Offene Ateliers – Einblicke ins Künstlerdasein

Farbflecken auf dem Fußboden? Natürlich. Unfertige Werke, die an den Wänden lehnen? Ebenfalls. Ein ganz normales Künstleratelier? Auf keinen Fall, denn im Atelier21 in der Dortmunder Nordstadt arbeiten acht Künstler, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ein Rundgang.

Die Besucherin ist ratlos. Dem Titel auf der Rückseite nach zu urteilen, soll auf Postkarte mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie von Marika Bergmann ein See abgebildet sein. Sie setzt einen Schritt auf die Künstlerin zu. „Eine Frage: Wo genau ist der See?“ Marika Bergmann nimmt ihr die Postkarte aus der Hand. „Schau‘ mal“, schmunzelt sie und zeichnet mit dem Finger die Konturen nach. Durch die außergewöhnliche Perspektive erschließt sich das Motiv erst auf den zweiten Blick.  Es folgt ein Aha-Moment, in dem die Kunst durch den Dialog mit der Künstlerin auf einmal greifbar wird. Genau das ist das Ziel der Offenen Ateliers, die am Wochenende in Dortmund stattfanden. An zwei Tagen gewährten etwa 150 Künstler ganz persönliche Einblicke in den Ort, wo ihre Werke entstehen. 

Ameisenstraßen auf Porzellantassen – auch das ist Kunst

Täuschend echt: Evelyn Bracklows bemaltes Porzellan sorgt für Irritation bei den Besuchern. Foto: Ricarda Dieckmann

Täuschend echt: Evelyn Bracklows bemaltes Porzellan sorgt für Irritation bei den Besuchern. Foto: Ricarda Dieckmann

Das Atelier21 auf einem Hinterhof in der Nordstadt ist zum dritten Mal bei den Offenen Ateliers dabei. Auf den drei Ebenen einer ehemaligen Schreinerwerkstatt arbeiten drei Künstler und fünf Künstlerinnen. Marika ist seit Anfang 2012 eine von ihnen. Wenn sie nicht gerade als Grafikdesignerin an der Entwicklung von Werbekampagnen beteiligt ist, überwindet sie in der Zimmerstraße 21 die Grenzen zwischen Fotografie, Malerei und Grafik. Außerdem schreibt sie Kurzgeschichten und Gedichte. Eines trägt sie spontan vor. Es heißt „Haus ohne Fenster.“ Es handelt von kalten Wänden, Dunkelheit und dem Drang nach Freiheit. 

Das Atelier21 ist alles andere als ein Haus ohne Fenster. Sonnenlicht fällt durch die hohen Sprossenfenster in den großen Raum hinein, den sich Marika mit Evelyn Bracklow teilt. Evelyn ist krank. Deswegen hat Marika die Werke ihrer Kollegin, Porzellankannen und -tassen, die mit Ameisenstraßen bemalt sind, auf einen kleinen Podest inszeniert. Als Evelyn anruft, erzählt Marika: „Ich habe deine Sachen eher unordentlich aufgereiht, das würde dir gefallen. Es funktioniert gut; einige Leute sind schon sehr interessiert stehen geblieben.“

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Anne Jannick malt am liebsten Motive aus der Natur. Foto: Ricarda Dieckmann

„Wir sind alle so verschieden“   

Eine Etage weiter oben lehnen und hängen kontrastreiche Naturstudien an der Wand. Pinsel und Farbtuben liegen auf dem Tisch. Hier, in ihrem Teil des Ateliers, übersetzt Anne Jannick Natur in Malerei, wie sie es nennt.  Und doch ist das Auftragen von Farbe auf Leinwänden nicht die einzige Form, in der sie sich künstlerisch ausdrückt. Sie hat Tanz studiert – und auf ihren Flyern präsentiert sie sich als Yoga- und Gesangslehrerin. Sich ausschließlich der Malerei zu widmen, wäre für sie undenkbar: „Das ist eine sehr einsame Arbeit. Da dreht man schnell ab.“ Deswegen schätzt sie das Miteinander im Gemeinschaftsatelier, „auch, wenn das gar nicht so aufregend ist, wie man sich das oft vorstellt.“ Klar, trinke man mal einen Kaffee zusammen und quatsche über Kunst – doch ansonsten verfolge jeder seine eigene künstlerische Linie. „Wir sind alle so verschieden. Ich mache Malerei, Marcus Schröder beispielsweise macht Stahlkunst.“ Und doch: Im Atelier21 ist genug Platz für jede Art von Kunst – und für jeden Künstler.

Der Störschrank als Inspiration für eine Lesebühne

Zurück bei Marika: Einige Bekannte sind vorbeigekommen. Marika schenkt Mineralwasser – mit Rosen aromatisiert – nach und erzählt, dass sie Evelyn schon mehrfach vorgeschlagen habe, doch auch mal einige Ameisenstraßen auf die Wände und Rohre des Ateliers zu malen oder „auf den Klodeckel“ – um die Besucher zu irritieren. Die Runde lacht.

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Der Störschrank gehört zum festen Inventar des Ateliers. Foto: Ricarda Dieckmann

Doch Evelyns Ameisenstraßen sind nicht das einzige, das bei Besuchern im Atelier für einen kurzen Moment der Irritation sorgt. Auch der mit schwarzer Tafelfarbe bemalte Schrank, auf dem mit Kreide „Störschrank“ steht, ist etwas, das immer wieder erklärt werden muss. Marika hat das massive Möbelstück von ihrer Vorgängerin im Atelier übernommen – damals allerdings noch ohne Aufschrift. „Sie hat sich vom Schrank gestört gefühlt und ihn daher Störschrank getauft“, erklärt Marika. Mittlerweile dient der Störschrank nicht mehr nur als Stauraum für Malutensilien, sondern auch als Namensgeber für eine Lesebühne, die Marika organisiert und moderiert. Und so dauert es nicht mehr bis zu den nächsten Offenen Ateliers bis das Atelier21 wieder Kulturinteressierte einlädt, sondern bis zum 5. Juli. Dann liest die Autorin Bruni Braun – direkt vor dem Störschrank.

Zwischen Pinseln und Porzellan: Ein Rundgang in Bildern [nggallery id=063]

Mehr zum Thema
Web: Homepage des Atelier21 

Pflichtlektuere: Kunst im Kollektiv  

 

 

 

3 Comments

  • Wolfram Eikenberg (artgodot) sagt:

    eine Auswahl an Bildern findet ihr unter http://www.artgodot.de

  • Genial – wenn Bilder den Zustand der Starre verlassen und bewegen.
    Unsere Gäste waren sehr Initiativ und rollten, zu kleinen Radtouren organisiert, in bester Wochenendlaune bei uns ein. So dynamisch mobilisiert, konnten wir die gewonnene Zeit für anregende Gespräche nutzen. Viele der Besucher versprachen auch wieder zu kommen … zum offenen Sonntagsatelier im Atelier21 (am ersten Sonntag im Monat von 16:00 bis 20:00 Uhr). Na dann – bis bald … der Sommer fängt erst an!

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