Die Außenseiter-Studenten

Jura, Medizin, Physik: Für Mainstream-Studiengänge bietet die Umfrage „studentenspiegel 2010“ eine gute Vergleichsmöglichkeit. Diejenigen allerdings, die sich auf exotischen Studienpfaden bewegen, bleiben außen vor. Als „Sonstige Fächer-Studenten“ stigmatisiert, bleibt ihnen nichts anderes übrig als sich trotzend und trauernd im Zimmer einzuschließen.


Einsam und verlassen: als "Sonstige Fächer-Studentin" gehöre ich zu den Außenseitern. Foto: Anne-Kathrin Gerstlauer

Einsam und verlassen: Als "Sonstige Fächer-Studentin" gehöre ich zu den Außenseitern. Foto: Anne-Kathrin Gerstlauer

An sich fand ich die Idee ja gar nicht schlecht: mich als Student mit anderen Studierenden bundesweit vergleichen. Mal schauen, wie ich so stehe in Bereichen wie Mobilität, Sprachkenntnisse und Praktika, um daraus dann Erkenntnisse für meinen weiteren Studienverlauf zu ziehen. Doch statt großer Erkenntnis hat mir die grandiose „studentenspiegel 2010“-Online-Umfrage nur eines gebracht: eine tiefe Depression. Der Grund dafür liegt in einer unscheinbaren Auswahlmaske, in der ich mein Studienhauptfach auswählen soll: Eine endlos lang wirkende Liste öffnet sich vor meinen Augen, ich lese Studienfächer wie Architektur, Zahnmedizin, Sonderpädagogik und Wirtschaftswissenschaft – doch inmitten all der bunten Studienfächer ist mein Journalistik-Studiengang einfach nicht auffindbar. Stattdessen erwartet mich an unterster Stelle der Liste etwas, das so kühl, einfallslos und grausam klingt, dass ich nur mit Mühe das Zittern in meinen Händen unterdrücken kann. Es nennt sich: „Sonstige Fächer“!

Diese Auswahlmöglichkeit findet sich neben Studiengängen wie Agrarwissenschaft, Sport und Kunst. Ich bin mir bewusst, dass mein Studiengang fremdartig, bisweilen gar exotisch daherkommt. Ich weiß, dass ich mit meinem Studiengang in keines dieser rechts-, ingenieurs- oder sprachwissenschaftlichen Schemata passe. Und dennoch: Als „Sonstiger Fächer-Student“ bezeichnet zu werden, bedeutet für mich den Tiefpunkt in meiner studentischen und persönlichen Laufbahn. Und gerade vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, der die Umfrage gemeinsam mit der Unternehmensberatung „McKinsey“ und der Online-Community studiVZ initiiert hat, hätte ich das am allerwenigsten erwartet. Gerade beim „Spiegel“ habe ich doch immer an den Sinn fürs Detail, an das Gespür für die kleinen Dinge geglaubt und werde jetzt umso bitterlicher enttäuscht.

Wer sind die „Anderen“?

Wären meine tiefen Verletzungen und meine Minderwertigkeitskomplexe nicht schon schlimm genug, mischt sich zu diesem Depressions-Potpourri auch noch eine große Portion Ratlosigkeit hinzu: Wer sind denn eigentlich die anderen „Sonstigen Fächer-Studenten“? Mit wem werde ich in meinem persönlichen Auswertungsprofil überhaupt verglichen? Sind das vielleicht Künstler, die Tanz, Schauspiel oder Gesang studieren und sich beim „studentenspiegel 2010“ nun auch dem rüden Begriff der „Sonstigen Fächer“ unterordnen müssen? Bin ich als Journalistik-Student mit meiner Trauer etwa gar nicht allein? Gibt es auch andere kleine studentische Seelen, die sich stigmatisiert und ausgestoßen fühlen?

Die Grafik macht es deutlich: meine Erwartungen an ein Einstiegsgehalt von über 6000 Euro sind wohl utopisch. Gerade mal ein Prozent aller "Sonstigen Fächer-Studenten" rechnet damit. Quelle: spiegel.de

Die Grafik macht es deutlich: Meine Erwartungen an ein Einstiegsgehalt von über 6000 Euro sind wohl utopisch. Gerade einmal ein Prozent aller "Sonstigen Fächer-Studenten" rechnet damit. Quelle: spiegel.de

Das bringt mich auf eine Idee: Ich werde eine Selbsthilfe-Gruppe gründen! Eine Gruppe der armen, einsamen „Sonstigen Fächer-Studenten“, die als Opfer des großen Sortierungswahns ein erbärmliches Dasein fristen. Wie heißt es doch immer so schön: Gemeinsam sind wir stark. Wenn sich alle „Sonstigen Fächer-Studenten“ vereinigen, ihrem Unmut eine Stimme verleihen, dann sind die trüben Tage der Trauer und des Ausgegrenztseins vielleicht schon bald gezählt und der Begriff „Sonstige Fächer“ aus allen Auswahlmasken dieser Welt verbannt und ersetzt durch anmutig klingende Studiengänge.

Etwas Gutes hatte die Umfrage jedoch. Im letzten Teil meines persönlichen Auswertungsprofil offenbarte sich mir folgende Erkenntnis: Die Vorstellung von einem Einstiegsgehalt über 6000 Euro monatlich ist unrealistisch, ja geradezu utopisch. Das zeigt der Vergleich mit den anderen „Sonstigen Fächer-Studenten“. Vielen Dank dafür, lieber „studentenspiegel 2010“. Jetzt weiß ich immerhin, was ich in den letzten Bewerbungsgesprächen falsch gemacht habe.

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