Duell am Donnerstag: bargeldlos auf Festivals

 

DAS-DUELL-Sophia-Britta

Keine Münzen, keine Scheine. Auf dem Hurricane Festival wird ab sofort nur noch bargeldlos bezahlt. Das Pilotprojekt startet genau heute. Doch ist dieses Verfahren eine reine Verbesserung, die das Festivalleben noch entspannter macht? Oder bewegen wir uns damit zu sehr in Richtung Datenspeicherung und verlieren den Überblick und Bezug zum Geld? 

„Alles nur zum Vorteil der Veranstalter“,

findet Sophia Averesch.

Wie praktisch, dachte ich, als die Veranstalter die Neuigkeit gut zwei Wochen vor Festivalstart auf ihrer Facebook-Seite enthüllten. „Hurricane goes bargeldlos“, hieß es da. Auf der Homepage selbst wird erklärt, dass das bargeldlose Zahlen nur uns Besuchern zugutekommt. Man habe sein Geld immer bei sich, im Handumdrehen sei an den Ständen gezahlt. Aber hat das neue System wirklich nur Vorteile für mich als Festivalbesucher? Ganz im Gegenteil.

Kein Bargeld, kein Überblick

Typischer Moment für fast jeden Festivalgänger: Das vom Campingplatz mitgebrachte Dosenbier oder der Weißwein aus dem Tetra Pak ist schon leer und man steht mitten auf dem Festivalgelände. Der Weg ist zu weit und die Musik ist zu gut, um sich jetzt Nachschub aus den eigenen Zelten zu besorgen. Keinen Kilometer weit entfernt lockt der nächste Getränkestand. Ein Blick ins schon wieder leere Portemonnaie und der ein oder die andere nimmt doch vielleicht den weiteren Weg auf sich.

Anders beim bargeldlosen Bezahlen – anstelle fehlender Münzen und Scheine, die dich an dein „Chronisch-pleite-Konto“ erinnern, steht auf den Displays der Kassen nur noch eine Zahl. Eine Zahl, die nach ein, zwei oder drei Bier unwichtig wird. Auch wenn man eigentlich kein Geld ausgeben wollte, schon ist die Hand mit dem Bändchen ausgestreckt und das Bier gekauft. Der weite Weg zu den Getränken auf dem Campingplatz bleibt einem erspart. Der Preis allerdings nicht.

Bargeld erinnert einen an seinen Guthabenstand, die Zahl auf dem Chip des Festivalbändchens scheint harmlos. Viel zu schnell wird das Bändchen leichtfertig unter den Scanner der Kasse gehalten. Ganz zur Freude von FKP Scorpio: Das Online-Magazin „Festivalisten“ berichtet, dass auf Branchentreffen die Rede von 30 bis 40 Prozent mehr Umsatz ist. Alles dank des bargeldlosen Zahlungssystems. Wie hieß es noch gleich – nur zum Vorteil der Besucher?

Daten sind Geld

Bezahlen ist jedoch nicht alles, was der Chip am Festivalbändchen so drauf hat. Mittels der neuen Technologie werden außerdem sämtliche Daten auf deinem geliebten Festivalband gespeichert. Richtig gehört, Datenspeicherung. Nicht nur bei mir schrillen da die Alarmglocken. Nach dem Festival kann der Veranstalter problemlos das Konsumverhalten dem jeweiligen Chip zuordnen. Er kennt nicht nur deinen Alkoholkonsum, sondern auch dein Lieblingsessen sowie deine Bandvorlieben – schließlich sucht man sich die Verkaufsstände in der Nähe der Bühnen aus.

Durch das vorher angelegte Profil für die Online-Aufladung des Chips kennt der Veranstalter auch noch den Namen, deine Mailadresse und zu guter Letzt noch dein Geburtsdatum. Ausreichend Daten, um jedem Besucher zukünftig personifizierte Werbung zuspielen zu können. Geben die Veranstalter ihren Werbekunden diese weiter, können diese zielgruppenorientiert werben. Natürlich gegen höhere Werbeeinnahmen. Alles natürlich auch nur „zum Vorteil der Besucher“.

Abwarten und Bier trinken

Ganz gleich ob Datenspeicherung oder unbewusst gesteigertes Konsumverhalten – ändern lässt sich das Zahlungssystem beim Hurricane 2015 nicht mehr. Bargeldlos ist Pflicht für jeden Besucher und Pflicht auf dem ganzen Gelände.

Beliebt hat sich das Hurricane durch die Erneuerung nicht gemacht. Auf Facebook zettelte der Post einen Shitstorm an. Langjährige Hurricane-Fans drohen, ihre Zelte im nächsten Jahr auf einem anderen Festival aufzuschlagen. Wissen die Besucher ihren „Vorteil“ etwa nicht zu schätzen? Ich jedenfalls nicht.

„Das spart Zeit und ist praktisch“,

findet Britta Röös.

Den halben Auftritt seiner Lieblingsband verpasst, nur weil die Schlange am Getränkestand so lang war? Ein Szenario, das auf Festivals nicht selten vorkommt. Das Zusammensuchen der passenden Münzen und das Warten auf sein Wechselgeld dauert nun mal ein wenig Zeit, doch das wird sich jetzt ändern. Beim Hurricane Festival, das dieses Wochenende in Niedersachsen stattfindet, wird ausschließlich bargeldlos gezahlt. Es ist eines der ersten Open Air Festivals in Deutschland, das dieses Verfahren umsetzt.

Immer dabei

Sobald man seine Festivalkarte in den Händen hält, kann man Geld über ein Onlinekonto auf sein Festivalband buchen. Schon von zu Hause aus. Dafür werden eine gültige Mailadresse und die Nummer der eigenen Eintrittskarte gebraucht. Auf dem Festivalgelände bekommt man dann sein Bändchen ausgehändigt und ist sofort zahlungsbereit. Also auf zur ersten Runde Bier und Bratwurst!

Weil man das Bändchen ständig am Arm trägt besteht keine Gefahr, Geld im Zelt liegen zu lassen oder gar zu verlieren. Das ist ganz schön praktisch, bisher wären im letzteren Fall nicht nur das Geld im Portemonnaie weg gewesen, sondern auch wichtige Dokumente wie Personalausweis und Führerschein. Durch das bargeldlose Verfahren mit dem Festivalband kann das jetzt nicht mehr passieren und die dicke sowie unpraktische Geldbörse kann sicher zu Hause liegen bleiben. Eine Sorge weniger. Noch dazu kann die Umhängetasche auch direkt eine Nummer kleiner ausfallen! Und weil das Bändchen an diesem Wochenende der ständige Begleiter eines jeden und fest am Arm ist, steht dem ständigen Bierverzehr, ob geplant oder spontan, nur noch das selbst gesetzte Budget im Weg. Noch eine Sorge weniger!

Einfach, unkompliziert, schnell

Da man sein Konto bereits zuhause aufgeladen hat, konnte das Budget für die kommenden Tage genau geplant werden. Keiner muss mehr ausgeben, als er möchte. Aber sollte das Geld auf dem Chip des Armbandes doch mal knapp werden, ist das auch kein Problem. Auf dem Festivalgelände besteht an mehreren Stellen die Möglichkeit, sein aktuelles Guthaben abzufragen und dieses per EC-, Kreditkarte oder auch bar aufzuladen. Wenn das Guthaben am Ende dann doch nicht an den Bars, Getränke- oder Essensständen ausgegeben wurde, kann man sich dieses vor Ort auszahlen, oder zu Hause wieder zurücküberweisen lassen. So kann ich mir bedenkenlos für den Notfall eine Reserve anlegen und sie am Ende wiederbekommen – oder auf der Heimfahrt bei irgendwelchen Fastfood-Ketten loswerden um den plötzlichen Heißhunger auf Burger und Pommes zu stillen.

Nie den Überblick verlieren

Auch wenn einen früher das Gewicht seiner Geldbörse an seine ess- und trinktechnischen Möglichkeiten erinnert hat, geht der Guthabenüberblick dennoch nicht verloren. Bei jedem Transfer, also immer, wenn man an der Kasse steht und bezahlt, wird einem sein aktuelles Guthaben angezeigt. So lässt sich ein böses Erwachen der Pleite verhindern und man kann seine Ausgaben genauer einteilen. „Natürlich“ speichert der Chip nicht nur mein Geld, sondern auch was ich wann wo gekauft habe. Doch bringt es den Veranstaltern denn wirklich so viel mein Ess- und Trinkverhalten zu analysieren? Dass ich die spielenden Bands mag und ihre Konzerte hören möchte, ist ja wohl klar. Wieso hätte ich mir sonst eine Festivalkarte gekauft? Also ist das Datenspeicherung auf unwichtigem Niveau.

Alles in allem ist das bargeldlose Bezahlen bei einem Festival eine praktische Sache. Bei der allgemeinen Planung wurde an die Bedürfnisse von uns Besuchern gedacht. Durch die ständige Möglichkeit, sein Guthaben abzufragen und neu aufzuladen, wird eine kontrollierte Geldausgabe gewährt. Auch die Nerven und der Geduldsfaden werden beim Schlangestehen nicht überstrapaziert und man kann sich auf die wirklich wichtigen Festivaldinge konzentrieren.
Somit startet das Hurricane dieses Wochenende in ein neues und hoffentlich entspannteres Zeitalter der Bezahlungsmöglichkeiten auf Open Air Festivals.

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Foto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Schweigmann 
Teaserfoto: Hurricane

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