Dortmund im Derbyfieber

Es ist das Highlight einer jeden Bundesligasaison: das Revierderby im heimischen Stadion. Die Mutter der deutschen Derbys war am Samstag im Westfalenstadion zu Gast. Zum 139. Mal hieß es: Schwarz-Gelb gegen Königsblau. Dortmund, das Ruhrgebiet und ganz Deutschland haben mitgefiebert. Zweiter gegen Vierter, amtierender Meister gegen den Pokalsieger, vereint als Bayern-Jäger. Eine Chronologie des Tages.

80.720 Zuschauer füllten das Dortmunder Stadion - ausverkauft. Fotos: Emmanuel Schneider

80.720 Zuschauer füllten das Dortmunder Stadion - ausverkauft. Fotos: Emmanuel Schneider

Das Derby fiel für die Dortmunder in eine heiße Phase mit Spielen gegen den Rekordmeister aus München und Arsenal London in der Champions-League.

Nach der Niederlage in London und den Verletzungen von Sven Bender und Mario Götze war die schwarz-gelbe Welt vorerst getrübt. Am Freitag dann hatte sich Shootingstar Mario Götze doch fit gemeldet. Somit war alles angerichtet, für ein spannendes Advent-Derby.

11 Uhr – Start

Strahlt in Schwarz-Gelb: das Dortmunder U Fotos: Emmanuel Schneider

Strahlt in Schwarz-Gelb: das Dortmunder U

Die Reise nach Derby-Dortmund geht los. Die U-Bahn ist fast leer. Zwei unübersehbare Dortmund-Fans sind ebenfalls auf dem Weg gen Innenstadt. Eine riesige BVB-Trommel liegt stolz vor ihnen. Die Gesprächsthemen sind klar definiert. „Der Huntelaar ist heute heiß, glaub ich“, sagt der mit der Trommel. „Ja sicha“, antwortet sein Kollege. Fußball ist da, wo fast jeder mitreden kann. Raus aus der U-Bahn, rein in die Stadt. Bevor es auf den Westenhellweg geht, fällt der Blick auf das Dortmunder U, dass sich extra fürs Derby rausgeputzt hat. Schwarz-gelbe Kickerfiguren flimmern in 45 Meter Höhe.

11.15 Uhr – Westenhellweg

Auch der BVB-Fanartikelladen in der Dortmunder Haupteinkaufssstraße ist vorbereitet. „Ja, heute ist auf jeden Fall mehr los, es sind auch viele Touristen aus dem Ausland hier“, sagt Kassiererin Selma Can. Der Verkaufsschlager? „Der Klopp-Schal ist der Renner!“. Selma Cans Tipp fürs Revierderby: „2-1 für uns!“

11.30 Uhr – Vorm BVB-Fanshop

Von der Schweiz nach Dortmund. Das Derby lockt auch Touristen.

Von der Schweiz nach Dortmund. Das Derby lockt auch Touristen.

Die Fußball-Touristen von denen Selma Can erzählte stehen vor dem offiziellen BVB-Fanshop am alten Markt. Eine Gruppe gut gelaunter Schweizer hat sich gerade mit BVB-Utensilien eingedeckt. „Ein- bis zweimal im Jahr fahren wir hier hoch“, sagt einer aus der Gruppe. 600 Kilometer von Zürich bis nach Dortmund, alles für den BVB. Die Stimmung ist gut: „Wir sind sehr entspannt, haben keine Angst vor Randalen oder Pyrotechnik. Das kennen wir aus der Schweiz“.

11.45 Uhr  – Im BVB-Fanshop

Der Laden ist mehr als gut gefüllt, die Schlange reicht bis an die Eingangstür. Ein BVB-Bub steht mit großen Augen vorm Adventskalender. Treppen hoch, oben gibt’s die Derbytrikots, die extra für dieses Revier-Duell hergestellt

Das Derby-Trikot ist der letzte große BVB-Wurf vom aktuellen Ausrüster. 2012 wechselt der BVB die Marke.

Das Derby-Trikot ist der letzte große BVB-Wurf vom aktuellen Ausrüster. 2012 wechselt der BVB die Marke.

wurden. Die Marketing-Strategie scheint zu funktionieren. „Die Trikots laufen gut, wir haben heute schon einige verkauft“, bestätigt die Verkäuferin. An Spieltagen sei schon viel los, aber man merke, dass heute Derby ist.

12 Uhr-  Innenstadt

Von irgendwoher dudelt es „Leise rieselt der Schnee“. Das Thermometer zeigt zehn Grad an. Die Glocken läuten, aber heute hat für die meisten wohl der BVB Vorrang. Wohin das Auge reicht, schwarz-gelb gekleidete Menschen. Königsblau vergeblich gesucht. Auch beim Gang zum Bäcker ist der BVB unausweichlich. „Derbysieger“-Amerikaner gibt’s zum symbolischen Preis von 1,09 Euro. Fußballliebe geht eben auch durch den Magen.

12.30 Uhr – Westenhellweg

Einkaufsstraße wieder hoch. Junge Menschen sitzen mitten auf der Straße und spielen den WM-Hit „Wavin‘ Flag“ auf dem Klavier. Heute hat auch wirklich alles mit Fußball zu tun. Noch immer ist kein zu erkennender Schalke-Fan aufzufinden. In der Innenstadt ist es friedlich, Polizei kaum zu sehen.

12.45 Uhr – Hauptbahnhof

Dafür zeigt die Polizei am Hauptbahnhof Präsenz. Links und rechts vorm Haupteingang stehen mehrere Kastenwägen. Auch innen sind fast mehr Polizisten als Bahnreisende unterwegs. Kurze Nachfrage bei den Beamten. „Wie ist die Lage?“ Beamter 1: „Entspannt.“ Er blickt rüber zu Beamten 2, der die Augen betont lange schließt und sagt: „Tiefenentspannt.“ Fehlt nur die Sonnenbrille, dann wäre es filmreif. Einige Verzweifelte versuchen noch Karten auf den letzten Drücker zu ergattern – mit selbstgebasteltem Pappschild. Ob’s an der Strategie liegt, dass es nicht klappt? „Bis zu 20 Euro würde ich bieten“, sagt ein suchender Fan.

13 Uhr – Westenhellweg

Endlich: Der erste Fan mit Schalke-Schal in der Dortmunder Innenstadt. Dafür sieht er ziemlich entspannt aus. „Ach, mehr als dumme Sprüche und Gesänge war bis jetzt nicht“, sagt er. Aber ein Bild von ihm will er dann lieber doch nicht machen lassen. „Bis

Die Meisterschaftsschale würde der BVB gerne auch nächstes Jahr an den Weihnachtsbaum hängen.

Die Meisterschaftsschale würde der BVB gerne auch nächstes Jahr an den Weihnachtsbaum hängen.

jetzt ist es ruhig, mal schauen, ob es dabei bleibt“, sagt er zum Abschied.

13.10 Uhr – Weihnachtsmarkt

Auf dem Dortmunder Weihnachtsbaum prangt das, was der BVB auch diese Saison wieder holen will: die Meisterschale. Die Buden sind gut besucht. Karl-Heinz und Christian machen sich schon mal warm fürs Derby. „Ein bisschen Vorglühn muss beim Derby sein“, sagt Christian und grinst. Die Stimmung sei super und die Rivalität gehöre eben auch dazu. „Das hat aber auch seine Grenzen“, fügt er hinzu.

13.20 Uhr – Kampstr.

Glücksträhne. Fast wäre sie unentdeckt geblieben. Aber der blau-weiße Schal an der Seite hatt sie verraten. Theresa steht inmitten einer Gruppe von Freunden – allesamt

Ein Schalker Mädchen inmitten Dortmunder Jungs.

Ein Schalker Mädchen inmitten Dortmunder Jungs.

Dortmund-Fans. Ihr wurde dennoch ein Platz gewährt. „In der Kneipe pack‘ ich den Schal aber weg“, sagt die Schalke-Anhängerin und lacht. Sie hat bisher auch keine schlechten Erfahrungen gemacht „Wenn man sich ruhig verhält, ist es ok.“ Sie ist optimistisch und verweist auf den „königsblauen Himmel“ und verspricht: „Wir gewinnen!“

13.30 Uhr – Fahrt zum Stadion

Die U-Bahn ist voll. Der erste Dortmund-Fan liegt bereits mit allen Vieren auf den Sitzen. Kurz vorm Stadion sind schon die ersten Fans mit Pyrotechnik in der Hand. Schalke-Fans begrüßen ihre Ankunft mit dem Mittelfinger. Dortmund grüßt zurück. Die zehn Grad nähern sich gefühlten 100 Grad. Vorm Stadion reiht sich ein Polizeiwagen an den anderen. Aber auch hier ist die Lage relativ ruhig.

13.50 Uhr – Vorm Stadion

Anderthalb Stunden vor Spielbeginn kommen die Schalker an.

Anderthalb Stunden vor Spielbeginn kommen die Schalker an.

Vor der Stadionkneipe haben sich viele Schalke-Fan versammelt. Plötzlich raucht es und orange-rote Farbe ist zu erkennen. Dazu ertönen Schmähgesänge in Richtung Dortmund-Fans. Einige Schalke-Anhänger versuchen eine Werbetransparant abzureißen,

scheitern aber an den Befestigungen.

13.58 Uhr Der Schalke-Bus fährt ein. Pfeifkonzert und ein bisschen Jubel.

14.13 Uhr Der Dortmund-Bus fährt ein. Pfeifkonzert und ein bisschen mehr Jubel.

Der Dortmunder Mannschaftsbus. Kennzeichen: DO-DM-2011

Der Dortmunder Mannschaftsbus. Kennzeichen: DO-DM-2011

14.30 Uhr Die letzten Kartendeals werden abgeschlossen. Karten und Bargeld wechseln die Besitzer. Es sind definitiv mehr als 20 Euro. Ungefähr 150 Euro pro Karte.

14.45 Uhr Platz sichern an der Kneipe in Stadion-Hörweite. Hier köchelt die Stimmung weiter vor sich hin. Das Motto ist schnell ausgemacht: „Wir woll’n den Derbysieg!“

15.30 Uhr – Anpfiff: Viele der Fans investieren mehr in die Beschimpfung der Schalker, als die eigene

Mannschaft anzufeuern. Aber es zieht, die meisten stimmen mit ein.

Die BVB-Fans feiern den Derbysieg.

Die BVB-Fans feiern den Derbysieg.

15.49 Uhr Robert Lewandowski erzielt das 1:0 für Borussia Dortmund. Die Kneipe: im Jubel-Ausnahmezustand.

Die ersten BVB-Fans sind sich schon ziemlich sicher. „Sieg“ und „Die Nummer eins im Pott sind wir“ ertönen mehrmals hintereinander.

16.50 Uhr Felipe Santana erzielt das 2:0 für Borussia Dortmund. Siehe 15.49 Uhr.

17.22 UhrAbpfiff. Die Dortmund-Fans feiern den „Derbysieg“ und wähnen sich zurecht vorerst als „Spitzenreiter“. Draußen ziehen die ersten Schalker mit langen Gesichtern vorbei. Dortmunder und Schalker laufen zusammen in Richtung U-Bahn. Die Polizei zeigt Präsenz.

Kaum ist das Spiel vorbei, gibt es die ersten Derbysieger-Erinnerungsstücke.

Kaum ist das Spiel vorbei, gibt es die ersten Derbysieger-Erinnerungsstücke.

Außer einem lauten Böller passiert erst einmal nichts.

17.45 Uhr

Was ist die Steigerung von einer voll U-Bahn? Die U-Bahn platzt aus allen Nähten. Die Gesänge gehen weiter. Zurück am Dortmunder Weihnachtsmarkt. Die ersten findigen Händler haben bereits Derbysieger-Artikel im Angebot. Die Lage in der Stadt wie am Mittag: viele schwarz-gelb gekleidete Menschen.

Der Derbytag aus Sicht der Polizei:

Die Stadt Dortmund hatte bereits vor dem Spiel Glasfasche für das Stadionumfeld und öffentliche Verkehrsmittel verboten.

„Unsere Einsatzkonzeption, gekoppelt mit dem Glasverbot der Stadt, war erfolgreich und hat mit dazu beigetragen, dass Randalierer das Gesamtbild dieser spannenden Fußballbegegnung nicht trüben konnten“, sagte der Polizeieinsatzleiter Peter Andres.

Die Polizei zeigte am Stadion viel Präsenz.

Die Polizei zeigte am Stadion viel Präsenz.

Insgesamt musste die Polizei nach eigenen Angaben 35 Menschen aufgrund von Körperverletzung, Einsatz von Pyrotechnik und Widerstand gegen Polizeibeamte festnehmen. Nach Spielende gab es vereinzelt Zusammenstöße von gegnerischen Fans.

Gegen Mittag war es allerdings an der Haltestelle Signal-Iduna Park zu Ausschreitungen gekommen. Dabei warfen Randalierer unter anderem mit Dosen, Schirmen, Bechern und Flaschen. Die Polizei ging mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen sie vor. Es wurden mehrere Personen verletzt.

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