Kampf gegen die Schlafstörung

Die Uhr tickt unaufhörlich und die Gedanken kreisen nur um eins: Schlafen. Doch der Schlaf kommt nicht – und das seit Wochen. Woher kann das kommen und was kann man gegen eine Schlafstörung machen?

Eine ruhige Nacht gibt es bei einer Schlafstörung nur selten. Foto: ‚© Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO'

Eine ruhige Nacht gibt es bei einer Schlafstörung nur selten. Foto: © Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO

Schlafstörungen können sich auf ganz unterschiedliche Weise zeigen. Forscher unterscheiden hier unter anderem zwischen sogenannten schlafbezogenen Atmungsstörungen wie dem Schnarchen,  Verhaltensauffälligkeiten im Schlaf wie das Schlafwandeln oder chronische Ein- und Durchschlafstörungen. Wie letztere entstehen können, weiß Dr. Tilmann Müller, Psychologe und Schlafexperte am Uniklinikum Münster: „Meistens entwickeln Patienten aus einem plausiblen Grund eine Schlafstörung – durch Stress, Belastung, eine Krankheit oder sonstiges. Nach einiger Zeit ist der Grund weg und komischerweise bleibt die Schlafstörung.“

Bei Brigitte Sensenschmidt haben die Schlafstörungen vor 49 Jahren angefangen: „Zunächst waren das Einschlafstörungen. Später wurden das auch Durchschlafstörungen. Erst war es noch so, dass ich, wenn ich ein paar Tage schlecht geschlafen habe, auch wieder eine Nacht kam, in der ich durchschlafen konnte.“ Das habe sich dann aber weiter verschlimmert und es gab keine „gute Nacht“ mehr. Ähnlich ging es auch Renate Becker, bei der die Störung vor 25 Jahren anfing: „Ich habe im Schichtdienst gearbeitet und viele Nachtdienste gemacht. Und je mehr ich Nachtdienste gemacht habe, desto mehr habe ich gemerkt, dass ich tagsüber nicht mehr schlafen konnte. Später hat sich das dann so weiterentwickelt, dass ich auch nachts nicht mehr zur Ruhe gekommen bin.“

„Wenn eine Störung mehrere Wochen anhält und der Tag beeinträchtigt ist, sollte man den Hausarzt aufsuchen“, meint Schlafexperte Müller, „manchmal ist es auch etwas Banales wie eine Schilddrüsenüberfunktion.“ Wenn der nichts herausfinde, sollte der Betroffene einen Schlafmediziner aufsuchen. Renate Becker kann aus eigener Erfahrung berichten, dass Ärzte manchmal aber auch nicht weiter wüssten. Bei ihr hatte sich aufgrund der Schlafstörung eine Depression entwickelt: „Kaum ein niedergelassener Arzt hat sich damit beschäftigt, aber es sind nicht nur die Ärzte, sondern auch ganz viele Psychologen, die dann alles auf eine Schiene schieben. Bei mir hat es dann so abwertend geheißen, ja Sie mit Ihren Depressionen, ist klar, dass Sie nicht schlafen.“

Acht Stunden Schlaf sind Unsinn

Schlafexperte Dr. Tilmann Müller vom Universitätsklinikum Münster. Foto: Marc Patzwald

Schlafexperte Dr. Tilmann Müller vom Universitätsklinikum Münster. Foto: Marc Patzwald

Auch nicht alle Schlaflabore beschäftigen sich mit Ein- und Durchschlafstörungen. Die meisten kümmerten sich mehr um Symptome wie das Schnarchen – in Münster ist das anders. Wer zu Tilmann Müller kommt, hat meistens schon versucht die Störung auf andere Weise loszuwerden – mit Medikamenten, pflanzlichen Präparaten oder Entspannungsübungen. Der Schlafexperte aus Münster geht die Sache anders an. Er beginnt mit den Patienten eine Schlafschule. Das ist eine verhaltenstherapeutische Maßnahme, bei der sie lernen, wie sie mit der Schlafstörung umgehen können, damit sie nicht schlimmer wird und sie werden Schlafexperten in eigener Sache. „Viele Patienten rennen mit ganz falschen Vorstellungen durch die Gegend, zum Beispiel acht Stunden Schlaf wären notwendig und die Hälfte der Nacht müsste aus Tiefschlaf bestehen – das ist alles Unsinn“, erläutert Müller. Sieben Stunden würden locker ausreichen und selbst sechs Stunden wären noch in Ordnung.  „Ein normaler Nachtschlaf besteht nur zu 20 Prozent aus Tiefschlaf“, führt er aus. Dabei scanne das Unterbewusstsein jedoch ständig die Umgebung ab – der Schlafende könne also sehr wohl nachdenken, hören oder Ähnliches: „Und worüber macht sich der Patient Gedanken? Natürlich ob es klappt mit dem Schlaf“, sagt Müller. Die Person denke nach, ob sie schlafe, schlussfolgert, dass sie nachdenken kann und glaubt, dass sie wach sei, was sie ärgere und dann wirklich zum Aufwachen führe.

Eine Methode, die Menschen wieder zu einem gesunden Schlaf zurückhelfen soll, ist die Schlafrestriktion. Die ursprüngliche Idee kommt aus den USA, doch Müller und seine Kollegen haben sie in den 90er Jahren weiterentwickelt. Der Methode liegen Studien zugrunde, die zeigten, dass es nicht auf die Schlaflänge sondern auf die Schlafqualität ankomme. Das haben sie dann um die Schlafschule und den Aktivitätenaufbau erweitert: „Das meint schlicht, wenn wir jemanden auf eine Liegezeit runtersetzen, muss er die Zeit bis zum Liegen erst einmal mit neuen Aktivitäten füllen, in denen er erst einmal müde ist“, sagt Müller. Bis sich der Patient also hinlegen darf, muss er eine Beschäftigung finden, um die Zeit zu überbrücken. Wenn er dann im Bett liegt, beginnt die Liegezeit. Sie bezeichnet die Zeit zwischen dem ersten Hinlegen und dem letzten Aufstehen. Bei der Restriktion erhält der Patient ein spezielles Schlaffenster, das heißt der Patient soll beispielsweise sechs Stunden schlafen beziehungsweise liegen.

Angst vorm Schlafen

Je später es wird, desto größer ist der Druck zu schlafen. Foto: ‚© Renate Franke / PIXELIO'

Je später es wird, desto größer ist der Druck zu schlafen. Foto: © Renate Franke / PIXELIO

Tilmann Müller vergleicht diese Verkürzung mit der Therapie einer Angststörung: „Für einen Angstpatienten mit einer Höhenphobie wäre es auch am besten, er ginge einfach auf den Turm rauf und würde so lange bleiben, bis seine Angst aufhört. Das tut er natürlich nicht. Erst, wenn er begreift, dass ihm das helfen kann, macht er es unter therapeutischer Aufsicht.“ Ähnlich verhält es sich bei der Verkürzung der Liegezeit. Durch sie hat der Patient keine Angst mehr vor dem Hinlegen, sondern freut sich , sich endlich hinlegen zu dürfen – dadurch werde das Bett wieder etwas Positives.

Allerdings erfordert das auch viel Disziplin. Brigitte Sensenschmidt hat Anfang 2009 mit der Schlafkompression angefangen. Die entspricht eigentlich der Restriktion, nur, dass sie unter Eigenregie läuft und auf sechs Stunden Liegezeit begrenzt ist. Bei der begleiteten Restriktion geht es manchmal auch auf fünf Stunden runter, was aber eher selten ist. „Die erste Woche war wirklich grausam, weil man vorher schon wenig schläft. Und, wenn man jetzt noch später ins Bett geht, schläft man ja zunächst mal noch weniger“, fasst die Siegenerin zusammen. Nach der ersten Woche hätten die Nebenwirkungen aber nachgelassen. Zu denen können vor allem Müdigkeit und Reizbarkeit gehören. „Die Nebenwirkungen sind nicht viel schlimmer als das, was sie ohnehin schon von ihrer Schlafstörung haben“, erklärt Müller. Für Renate Becker war es am Anfang die Hölle: „Die Erschöpfung, die ich abends gespürt habe, war oft so massiv, dass ich am liebsten um 21 Uhr ins Bett gegangen wäre, aber ich musste noch bis 23 Uhr ausharren – das war dann wie ein körperlicher Schmerz.“

Brigitte Sensenschmidt kann mittlerweile wieder besser schlafen. Foto: Marc Patzwald

Brigitte Sensenschmidt kann mittlerweile wieder besser schlafen. Foto: Marc Patzwald

Brigitte Sensenschmidt und Renate Becker stimmen dem Schlafexperten zu, dass die Ergebnisse den Einsatz wert seien. Sie können nicht verstehen, wenn andere es nicht zumindest ausprobieren wollen, da ja die Chance auf Besserung bestehe: „Wenn man in der Situation ist, dass man wirklich vollkommen unten ist – dann denke ich immer, macht man alles was möglich ist und sucht nicht nach Ausflüchten, warum das nicht geht. Das ist mir unverständlich“, sagt Renate Becker. So kann Brigitte Sensenschmidt mittlerweile durchschlafen und hat ihre Schlafstörung überwunden. Bei Renate Becker hat sich auch etwas geändert: „Ich nehme zwar immer noch Medikamente, aber, wenn ich heute ins Bett gehe, schlafe ich auch wirklich sofort ein. Und das ist für mich der Himmel auf Erden. Ich schlafe zwar nur drei oder vier Stunden, aber ich kann damit umgehen.“ Medikamente müssen meistens weiter genommen werden, da sie den Alltag erleichtern könnten. Acht Wochen dauert die Begleitung. Danach müssen die Patienten darauf achten, dass ihre Liegezeit für zwölf Monate nicht länger ist, als sieben Stunden.

Ab vier Wochen gebe es im Durchschnitt erste Verbesserungen in der Einschlafzeit und der Schlafdauer. Wie die Erfolgsquote insgesamt aussieht, fasst Müller so zusammen: „Zwei Drittel haben eine deutliche Verbesserung dadurch zu erwarten. Ein Drittel kommt in einen Bereich so mit sechs Stunden Schlafdauer, wo wir sagen, das sind schon gesunde Werte. Das übrige Drittel, liegt so zwischen fünf und sechs Stunden Schlafdauer, was gerade mal noch geht.“ Und die Übrigen lägen unter fünf Stunden Schlafdauer, was sehr unangenehm sei.

  • Müller und seine Kollegen haben ein Therapiemanual geschrieben, mit dem sie die Therapie verbreiten und Psychotherapeuten zugänglich machen wollen. Außerdem bieten sie im Internet unter der Seite www.schlafgestoert.de allgemeine Informationen und ein Forum, über das sich Menschen austauschen können. Tilmann Müller und Beate Paterok haben zur Schlafstörung und Schlafkompression nun auch ein Buch zur Selbsthilfe herausgebracht.: „Schlaf erfolgreich trainieren“ heißt es und ist im Hogrefe-Verlag erschienen.
  • Es gibt aber auch Selbsthilfegruppen – die erste hat Renate Becker vor zwei Jahren gegründet, um sich mit anderen Menschen auszutauschen und nicht nur mit Experten zu sprechen.  Am Anfang war der Ansturm auch sehr groß. Problematisch ist es, dass es schlafgestörten Menschen schwer fällt abends noch zu kommen. Im Moment besteht die Gruppe nur aus vier Leuten. Sie war die allererste Selbsthilfegruppe. Dann kam noch eine in Berlin, Siegen und im letzten Jahr in Offenbach.
  • Patienten mit einer chronischen Schlafstörung sind in Deutschland aufgeschmissen, da es kaum Experten gibt, die sich gründlich mit dem Störungsbild auskennen oder spezielle Behandlungsangebote bieten können. Es gibt Regensburg, München, Freiburg, Berlin und Münster, wo solche Angebote vorhanden sind. Und das, wo circa zehn Prozent der Bevölkerung Ein- und Durchschlafstörungen hat.

Und was kann man bei leichten Schlafstörungen machen?

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6 Comments

  • lorena11 sagt:

    Zopicloone nehme ich gern , das MIttel wirkt super bei Schlafstorungen. Ich kaufe bei http://www.weight-loss-meds.com rezeptfrei

  • Anja Willner sagt:

    @Manuelle @Markus:

    Sehr interessant, wir möchten aber weder Möbel kaufen, noch interessieren wir uns für Neurokompetenz. Deswegen habe ich eure Links gelöscht. Das handhaben wir i.d.R. so bei Links zu kommerziellen Angeboten.

    Mit freundlichen Grüßen
    anja willner (Redaktion)

  • Markus Kleinfeld sagt:

    AAAAAAAAAlso, ich kann nur im Urlaub nicht schlafen.
    Also wenn ich gar nix zu tun habe.

    Wenn ich arbeite, verausgabe ich mich so sehr, dass ich nie, aber auch wirklich nie Probleme habe einzuschlafen 🙂

  • Manuelle sagt:

    Ein sehr interessanter Artikel. Davon habe ich echt viel gelernt. Danke!

  • Mike sagt:

    Sehr schöner Artikel. Bei mir persönlich hat Sport eine Menge gebracht. Sich völlig auspowern macht müde und seit langem kann ich wieder durchschlafen.

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