Kreativ im Kollektiv

Der Künstler allein in seinem Atelier, umgeben von Leinwand, Farbe und Pinsel – so zumindest stellt sich man den Prototypen des Künstlers vor. Nach Farbe und Pinsel muss man im Dortmunder „SalonAtelier“ nicht lange suchen. Mit dem Allein-Sein ist das allerdings so eine Sache: Denn der Salon ist eine Ateliergemeinschaft, bestehend aus elf jungen Künstlern.

Ateliergemeinschaft und Freundeskreis: Die Künstler des "Salons". Foto: Cathérine Wenk

Ateliergemeinschaft und Freundeskreis: Die Künstler des "Salons". Foto: Cathérine Wenk

Gemeinsam arbeiten die elf Künstler im „SalonAtelier“ und stellen ihre Werke aus. Jeder verfolgt dabei aber seinen ganz eigenen Stil. Doch wie lebt und arbeitet es sich als Künstler in solch einer Gemeinschaft? plichtlektüre hat die Ateliergemeinschaft besucht und ihre Vorbereitungen zur neuen Ausstellung begleitet.

Weiße Farbtöpfe stehen auf dem Boden. Daneben liegen Spachtel und andere Malerutensilien. Ein leeres Bier steht einsam auf einem Tisch Der helle Raum des „SalonAtelier“ erinnert an diesem Samstagmorgen an eine neubezogene Wohnung, die es herzurichten gilt. Hergerichtet wird hier wirklich einiges, allerdings nicht für einen bevorstehenden Einzug, sondern für die neue Ausstellung der Atliergemeinschaft.

Vernissage „Adler und der Pferd“

Noch fünf Tagen bleiben den Künstlern, um die Wände zu tünchen, Bilder zu hängen, Installationen anzubringen. Und auch das zweite Ladenlokal gegenüber, das eigens für die Ausstellung angemietet wurde, erinnert noch nicht wirklich an einen Ausstellungsraum. Viel Arbeit steht an, denn pünktlich zur Vernissage am Donnerstag muss alles fertig sein. „Adler und der Pferd“ nennt sich die neue Ausstellung der elf Künstler. „Der Name ist aus der Situation heraus entstanden und hat natürlich auch etwas dem Namen ‚Adlerstraße‘, in der sich unser Atelier befindet, zu tun“, erklärt Stefan Gutsche.

Der 28-Jährige ist eines der Gründungsmitglieder des Salons und hat vier Jahre lang Kunst an der TU Dortmund studiert. „Über das Kunststudium haben wir Salonmitglieder uns kennengelernt. Wir sind alle untereinander befreundet und haben kurz vor Ende des Studiums beschlossen, dass wir auch danach weiter zusammenarbeiten wollen. Wir haben dann bei diesem Ladenlokal hier als erstes angefragt und das hat direkt geklappt“, beschreibt Stefan die Gründung.

In der Ausstellung "Adler und der Pferd" gibt es Fotografie, Installationen und eben auch Malerie zu sehen. Hier ein Bild von Frederic Roos. Foto: Cathérine Wenk

In der Ausstellung "Adler und der Pferd" gibt es Fotografie, Installationen und eben auch Malerie zu sehen. Hier ein Bild von Frederic Roos. Foto: Cathérine Wenk

Aus acht wurden elf

Aus acht Künstlern bestand die Ateliergemeinschaft als sie Anfang 2009 entstand. Mittlerweile ist sie auf elf angewachsen. Sie alle einmal gemeinsam im Salon anzutreffen, ist selten geworden. Denn einige der Künstler leben jetzt in anderen Städten und arbeiten dort an Kunstakademien, so auch Anne Bekker, eines der Gründungsmitglieder des „Salons“. Sie studiert freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf und schwärmt nach wie vor von Idee einer Ateliergemeinschaft: „Ich könnte gar nicht so gut in einem Raum alleine arbeiten. Hier ist es so, dass wir uns gegenseitig befruchten.“

Und was ist mit Streit? „Den gibt es ja in jeder Gruppe. Wir machen eben unterschiedliche Kunst und sind alle sehr starke Charaktere. Da können schonmal Welten aufeinander prallen“, erklärt Anne und macht sich daran das nächste Wandstück zu streichen. Frederic Roos hat sich unterdessen schon der Decke des Raumes gewidmet. Auch hier muss noch das ein oder andere ausgebessert werden. Der 26-Jährige, der ebenfalls seit Gründung des „Salons“ dabei ist, schätzt besonders die künstlerische Bandbreite der Ateliergemeinschaft: „Wir machen nicht alle die gleichen Sachen und haben daher einen super Austausch untereinander. Wir kritisieren unsere Werke auch gegenseitig, denn sonst kommt man nicht weiter. Da wir aber alle befreundet sind, muss sich das mit der Kritik natürlich die Waage halten.“

Ob Kunst und Freundschaft miteinander harmoniert und wie durch konstruktive Kritik eine gelungene Vernissage entsteht, seht ihr im Video:

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Wenn die elf Künstler auch als Ateliergemeinschaft auftreten, bedeutet das nicht, dass sie sich in ihrem Wirken allein auf den „Salon“ beschränken. „Das ist hier hauptsächlich unser Arbeitsraum. Viele von uns stellen ihre Kunst auch anderswo aus und waren mit ihren Werken schon in Galerien in Amsterdam oder Wien zu sehen“, berichtet Stefan. Das Konzept der Ateliergemeinschaft möchte er allerdings nicht missen: „Der Vorteil einer so großen Gemeinschaft ist, dass man die Aufgaben untereinander aufteilen kann. Der eine kümmert sich um die Flyer, der andere um den E-Mail-Verteiler und der Dritte ist zum Beispiel handwerklich begabt. Wir ergänzen uns da wirklich sehr gut.“

"SalonAtelier", Foto: Cathérine Wenk

"SalonAtelier": Gemeinschaftlicher Raum gemeinsam finanziert. Foto: Cathérine Wenk

Ebenso wie die Organisation ist auch die Finanzierung des „Salons“ gemeinschaftlich geregelt: pro Monat steuert jeder einen festen Betrag zur Ateliergemeinschaft bei. Denn von ihren Verkäufen zu leben, das ist für die elf jungen Künstler momentan noch schwierig. „Wir verkaufen zwar etwas, aber noch nicht so regelmäßig“, erklärt Stefan und fügt hinzu: „Eigentlich arbeiten wir momentan aber mehr an der Bekanntheit als am Geld“.

Kunst mit elitärem Charakter?

Denn mit der Kunstszene in Dortmund ist das nicht gerade eine leichte Sache. „Die Kunstszene hier ist ein zartes Pflänzchen, das noch viel gegossen werden muss. Aber so langsam passiert etwas“, befindet der 28-Jährige, der ein Problem auch in der deutschen Kunstszene im Allgemeinen sieht: „In Deutschland hat die Kunstszene immer noch einen elitären Charakter. Es gibt diese Schwellenangst, in eine Galerie zu gehen, weil man denkt, dass man dafür schlau sein muss.“ Gerade deshalb habe man sich mit dem „Salon“ bewusst für ein Ladenlokal entschieden, um die Öffnung nach außen zu erreichen.

Im zweiten Ausstellungsraum gibt es Installationen und Fotografie, wie hier von Roland Baege, zu sehen. Foto: Cathérine Wenk

Im zweiten Ausstellungsraum gibt es Installationen und Fotografie, wie hier von Roland Baege, zu sehen. Foto: Cathérine Wenk

Die Öffnung nach außen ist der Ateliergemeinschaft geglückt. Das zeigt auch der Tag der Vernissage. Viele Leute sind gekommen, darunter Freunde und Familie, sowie Dozenten der Künstler. Vom Aufbau der letzten Tage ist nichts mehr zu sehen. Die Räume atmen jetzt Künstlerisches und fast könnte man glauben, dass das hier Berlin und nicht Dortmund sei. Noch wenige Minuten sind es bis zur offiziellen Eröffnung. Die Aufregung und Anspannung bei den Künstlern steigt.

Dann endlich ist es soweit. Die Künstler des „Salons“ haben sich nebeneinander aufgestellt. Peter Schmieder vom Künstlerhaus Dortmund hält eine Rede über die Ateliersmitglieder und ihre gezeigten Werke. Beeindruckend vielfältig ist die Ausstellung geworden, mit großformatigen Bildern, Fotografien sowie Installationen, die es vor allem im Ladenlokal gegenüber zu sehen gibt. Auf das Ende der Rede folgt lauter Applaus der Besucher. Die Stimmung unter den Künstler wird ausgelassener. All die Anstrengungen der letzten Wochen sind jetzt gedanklich weit weg – und der Abend hat gerade erst angefangen: „Wir schmeißen hier niemanden raus. Wir machen hier heute so lange bis der letzte Besucher gegangen ist“, verspricht Stefan.

Tag der Vernissage: Viele Besucher sind gekommen. Foto: Cathérine Wenk

Tag der Vernissage: Viele Besucher sind gekommen. Foto: Cathérine Wenk

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