Studieren mit Kind: TU schafft Rückzugsraum

„Als Studentin mit Kind fühle ich mich an der Uni manchmal wie ein Exot. Ab und zu geht man unter. Schließlich posaunen Eltern nicht raus, dass sie andere Ansprüche und Interessen haben als normale Studenten“, sagt die Lehramtsstudentin Annika Kesting. Neben dem Studium muss die junge Frau zusätzlich noch ihr Familienleben wuppen. Denn sie ist Mutter einer einjährigen Tochter. Beides – Studium und Elterndasein – unter einen Hut zu bringen ist gar nicht mal so einfach.

Eine Hilfestellung bekommen Studierende mit Kindern seit diesem Winter durch den neuen Eltern-Kind-Raum in der Zentralbibliothek. Hier können sie nach der Vorlesung in Ruhe lernen und brauchen sich keine Sorgen um die Betreuung ihrer Kinder zu machen: In dem Raum gibt es einen Schreibtisch und eine Spielecke für Kinder jeden Alters. Neben einem Auto- und Krabbelteppich, Spielzeugautos und Büchern gibt es zum Beispiel auch einen Laufstall und einen Kindertisch – teilweise Spenden des Kollegiums. „Die Einrichtung ist mobil. So kann sich jeder den Raum so herrichten, wie es für ihn am Besten ist“, erklärt Bibliotheksleiter Joachim Kreische, selber Vater einer neun Monate alten Tochter.

Puzzeln, malen, lesen - Langeweile gibt es nicht. Foto: Lisa Tüch

Puzzeln, malen, lesen - Langeweile gibt es nicht. Teaserbild und Fotos: Lisa Tüch

Laut Joachim Kreische gibt es im neuen Raum auch „einen sensationell guten WLAN-Empfang“. Dieser wurde extra nachgerüstet. Einen Computer gibt es im Raum allerdings nicht. Die Erfahrung habe gezeigt, dass viele Studierende ihren Laptop selber mitbringen. Wer einen Laptop braucht, kann aber an der Information nachfragen.

Annika Kesting hat den Raum bisher nur einmal besichtigt. Sie kann sich aber gut vorstellen, den Raum regelmäßig zu nutzen: „Die Uni bestärkt mich mit der Einrichtung des Raumes in meiner Entscheidung Mutter zu werden. Studieren mit Kind ist möglich. Im Eltern-Kind-Raum kann ich die Uni auch in Zeiten nutzen, wo meine Tochter nicht in der Betreuung ist.“

Tatsächlich habe die Nutzung des Raumes alle Erwartungen übertroffen, so Joachim Kreische. Der Raum werde täglich genutzt – manchmal sogar von mehreren Parteien gleichzeitig. Deswegen wird die Ausstattung des Raums jetzt nachgerüstet: Ein zweiter Schreibtisch und ein höhenverstellbarer Kinderstuhl sollen hinzukommen. „Wir wollten den Raum nicht mit unnützen Dingen zu rümpeln und haben deswegen erst einmal eine Grundausstattung angeschafft. Jetzt schauen wir, was noch gebraucht und nachgefragt wird.“ Einiger Verbesserungen bedarf es auch noch: Die bodennahen Heizkörper sind gefährlich für kleine Kinderhändchen und Kabelschlaufen ziehen Kinder magisch an. Schließlich ertasten sie alles.

Der Raum wurde Ende Oktober eröffnet, nachdem Büros im Obergeschoss freigeworden waren. Diese nutzte zuvor die Fachhochschule. Auch die Stabsstelle „Chancengleichheit,Familie und Vielfalt“
ist mit dem Standort sehr glücklich: „Der Raum ist strategisch gut platziert und atmosphärisch super. Eltern haben hier einen sichtbaren Platz und sind mittendrin und außerdem ist das Arbeitsmaterial nah“, sagt Jeannette Kratz. Die Stabstelle hat die Bibliothek bei der Einrichtung des Raums beraten und ihr Netzwerk informiert. „Es ist wichtig, mit der Stabstelle eine Expertise zu haben“, so Joachim Kreische.

Dr. Joachim Kreische, Jeannette Kratz und Annika Kesting im Eltern-Kind-Raum. Foto: Lisa Tüch

Dr. Joachim Kreische, Jeannette Kratz und Annika Kesting im Eltern-Kind-Raum.

Annika Kesting mag den Raum vor allem, weil er ihr in der rummeligen Uni einen ruhigen Arbeitsplatz und einen Moment des Durchatmens ermöglicht. „Sonst hat man in der Uni wenig Gelegenheit sich zurückzuziehen.“ Daher blieben einige Studierende mit Kindern tendenziell mit ihrem Nachwuchs zu Hause und müssten dann ihr Studium verlängern. Der Raum erleichtere das Studieren mit Kind.

Allerdings sieht Annika Kesting noch weiteren Handlungsbedarf. Familienfreundlichkeit wäre zum Beispiel noch nicht zu allen Dozenten durchgedrungen. Erst in diesem Semester wurde sie aus einer Vorlesung geschmissen, weil sie ihre Tochter mitgebracht hatte. Auch in der Mensa hat man es mit Kinderwagen nicht leicht. Es ist dort einfach zu eng.

Der Raum sei aber ein Schritt in Richtung Kulturwandel, so Joachim Kreische. Die Bibliothek möchte „für jede Art und Weise des Lernens einen Raum bieten“ und dazu gehören auch „Menschen in besonderen Lebenssituationen“, so der Leiter der Bibliothek.

Außerdem engagiert sich die TU im Rahmen von „audit familiengerechte hochschule“ seit 2008 für familengerechte Arbeits- und Studienbedingungen. Durch Projekte wie den neuen Eltern-Kind-Raum versucht sie Studium, Forschung und Arbeit besser mit der Familie zu vereinbaren.

Den Schlüssel zum Raum gibt es im Erdgeschoss an der Bibliotheksinformation. Die Nutzung des Raumes ist sieben Tage in der Woche in den Öffnungszeiten der Zentralbibliothek möglich und ist kostenlos.
Der Raum ist mit dem Fahrstuhl zu erreichen. Einen Wickelraum gibt es im Erdgeschoss. Der Eltern-Kind-Raum kann übrigens auch von Eltern genutzt werden, die an der TU arbeiten.

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