Kino-Tipp: 127 hours

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Danny Boyles letzter Film „Slumdog Millionaire” schrieb Filmgeschichte. Die Leistung des Regisseurs war es, ein Massenpublikum für eine Geschichte zu begeistern. Eine Geschichte über das Schicksal von zu Tode geprügelten Müttern und Bettel-Kindern, denen die Augen ausgestochen wurden. Eine Leichtigkeit verglichen mit „127 hours“; der qualvollen Überlebensgeschichte von Aaron Ralston, der fünf Tage von einem 400 Kilo-Felsen eingequetscht wurde.

James Franco spielt Aaron Ralston, für den 2003 ein Albtraum wahr wurde. Foto: 20th Century Fox

James Franco spielt Aaron Ralston, für den 2003 ein Albtraum wahr wurde. Foto: 20th Century Fox

Aaron Ralston ist ein begeisterter Canyon-Kletterer. Als das Kino-Publikum ihn kennen lernt, packt er seine Sachen für ein Wochenende unter freiem Himmel, ganz allein in der Natur. Dass er niemanden verrät, wohin er geht, wird er im Laufe des Filmes noch schwer bereuen. Denn selbst der erfahrene Bergwanderer, der ehrenamtlich bei Rettungseinsätzen hilft, ist nicht auf alles vorbereitet. Nach einem Moment der Unachtsamkeit findet sich Aaron tief in einer Felsspalte wieder, den rechten Arm unter einem Felsbrocken eingeklemmt, den er nicht wegbewegen kann. Fast eine Woche lang hat Aaron Zeit sich zu überlegen was er falsch gemacht hat: vom Schweizer Taschenmesser, das er nicht einsteckte über die zweite Wasserflasche, die er im Wagen vergas und den Anruf seiner Mutter, den er unbeantwortet lies. Auf seinem Camcorder dokumentiert er seine verzweifelte Lage bis er schließlich eine finale Entscheidung treffen muss.

Ein Kammerspiel in freier Natur

Aaron ist gefangen im steinernem Verlies. Foto: 20th Century fox

Aaron ist gefangen im steinernem Verlies. Foto: 20th Century fox

Der Spielraum, den diese wahre Geschichte offenbart, ist begrenzt. Danny Boyle gelingt es aber alles dabei rauszuholen. Eben ein wirkliches Kammerspiel, das im so typisch, intimen Rahmen der Felsspalten eine klassische, psychologische Dynamik mit wenigen Schauspielern entwickelt. Letzten Endes ist es jedoch nur ein Faktor, dem der Film verdankt mehr zu sein, als ein Streifen über einen Typen, der in einer Felsspalte klemmt: James Franco. Den Meisten, vor allem als Nebendarsteller in den „Spider-Man“-Filmen bekannt, gelingt es ihm hier sich mit einer unvergesslichen Darbietung ins Gedächtnis des Zuschauers zu spielen. Franco legt praktisch seine Seele nieder, um die Extremsituation erfahrbar werden zu lassen. Durch ihn erleben die Zuschauer Aarons Angst, Verzweiflung, seinen Durst hautnah. Aber niemals dessen Panik. Aaron ist zu klug und zu erfahren dafür. Das heißt jedoch nicht, dass er einen Ausweg hätte.

Spirituelle Reise ins ich

Extremsport Canyon-Klettern. Foto: 20th Century Fox

Leichtfüßig springt Aaron durch die Spalten - bis ihm ein Fehler fast alles kostet . Foto: 20th Century Fox

Ein weniger begabter Regisseur hätte die Aussicht, einen gesamten Film mit fast nur einem Schauspieler an einem Ort drehen zu müssen, kaschiert. Er wäre es, der in Panik verfallen wäre und weggeschnitten hätte zu anbahnenden Rettern oder sorgenden Angehörigen. Auch Boyle verlässt die Felsspalte mehrmals. Doch, wenn er es tut, dann nur, um Aaron in dessen Gedankenwelt zu folgen. Aaron sinniert über die Entscheidungen seines Lebens, fantasiert über seine Befreiung und hat sogar eine Vorhersehung. Nicht alle dieser visuell beeindruckenden Sequenzen überzeugen dramaturgisch. Am stärksten ist „127 hours“, wenn die Zuschauer mit Aaron allein gelassen auf den Felsbrocken starren. Wenn man sich im Kinosessel über seine kleinen Improvisations-Triumphe freut oder mit ihm den Adler erwartet, der jeden Morgen über sein Gefängnis kreist. Die, teils bemüht wirkende, Botschaft vom Schicksal und menschlichem Mut steht dabei dem Zentrum des Filmes aber nicht im Weg: ein Mann, in einem Loch, der tun muss, was zu tun ist, um zu überleben.

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