Überfüllte Hörsäle, kein Platz mehr im Wohnheim, lange Schlangen beim BAföG-Amt. Wer etwas von einer „Studentenflut“ gehört hat, fühlt sich auf dem Campus vermutlich bestätigt. 115.000 Erstsemester gibt es in diesem Jahr an den Unis in NRW – 18 Prozent mehr als 2010.

Wer in den vergangenen Tagen einen BAföG-Antrag stellen wollte, musste sich auf lange Wartezeiten einrichten. Foto: Caroline Nagorski
Ursachen für die Steigerung gibt es viele: An erster Stelle wird in diesem Jahr meist das Aussetzen der Wehrpflicht genannt. Dadurch kommen viele männliche Abiturienten, die eigentlich zum Bund gemusst hätten, schon jetzt an die Unis. Die geburtenstarken Jahrgänge Anfang der 90er gelten als weiterer Grund. In der Diskussion ist auch, ob die Abschaffung der Studiengebühren zur Erhöhung der Bewerberzahlen beiträgt. Josef König, Pressesprecher der RUB, hält das für unwahrscheinlich: In den letzten Jahren sei die Zahl der Neueinschreibungen trotz der Studiengebühren hoch gewesen und nicht etwa bei Einführung der Studiengebühren eingebrochen. Dass es in Bayern und Niedersachsen doppelte Abiturjahrgänge gibt, wirkt sich auf die Universitäten des Ruhrgebiets offenbar wenig aus. Nach Angaben der Pressesprecher haben sich nicht wesentlich mehr Abiturienten aus diesen Bundesländern beworben.
Wie sieht es bei den Unis im Einzelnen aus?
TU Dortmund
In Dortmund gibt es in diesem Jahr 4.600 Erstsemester, vergangenes Jahr waren es 4.100. In den nächsten fünf Jahren werden rund 7.500 zusätzliche Studienanfänger erwartet. Wird es also eng auf dem Campus? „Wir haben Vorsorge dafür getragen, dass genug Personal und Räume für die neuen Studierenden zur Verfügung stehen werden“, versichert Pressesprecherin Stephanie Bolsinger. Geplant seien verschiedene Baumaßnahmen: So solle auf dem Campus Nord ein neues Seminar- und Hörsaalgebäude entstehen, außerdem gebe es Planungen für einen Logistik-Campus. Bei Bedarf würden auch externe Räumlichkeiten angemietet. Finanziert werden sollen die Maßnahmen laut Bolsinger zum Beispiel durch Gelder aus dem Hochschulpaket II: Pro zusätzlichem Studierenden erhält die Uni 20.000 Euro, verteilt auf vier Jahre.
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Universität Duisburg-Essen
Den größten Zuwachs an Studienanfängern verzeichnet die Universität Duisburg-Essen: 6.000 Erstsemester beginnen in diesem Jahr dort ihr Studium – das sind fast 23 Prozent mehr als 2010. Um dem gerecht zu werden, wurden und werden neue Professuren eingerichtet. Auch in Duisburg und Essen werden neue Hörsaalzentren gebaut, die bis 2013 fertig sein sollen. Momentan miete die Universität andere Räume an, um die vielen Studierenden unterzubringen.
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Ruhr-Uni Bochum
Bei der Ruhr-Uni Bochum dagegen wurden in diesem Jahr nur 25 Studierende mehr als im Vorjahr zugelassen, nämlich 4.850 von mehr als 50.000 Bewerbern. Pressesprecher Josef König erklärt, dies liege daran, dass nur noch sehr wenige Fächer NC-frei sind. Die Zahl der Studienanfänger wird also an der RUB durch die Zulassungsverfahren konstant gehalten.
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Die Sicht der Studenten

Christian Pfeiffer sitzt bei seinem Informatikstudium oft in überfüllten Hörsälen. Foto: Elena Bernard
Christian Pfeiffer studiert Informatik im ersten Semester an der TU Dortmund. „Die Hörsäle sind wirklich oft überfüllt“, berichtet er. „Das Problem ist: Es gibt zwar größere Räume, aber nicht genug. Meistens stehen sie nicht zur Verfügung.“ In seinen Vorlesungen habe aber bisher noch keiner draußen bleiben müssen, nur für einen Sitzplatz müsse man früh dran sein. „Manche Professoren stellen unten noch Stühle auf, damit nicht so viele auf den Treppen sitzen müssen“, erzählt der 20-Jährige. Einige Vorlesungen würden auch angesichts der vielen Studierenden in zwei Veranstaltungen geteilt, so dass es statt einer großen nun zwei kleinere Gruppen gebe.
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Kim Vanessa Wesnigk hatte bisher noch nie ein Problem, einen Sitzplatz im Hörsaal zu finden. Sie hat vor wenigen Wochen ihr Chemiestudium begonnen. Obwohl sie ein naturwissenschaftliches Fach studiert, das nicht für seine hohe Frauenquote bekannt ist, stellt sie trotz Aussetzung der Wehrpflicht keinen überdurchschnittlich hohen Anteil an männlichen Studierenden fest: „Es ist sogar ziemlich ausgeglichen.“
Als sie allerdings BAföG beantragen wollte, wurde sie von den langen Schlangen vor dem BAföG-Amt abgeschreckt: „So lange warten wollte ich nicht. Ich mache das, wenn nicht mehr so ein großer Andrang ist.“
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Die Sorge, dass so viele Studierende BAföG beantragen, dass das Geld nicht für alle reicht, ist übrigens unbegründet. Denn jeder bedürftige Studierende hat einen Rechtsanspruch auf die staatliche Förderung. Aber Achtung: Wer ab Oktober BAföG bekommen will, muss den Antrag auch in diesem Monat einreichen, denn das Geld gibt es erst ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wurde.
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Do1: Campusnews: Die Uni ist voll
Web: Fact-Sheet des NRW-Wissenschaftsministeriums zur Zahl der Studierenden