Duell: Griechenland in den Medien – nervig oder nötig?

Dorothea Schmitz und Christopher Stolz treten im Kommentar-Duell gegeneinander an.

Der Staatsbankrott Griechenlands ist das bestimmende Thema der vergangenen Monate. Doch ist das gut so oder ist das zumutbare Maß bereits erreicht? Im Duell am Donnerstag diskutieren wir Pro und Contra.

„Eine kurze und wertfreie Darstellung der neusten Entwicklung ist ein Muss“, 

findet Dorothea Schmitz.

Die Frage, ob Griechenland in der Berichterstattung noch notwendig und sinnvoll oder nervig und überflüssig sei, ist selbst nervig und überflüssig. Wir haben heute viele Möglichkeiten zu entscheiden, was wir lesen und was nicht. Leider nutzen aber nur die wenigsten die Vielfalt an potentiellen Quellen. In Deutschland zieht sich durch die Berichterstattung über Griechenland zu einem großen Teil ein einziger roter Faden: Hetze, Pflege fester Rollen und Akteure und die angebliche Faulheit der Griechen.

„Retter“ oder „Lügner“ oder „Punker“: Alle haben eine Rolle zugewiesen bekommen, aus der sie nicht mehr herauskommen. Die Ansichten und Meinungen zu Griechenland stehen fest. Die Medien haben – bewusst oder unbewusst – die Meinung zu Griechenland in Deutschland geprägt und in eine Richtung geleitet, von Anfang an.

Nun stehen wir (vielleicht) kurz vor dem Finale dieser Daily-Soap. Ein Anlass mehr, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, zum Beispiel mit der Berichterstattung zu Griechenland im Ausland. Ein Anlass mehr, Blogs zu lesen und Statistiken, Zahlen, Daten, Fakten zu sammeln und auszuwerten – und mit diesem neuen Wissen die Berichterstattung neu zu betrachten, weiterhin zu verfolgen und neu zu bewerten.

Was bei uns passiert, sollte jeden interessieren

Die Griechen sind Teil der Europäischen Union. Wir sind Teil der Europäischen Union. Wir stehen zusammen, wir wollen den Frieden gewährleisten, den Wohlstand steigern und die kulturelle Vielfalt mehren. Vor allem das mit dem Wohlstand hat nun nicht so gut in Griechenland geklappt. Das weiß mittlerweile wohl jeder. Aber deshalb nun die Berichterstattung der Medien streichen oder meiden?

Wirtschaft und Politik betreffen uns alle, ob wir wollen oder nicht. Bei Stagnation zu denken, Berichterstattung sei nervig und überflüssig, ist falsch. Die Griechen sollen nicht immer zwangsweise die Titelseiten der Zeitungen zieren, aber eine kurze, klare und möglichst wertfreie Darstellung der neusten Entwicklung ist ein Muss!

Selbst ist der Leser

Ich fordere aufmerksames Beobachten der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Welt und in der Nachbarschaft. Ich fordere Interesse an dem möglicherweise ersten Austritt aus der Europäischen Union. Ich fordere Interesse an den betroffenen Menschen. Ich fordere Interesse an den wirtschaftlichen Auswirkungen – und zwar nicht nur, weil wir wissen möchten, ob wir vor unserem Sommerurlaub in Griechenland jetzt doch noch Geld wechseln gehen müssen.

Also: Auch mal über den deutschen-Zeitungs-Tellerrand hinausschauen und nach so vielen Jahren Griechenland in der Berichterstattung neu „erlesen“. Und wer es wirklich überflüssig und nervig findet, kann es einfach „überlesen“.

Griechenland in der Berichterstattung – nervig und überflüssig oder notwendig und sinnvoll. Bis hier gelesen? Frage beantwortet!

 

„Die Berichterstattung überschreitet das zumutbare Maß“,

findet Christopher Stolz.

Wenn ich mich in den vergangenen Wochen und Monaten in meinem Familien- und Freundeskreis umgehört habe, gab es sehr viele verschiedene Sichtweisen auf die Griechenland-Krise. Manche würden einen Ausschluss aus der Eurozone befürworten, andere halten die Bereitstellung weiterer Milliarden für gerechtfertigt. Aber in einem Punkt waren sich alle einig: So langsam reicht es mit den täglichen Meldungen, die sich nicht groß unterscheiden! Zwar ist es die Pflicht der Medienhäuser, sich dem Thema intensiv anzunehmen. Entscheidend allerdings ist das zumutbare Maß, das in der Vergangenheit oft überschritten wurde.

Mit „Vergangenheit“ sind die vergangenen beiden Wochen explizit auszuklammern, da die Schließung Griechenlands Banken und der Sondergipfel des EU-Parlaments seinen Platz in jeder Talkrunde oder auf Seite eins der Tagesblätter verdient hat. Allerdings war auch hier vieles nur Show. Oder ist es wirklich notwendig, dass bei Frank Plasberg ein Live-Reporter alle zehn Minuten gefragt wird, ob es Neuigkeiten aus einem geschlossenen Raum mit EU-Parlamentsmitgliedern gibt?

Mitunter Nicht-Nachrichten

Ohnehin: Nach einigen Wochen müssen mittlerweile doch alle Experten mal in einer Talkrunde zu Wort gekommen sein. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo den Leser, Zuschauer oder Internetsurfer Meldungen darüber, was der Ministerpräsident oder Finanzminister über die Deutschen denkt, nicht mehr locken.

Es sind mitunter Nicht-Nachrichten, die geschrieben wurden, die sich über Tage hielten. In Wochen, in denen Unglücke in Nordafrika in den Hintergrund rückten. Ist es denn nicht viel wichtiger, in einer Zeit, in der die Flüchtlingspolitik wichtiger ist denn je, diese näher zu beleuchten? Stattdessen zerrissen sich die Menschen die Mäuler über das Bad-Boy-Image des griechischen Finanzministers Varoufakis. Auf einmal wurde der Politiker auf seinem Motorrad fahrend abgelichtet. Warum? Was soll dem deutschen Bürger, der sich vor dem Tatort nur kurz auf den neuesten Stand der Neuigkeiten bringen will, das sagen?

Auf das Mindeste begrenzbar

Es ist wichtig, dass der interessierte deutsche Bürger auf dem Laufenden gehalten wird, doch ist eine Meldung, wenn sie nicht das Gros der Menschen anspricht, auf das Mindeste begrenzbar. Eben dann, wenn die Meldung nicht die wesentlichen Nachrichtenfaktoren anspricht. Vielen Deutschen ist von einer Pleite Griechenlands nicht Bange, wie das ZDF Politbarometer vom 12. Juni zeigt. Deshalb steht die Relevanz oft hinten an. Die Nähe zum Geschehen in Athen und Berlin ist gegeben, allerdings kann von Sensationalismus nicht die Rede sein. Auch der Schaden wäre für den deutschen Staat überschaubar, weshalb dieser Faktor zu vernachlässigen ist. Die Dauer der Berichterstattung spricht ebenfalls klar gegen den Nachrichtenwert einer Meldung, die wenig sensationell ist. Immerhin berichten die Medien in Deutschland bereits seit vor der Bundestagswahl 2009 über einen möglichen „Grexit“.

Informationen auch auf anderem Weg

Eines ist festzuhalten: Die Berichterstattung über Griechenland und seine finanziellen Schwierigkeiten haben ihren Platz in jeder Nachrichtensendung, jedem Internetportal und jeder Zeitung verdient – wenn sie nicht langweilen. Es gibt sicher einen gewissen Teil der Bevölkerung, der jeden Tag über jegliche Form von Neuigkeit informiert werden möchte. Für einen Großteil der Menschen ist das seltener nötig: nur, wenn es eine Meldung ist.

Letztlich wird die Berichterstattung über Griechenland eines Tages zu Ende gehen und andere bankrotte Länder werden in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Es wird den Tag geben, an dem der deutsche Normalbürger aufwacht und erst auf der dritten oder vierten Seite des Wirtschaftsteils die Situation von Griechenlands Ökonomie serviert bekommt. Und das ist auch gut so.

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Foto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Fehling/Schweigmann 
Teaserfoto: Martin Schulz / flickr.com

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