Duisburg wird lange brauchen

Die Trauer geht mit. Auf dem Weg durch den Karl-Lehr-Tunnel in Duisburg lähmen die Erinnerungen jeden Schritt. Auch ein Jahr nach der Tragödie kommen Menschen zum Unglücksort, um der Opfer zu gedenken. Bei der Massenpanik während der Loveparade am 24. Juli 2010 waren 21 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 500 verletzt worden.

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Kurz nach der Katastrophe: Der Tunnel ist gesperrt, Grablichter und Botschaften an die Opfer säumen die Unglücksstelle. Ein Jahr danach ist der Tunnel zwar wieder in Betrieb, doch die Wunde in der Stadt bleibt. Foto: flickr.com/ Claus Moser

Grablichter stehen am Tunnel keine mehr und auch Blumen sucht man vergebens. Viele Duisburger sind bald nach dem Schock zur Normalität zurückgekehrt. „Duisburg geht weiter“, sagen sie, doch andere tragen fortwährend die Eindrücke und Bilder im Kopf. Die Wunden der Loveparade sind noch nicht verheilt. Auch ein Jahr danach sind fast alle Fragen weiter offen. Die Stadtspitze ist wie paralysiert und ein Schuldiger noch immer nicht gefunden. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt bislang nach eigenen Angaben gegen 16 Personen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung, darunter elf Mitarbeiter der Stadt.
Duisburg scheint aus den Negativ-Schlagzeilen nicht herauszukommen. Ein Zustand, der viele Duisburger wütend macht. Sie beklagen Unruhe in der Stadt. Erst kürzlich hat Oberbürgermeister Adolf Sauerland erstmals öffentlich die moralische Verantwortung übernommen und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt. „Zu spät“, meint Monika Ayed und mit dieser Meinung ist sie in Duisburg nicht allein. „Die Stadt ist seit dem Unglück wie gelähmt“, sagt Werner Hüsken. Beide engagieren sich in der Initiative „Neuanfang für Duisburg“, deren Ziel die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland ist.  Für die Einleitung des Abwahlverfahrens will die Interessengemeinschaft  innerhalb von vier Monaten 55.000 Unterschriften von wahlberechtigten Duisburger Bürgern sammeln.

Schlechtes Krisenmanagment hat Duisburgs Image zusätzlich geschadet

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Für die Duisburgerin Monika Ayed kam die Entschuldigung bei den Opfern von Oberbürgermeister Adolf Sauerland zu spät. Foto: Christin Neumann.

Hüsken geht es vor allem darum, ein positives Signal für die Stadt Duisburg zu setzen, die wieder einmal wie gebeutelt dasteht. Duisburg war im Kulturhauptstadtjahr 2010 gerade dabei, sich von dem Schimanski-Schmuddel-Image zu lösen. Die Loveparade sollte nach Mafia-Morden und Rockerbandenkriegen der Stadt zu einem neuen, freundlichen, vitalen Image verhelfen. Das Unglück habe der Stadt sehr geschadet, da ist sich auch PR-Experte Frank Oberpichler sicher. „Duisburg wird Jahre brauchen, um dem etwas entgegen zu setzen“. Seiner Meinung nach, hat die Stadt in dieser Krise viel versäumt. „Grundsätzlich muss man sich in so einem Fall um Authentizität bemühen. Man muss aufrichtig kommunizieren und Transparenz gewährleisten.“ Die Stadt habe vieles versucht zu vertuschen und Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben, kritisiert er. Die Aufklärungsarbeit habe Priorität. „Wenn man mit einem positiven Blick nach vorne schauen möchte, dann muss man an dieser Stelle aufrichtig sein und Konsequenzen ziehen. Zuerst müssen die negativen Bilder verstanden werden“.

Bündnis will positive Energien in der Stadt wiederbeleben

Doch wie kann Duisburg nach diesem Unglück, welches weltweit mediale Aufmerksamkeit erlangte, zu einem positiven Image gelangen? Ausschließlich die schönen Seiten Duisburgs wie die Sechs-Seen-Platte oder der moderne Innenhafen der Tragödie gegenüberzusetzen, hält der PR-Experte für zu plakativ. Dies funktioniere nur bis zu einem gewissen Grad, sagt Frank Oberpichler und empfiehlt daher eher Imagepflege als eine Imagekampagne.

Foto: flickr.com/ EddiXP

Imagefaktor neuer Hafen? Die Stadt Duisburg muss sich genau überlegen, wie sie ihr Image in Zukunft verändern will, ohne plakativ zu sein. Foto: flickr.com/ EddiXP

So hält es auch der Initiativplan Duisburg, eine Kooperation zwischen Unternehmen, Universität, IHK und bürgerschaftlichen Institutionen, mit dem Ziel Duisburgs,Stärken zu betonen. Die Gruppe mit mehr als 20 Teilnehmern setzt in Zusammenarbeit mit der Stadt darauf, die Identität und das Selbstbewusstsein Duisburgs zu stärken. Die Sprecherin des Initiativplan Duisburg Jutta Stolle, Direktorin der Abteilung Gesellschafter und Nachhaltigkeit bei der Unternehmensgruppe Haniel sagt, es ginge nicht darum, das Geschehene zu relativieren, „es geht uns vielmehr darum, gemeinsam den Blick nach vorne zu richten und wieder mehr Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu gewinnen.

Der Initiativplan Duisburg möchte die positiven Energien, die es in dieser Stadt gibt, wiederbeleben und Initiativen unterstützen, die wieder einen positiven Blick auf die Stadt rechtfertigen.“ Dass das nicht in Kürze und schon gar nicht im zeitlichen Rahmen des ersten Jahrestages möglich sein wird, ist Jutta Stolle durchaus bewusst.

Die Zeit wird zeigen, wie Duisburg das Unglück verarbeitet. Es werden wohl viele Jahrestage vergehen, um das zu bewerten. Zunächst soll eine Trauerfeier im Duisburger Fußballstadion am Jahrestag mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und dem Sänger „Der Graf“ Trost spenden. Sie mag aber auch die langsam heilenden Wunden wieder aufreißen.

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