Mit 17 Student, mit 19 Bachelor

Karl Stelzner ist der jüngste Student an der TU Dortmund. Die üblichen Probleme von Minderjährigen hatte er nicht – auch dank seiner Eltern, die in Dortmund wohnen. Was ihm fehlt, ist der Kontakt zu Mitstudenten.

Wenn Karl Stelzner mit dem Auto zur Uni fährt, sitzt er nicht hinter dem Steuer. Das muss er seinen Eltern oder einem Freund überlassen. Den Führerschein hat er noch nicht und selbst wenn er ihn hätte, dürfte er nur in Begleitung fahren. Karl ist der jüngste Student der TU Dortmund. Aber nun ist auch er volljährig, wie alle Studenten der TU.

In der Regel fährt Karl von Dortmund Höchsten mit der S-Bahn zur Universität. Foto: Haika Hartmann

In der Regel fährt Karl von Dortmund Höchsten mit der S-Bahn zur Universität. Foto: Haika Hartmann

In der Schule und der Uni durchgestartet

Andere machen mit 18 Jahren Abitur und sind selbst dann noch die Küken an der Uni. Karl hat mit 17 Jahren angefangen, Informatik zu studieren. Mit fünf eingeschult, in der Grundschule eine Klasse übersprungen, Abitur mit 17, danach sofort an die Uni. Minderjährig und schon Student – was heute noch die Ausnahme ist, wird in Zeiten von verkürzter Oberstufe schon im nächsten Jahr zum Regelfall.

Doch genau das ist Karl nicht. Er hat zum Wintersemester 2011/12 nicht wie andere Studenten im ersten Semester angefangen, sondern gleich im dritten. Die Schüleruni macht es möglich: Seit drei Jahren, also seit er 14 ist, ist er jede Woche zwei- bis dreimal zur Uni gefahren. So hat er pro Semester schon ein Modul abgeschlossen. Das heißt, Karl hat mit 19 Jahren den Bachelorabschluss in der Tasche. Dass er länger braucht, ist unwahrscheinlich. „Fachlich ist das nicht so schwierig, der Stoff ist eigentlich fast ohne Vorwissen verständlich“, sagt er. Mit 19 Jahren der erste Abschluss – eine Aussicht, die ihn selbst zu erschrecken scheint: „Das geht ziemlich schnell.“ Denn wirklich erwachsen fühlt sich Karl noch nicht. Er ist zurückhaltend, antwortet nur zögernd.

Wenn er fertig mit der Uni ist, haben sich andere in seinem Alter oft noch nicht einmal entschieden, welches Fach sie überhaupt studieren wollen. Er selber hat seine Wahl früh getroffen. „Ich habe mich schon immer für technische Sachen interessiert. Informatik ist gleichzeitig abstrakt und anwendungsorientiert“, erklärt er leicht angespannt. Fast so, als müsste er sich rechtfertigen für das, was er studiert. Was Karl nach dem Abschluss vorhat, weiß er noch nicht genau: „Wahrscheinlich einen Master.“

Wenig Kontakt zu Kommilitonen

Schon als Schüler war Karl regelmäßig an der Uni, als einer von insgesamt 50 Schülerstudenten. Foto: Haika Hartmann

Schon als Schüler war Karl regelmäßig an der Uni, als einer von insgesamt 50 Schülerstudenten. Foto: Haika Hartmann

Trotz seiner 1,93 Meter und seiner mittlerweile 18 Jahre sieht man Karl an, dass er jünger ist als seine Kommilitonen. Er ist schlaksig, hat noch ein weiches, kindliches Gesicht. Kein Wunder – seine Mitstudenten sind mindestens drei Jahre älter, kennen sich aus an der Uni und haben Freundschaften geschlossen. Gerade letzteres fällt dem Jungstudenten nicht so leicht. „Es ist ein bisschen schwierig, hier Leute kennenzulernen“, gesteht er. Die Kennenlernphase im ersten Semester hat er schließlich verpasst. Auch die Schüleruni hat ihm dabei nicht wirklich geholfen: „Da haben über drei Jahre die Leute immer gewechselt, ich hatte die Veranstaltungen immer mit unterschiedlichen Jahrgängen.“ Wenn er sich mit Kommilitonen unterhält, dann über fachliche Themen – darüber hinaus geht es selten.

Deswegen hält sich Karl an die Freunde, die er aus der Schule kennt. Das störe ihn nicht, sagt er gelassen. Mit seinen Schulfreunden feiert Karl auch seinen 18. Geburtstag, im kleinen Kreis. Er ist ein Student, der von dem viel berufenen Studentenleben wenig mitbekommt. Dafür geht sein Leben weiter wie zu Schulzeiten.

Immerhin hat sich Karls heutige Situation im Vergleich zur Schüleruni-Zeit verbessert: „Das war wie im Vakuum.“ Kein UniMail-Account, kein Zugang zum Boss-System oder zum lsf, komplizierte Anmeldungen für Klausuren, Papierscheine, zahlreiche Unterschriften von seinen Eltern. Im „technischen Vakuum“ befindet sich Karl nun nicht mehr, nur an der Situation zu seinen Kommilitonen hat sich eben nicht viel verändert.

Heimvorteil in Dortmund

Gegenüber anderen minderjährigen Studenten hat Karl allerdings einen großen Vorteil: Er kann in der Stadt, in der er zur Schule gegangen ist, auch studieren. Darum braucht er sich keine eigene Wohnung suchen, hat kein Problem damit, dass er mit 17 noch nicht voll geschäftsfähig war und für einen Mietvertrag die Unterschrift der Eltern benötigt hätte.

Mit Computern kennt Karl sich aus: In seiner Freizeit baut er unter anderem Rechner für die Stadtwerke in Schwerte zusammen. Foto: Haika Hartmann

Mit Computern kennt Karl sich aus: In seiner Freizeit baut er unter anderem Rechner für die Stadtwerke in Schwerte zusammen. Foto: Haika Hartmann

„Innerhalb der nächsten Monate will ich mir eine WG suchen, damit ich es nicht mehr so weit zur Uni habe“, erzählt er. Dabei kann er sich aber Zeit lassen, musste nicht mit 17 überstürzt umziehen. Denn die Eltern sind vor Ort, konnten beispielsweise problemlos die Einschreibung unterzeichnen. Einen Studienkredit, den minderjährige Studenten nicht aufnehmen dürfen, braucht Karl ohnehin nicht. Den Bibliotheksausweis, für den Karl mit 17 die Unterschrift seiner Eltern gebraucht hätte, hat er noch gar nicht beantragt.

Karl ist ein typisches Beispiel für einen jungen Studenten, der noch zu Hause wohnt und deswegen mit seinem Alter wenig Probleme hat. Er hat es leichter als seine Altersgenossen, die in eine andere Stadt ziehen müssen – den organisatorischen Problemen ist Karl aus dem Weg gegangen. Doch gewisse Schwierigkeiten bleiben: das soziale Miteinander, der Kontakt zu Kommilitonen ist für manch jungen Studenten eine weitaus größere Hürde als jene, die ihm die Uni in den Weg stellt.