Sänk iuh vor äh staddihing wis ass

Seit langem möchten Naturwissenschaftler der RUB nur noch die Wissenschaftssprache Englisch hören. Jetzt ist es die Wirklichkeit geworden: Der Master ist in manchen Fächern nur noch auf Englisch. Topstudierende aus anderen Ländern sollen angelockt werden und die Absolventenzahl im Master of Science erhöhen – obwohl es dadurch nicht mehr Masterplätze per se geben wird.

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Seminarvorträge oder Vorlesungen im Master sind seit letztem Jahr in der Chemie und Biochemie Fakultät ausschließlich auf Englisch. Bisher profitieren davon die, deren Englisch besser ist als deren Deutsch. Groteskerweise ist dies nur selten der Fall. Die Meisten ausländischen Studierenden sitzen immer noch mit einem kleinen elektronischen Übersetzer im Hörsaal. Des Englisch mächtige Gastwissenschaftler und Doktoranden, die ein Nebenfach suchen, profitieren von dieser Neuerung. Es leidet nur der deutsche RUB Studierende an sich. Also der massive Großteil im Masterstudiengang.

Auch wenn ich an sich ein Grundwissen im Bachelor verinnerlicht und bei jedem Semesterabschlussmarathon ausgekotzt habe, so fühle ich mich eher mit grundiertem Fundwissen gefüllt, was schon in einer Sprache für sich ist: Chemie. Da soll ich jetzt nicht nur die Fachliteratur auf Englisch verstehen, sondern auch jegliche Vorlesung, Seminar oder Praktikum in dieser Sprache absolvieren? Grundsätzlich spricht nichts dagegen. Grundsätzlich bin ich auch dafür! Schließlich ist fast alles vom Fach auf Englisch publiziert. Es wird von uns naturwissenschaftlichen Studierenden sowieso schon erwartet, dass wir Literatur richtig einordnen und deuten, sowie schriftstellerisches Talent beim Verfassen von diversen Protokollen und Berichten vorweisen – optimalerweise auf Deutsch UND Englisch. Jetzt sollen wir Klausuren auf Englisch verstehen – wenigstens antworten darf man noch auf Deutsch.

Sprachliche Gestaltung und Didaktik leidet im englischsprachigen Masterstudiengang

Was aber nicht berücksichtigt wird ist, dass die meisten Dozenten vielleicht in der Lage sind, Englisch zu lesen und zu sprechen, aber nicht zu lehren. Die Qualität der Lehre an unserer deutschen Universität hängt nun nicht nur von der Aufbereitung ab, sondern auch, ob der Lehrende in der Lage ist, sprachlich es so zu gestalten, dass man das Fach und den Dozenten versteht. Ich persönlich finde es anstrengend, wenn das Englisch des Dozenten so schlecht ist, dass man ständig Ohrenkrebs bekommen könnte. Für einen Akzent kann mancher nichts, aber es ist eigentlich studienunwürdig, dass ein ausländischer Doktorand, der gebrochen Englisch spricht nun zur Lehre herangezogen wird und so Übungen und Tutorien, die klausurrelevanter Natur sind, schier unverständlich werden. Nichtmal Gastwissenschaftler, die englische Muttersprachler sind können solchen Sprachakrobaten folgen.

Selbst in unserer Muttersprache gibt es Fehler in Büchern. Jetzt wird in manchen Fächern erwartet, dass wir solche Fehler auch im Englischen finden. Foto: Anne K. Dote

Selbst in unserer Muttersprache gibt es Fehler in Büchern. Jetzt wird in manchen Fächern erwartet, dass wir solche Fehler auch im Englischen finden. Foto: Anne K. Dote

Ist es nicht so, dass wir deutschen Studenten, wenn wir ins Ausland gehen, auch die dortige Sprache an der Uni können sollten? Bei Praktika können wir Englisch anbieten und kommen damit fast überall durch, aber wirkliche Vorlesungen sind meistens in der Landessprache. Literatur ist ein anderes Thema, die ist hiesig nunmal auch meist auf Englisch. Aber müssen wir nach drei Jahren Prügelausbildung im Bachelor und einem freiwilligen und schlecht geführten Englischkurs direkt ALLES auf Englisch verstehen können? Dann können wir ja auch direkt im Ausland studieren!

Topstudierende aus dem Ausland rein, deutsche Studierende raus?

Wäre es nicht sinnvoller, für die deutschen Studierenden ein Pflichtsemester im Ausland anzugehen? Wie sieht es mit einem Sprachkurs für Dozenten aus? Hilfe beim Erstellen von Vorlesungsmaterialien auf Englisch? Lehrstrategien? Es werden teure Didaktikkurse für Unidozenten angeboten – aber wer geht da wirklich hin? Oder, wie wäre es erstmal mit etwas Trivialerem: Eine Bachelor und/oder Masterfeier, die nicht lediglich daraus besteht, dass jeder Anwesende Absolvent zwei Minuten seine Arbeit vorstellt und dann dafür ein Stück schlecht bedrucktes Papier erhält. Überhaupt geht es mir schon lange auf die Nerven, dass die meisten Professoren nur noch vom „durchbringen“ der Absolventen sprechen – nicht mehr von der Neugier und dem Lernen.

Ein Professor hat es auf den Punkt gebracht: Wir sind eine deutsche Universität und straucheln schon bei der Lehrqualität in unserer Sprache. Wieso maßen wir uns an, die Sprache zu wechseln? Schließlich müssen Ausländer, die an der RUB studieren wollen auch einen Deutschtest ablegen und können zudem alles auf Englisch nachlesen. Seine Vorlesung wird je nach Bedarf auf Englisch gehalten, wenn es wirklich jemanden gibt, der das Deutsche nachgewiesen schlechter versteht. Ein vernünftiger Kompromiss, wie ich finde.

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Anne K. Dote ist eine Studentin des N-Gebäudes an der Ruhr-Universität Bochum, die sich regelmäßig auch in anderen Buchstaben verirrt. In ihrer Kolumne gibt sie einen persönlichen Einblick in den Kosmos RUB - und das normalerweise monatlich. Grafik: F. Steinborn, Teaserfoto: Anne K. Dote

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