Die Nordstadt – Tor nach Dortmund?

Bekannt ist sie vor allem als Problemviertel: Die Dortmunder Nordstadt. Sie ist ein sogenanntes Ankunftsgebiet für diejenigen, die aus ärmeren EU-Ländern nach Deutschland kommen – viele von ihnen aus Bulgarien und Rumänien. Beides sind seit 2007 EU-Mitgliedsstaaten. Menschen aus diesen Ländern dürfen in der Bundesrepublik leben. Für sie ist die Nordstadt ein wichtiger Anlaufpunkt. Sebastian Kurtenbach vom Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat das jetzt untersucht und glaubt: Die Nordstadt bietet Neuzuwanderern ideale Voraussetzungen.

RUB-Sozialwissenschaftler Sebastian Kurtenbach

Hat den Zusammenhang zwischen der Nordstadt und ihrer Armutszuwanderung erforscht: Sebastian Kurtenbach von der Ruhr-Uni Bochum. (Foto: Kurtenbach)

Teilweise hätten ihn die Ergebnisse seiner Studie selbst überrascht, sagt Sozialwissenschaftler Sebastian Kurtenbach: „Dass die Nordstadt ein Einwanderungsgebiet ist, ist nichts Neues. Wie eng diese ‚Mikrowelt Nordstadt‘ aber in Wirklichkeit in sich verknüpft ist, das war mir vorher nicht klar.“ Seit jeher ist das Image des Stadtbezirks von subjektiven Meinungen geprägt. Medien berichten vor allem über eines: Kriminalität. Empirische Untersuchungen gibt es kaum. Der Grund sei einfach, erklärt Kurtenbach: „Weil bisher keine Forschungsgelder zur Verfügung gestellt wurden.“ Seine Studie „Neuzuwanderer in städtischen Ankunftsgebieten. Rumänische und bulgarische Einwanderer in der Dortmunder Nordstadt“ wurde aus Eigenmitteln des Instituts finanziert – und schließt seiner Ansicht nach eine Forschungslücke.

Günstiger Wohnraum, erste Arbeitsgelegenheiten

„Wie sind die Lebensbedingungen? Wie wird der öffentliche Raum genutzt? Wie sieht die Infrastruktur aus?“ Mit diesen Fragen haben Kurtenbachs Nachforschungen begonnen. Um sie zu beantworten, hat der 26-Jährige Strukturdaten ausgewertet. „Ich habe mir angeschaut, wo Migranten wohnen, ob es Zuwanderer-Schwerpunkte gibt und wie die Geschäfte aussehen“, erklärt Kurtenbach. Zusätzlich hat er das Leben in der Nordstadt selbst beobachtet: Im Sommer stand der Sozialwissenschaftler drei Wochen lang an verschiedenen Orten – mit Stift und Notizblock. Den Alltag der Rumänen und Bulgaren in Dortmund habe er genau protokolliert. „Dabei habe ich mich ständig kritisch hinterfragt. Insgesamt habe ich das Potenzial der Nordstadt eher unter- als überschätzt“, sagt er.

"Großstadtflair wie Istanbul" - die Münsterstraße. (Foto: David Freches)

Die Münsterstraße in der Dortmunder Nordstadt. (Foto: David Freches)

Am Ende stand die Erkenntnis, dass die Startmöglichkeiten für Neuzuwanderer dort optimal seien: Einwanderer finden laut der Studie günstigen Wohnraum, Anschluss an Menschen derselben Herkunft und erste Arbeitsgelegenheiten. Dass sie dabei zu stark unter sich bleiben, es gar zu eine Ghettoisierung kommen könnte – für Kurtenbach ein Problem, das die Migranten nicht selbstständig lösen können. „Das ist unsere große Herausforderung“, sagt er, „die bleiben nur unter sich, wenn sie keine Chance bekommen.“ Die Nordstadt sei für Zuwanderer der erste Anlaufpunkt. „Wenn es jemand geschafft hat, zum Beispiel Arbeit gefunden hat, dann zieht er weg – und der Nächste kommt nach“, sagt Kurtenbach.

„Studie belegt bekannten Zusammenhang

Für die Stadt Dortmund kein ungewöhnliches Phänomen. „Tatsächlich ist die Dortmunder Stadtgesellschaft wesentlich aus Zuwanderung entstanden“, sagt Pressereferent Frank Bußmann. „Ein großer Teil dieser Zuwanderung nach Dortmund erfolgt durch die Nordstadt, die traditionell das Tor nach Dortmund ist.“ Die jünste Studie sei damit eher eine Bestätigung, liefere aber kaum neue Erkenntnisse, so Bußmann auf Anfrage der pflichtlektüre: „Der Autor der Studie, Sebastian Kurtenbach, greift dieses bekannte Phänomen auf und belegt den – ebenfalls bekannten – Zusammenhang mit der im Laufe der Jahrzehnte entstandenen Infrastruktur.“

Die Probleme in der Nordstadt leugnet der Stadt-Sprecher nicht: „Diese stehen allerdings seit Jahren im Fokus und  wurden und werden gezielt angegangen.“ Maßnahmen, die sich der RUB-Studie zufolge auszahlen. Sozialwissenschaftler Sebastian Kurtenbach fordert aber: „Politik und Verwaltung müssen Ankunftsgebiete stärken. Sie haben eine wichtige Funktion der Aufnahme und Integration.“

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