nur Männer gemeint sind. Ich glaube, dass diese Auffassung viele meiner Kommilitonen teilen. Und für den Rest sollte es auch noch selbstverständlich werden. Wenn es darum geht, zu betonen, dass beide Geschlechter gemeint sind, dann halte auch ich die Nennung beider Formen für sinnvoll.

Sprache nicht das richtige Werkzeug

Bei der Diskussion geht es um die sprachliche Gleichbehandlungen aller Geschlechter. Vor dem Gesetz sind Männer und Frauen längst gleichgestellt. Faktisch ist das aber nicht der Fall. Noch immer gelten für sie in vielen Bereichen, wie Bildung, Beruf oder Familie unterschiedliche Bedingungen. Für die Beseitigung dieser Unterschiede wird in der Gesellschaft seit vielen Jahren gekämpft. Und das ist gut so. Doch bietet die Sprache wirklich das richtige Werkzeug, um die völlige Gleichstellung der Frau mit dem Mann durchzusetzen? Ich glaube nicht. Das ist eher Sache der Politik. Und auch der Journalisten, die solche Themen in ihrer Berichterstattung immer wieder aufgreifen – ob mit oder ohne geschlechtergerechter Schreibweise.

Keine so große Veränderung nötig

Nichtsdestotrotz kann auch die Diskussion um gendergerechte Sprache ihren Teil dazu beitragen. Es ist gut, dass sich Menschen Gedanken machen über das, was über Jahre hinweg selbstverständlich geworden ist. Das Thema hat diese Aufmerksamkeit verdient. Doch im Ergebnis glaube ich nicht, dass unser Sprachgebrauch eine so große Veränderung nötig hat. Ob Studentenwerk oder Studierendenwerk, spielt meiner Meinung nach keine große Rolle.

 

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Foto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Schweigmann 
Teaserfoto: Steffi Reichert/flickr.com (Creative Commons-Lizenz).

3 Comments

  • Katja sagt:

    Liebe Johanna,
    ich verstehe deine Argumentation sehr gut, nur stelle ich mir eine Frage: Warum schreibst du nicht selber in der gendergerechten Schreibweise?
    Viele Grüße!

  • Dennis sagt:

    Im Bild unter dem Artikel müsste natürlich „zwei Redakteurinnen“ stehen, alles andere wäre ja diskirminierend. Ansonsten stimme ich meinem Vorrender in vollstem Umfang zu. Die ganze Debatte zeugt davon, dass einige Menschen zu viel Zeit haben und sich irgendwie beschäftigen müssen. Interessant übrigens auch, dass sich diese Diskussion vorwiegend an Universitäten und in Büros findet – über Müllmänner, Soldaten u. a. Berufsbezeichnungen beschwert sich niemand.

  • TU Do sagt:

    Habt Ihr Probleme!
    Kommen sich manche nun „besser“ vor, wenn sie von „genderneutral“ statt geschlechtsneutral sprechen?
    Frau Mack, wie wäre es mal damit, sich einfach an dem „generischen Maskulinum“ zu orientieren?
    Impliziert BEIDE Geschlechter, Mann und Frau!
    Noch besser: Arbeiten Sie mal 16 Stunden als Bezirksleiter im Discounter-Bereich!
    Dann kommen Sie gar nicht erst auf solche schwachsinnigen Gedanken, sondern betreiben Wertschöpfung für ein Unternehmen und tragen Verantwortung für den Umsatz, das Personal und die Organisation.
    Aber das wäre für Feministen ja zuviel verlangt, gell?
    Bei 5 € Umsatzdifferenz gibt es bereits Theater, aber 180.000 € für eine alberne Umbenennung des Dortmunder Studentenwerks sind eine ach so tolle und „gender“-fantastische Sache?
    Im Orient werden die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bestialisch abgeschlachtet und hier bei uns wird über einen solchen Schwachsinn & neu-gestaltete Ampelanlagen diskutiert!
    UNS GEHT ES HIER IN DEUTSCHLAND WOHL ZU GUT!

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