Leben von und für Kultur

kultur.unternehmen.dortmund unterstützt Studierende, Alumni und Mitarbeiter der TU und FH Dortmund, die sich im Kreativbereich selbstständig machen wollen. Bei der theoretischen Planung und der tatsächlichen Unternehmensgründung bekamen so auch die Taschen- und Accessoires-Firma „zechenkind“ und der Gillvuz Verlag Hilfe vom kultur.unternehmen.dortmund.

Anika Beller-Kraft fertigt Taschen aus alter Bergmannskleidung. Foto: zechenkind

Anika Beller-Kraft fertigt Taschen aus alter Bergmannskleidung. Foto: zechenkind

„Das ist Pott pur und Kulturdesign von allen Seiten!“ Wenn Anika Beller-Kraft von ihren Produkten redet, merkt man ihr an, dass sie mit dem Herzen dabei ist. Sie hat es gewagt und sich den Schwierigkeiten und dem Ungewissen gestellt: Sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht, mit ihrem eigenen Unternehmen „zechenkind“ in der Kreativwirtschaft. Von der ungewöhnlichen Idee bis zur erfolgreichen Alleinunternehmerin war kultur.unternehmen.dortmund erste Anlaufstelle und Katalysator.

„Pott pur!“

Angefangen hat alles mit einer abgeschlossenen Lehre als Orthopädiemechanikerin, in der Anika Beller-Kraft auch Nähen gelernt hatte. Die starke Verbundenheit mit ihrer Heimat brachte die gebürtige Dortmunderin schließlich auf die Geschäftsidee: unter Tage getragene Bergmannskleidung, die sie auf dem Dachboden eines Freundes gefunden hatte, zu Taschen verarbeiten. Parallel zu ihrer Journalistik-Diplomarbeit nahm Anika Beller-Kraft, die nach ihrer Ausbildung an der TU Dortmund studierte, 2009 die Unternehmensgründung von „zechenkind“ in Angriff.

„Bücher für Kinder und andere Intellektuelle“

Auch die Freundinnen Mirjam Gille und Aylin Yavuz haben den Schritt in die Selbstständigkeit im „Pott“ gewagt. Sie hatten den Plan gemeinsam für ihre Freunde ein Kinderbuch zu veröffentlichen. Die Idee zum ersten gemeinsamen Buch „Wie die Prinzessin zur Erbse kam“ war Mirjam Gille beim Schreiben ihrer Staatsarbeit über Prinzessinnen gekommen. Kein normales Kinderbuch, sondern eines mit besonders hohem ästhetischem Anspruch, einem starken Thema und schönen Bildern. Als Mirjam Gille den Text geschrieben und Aylin Yavuz die passenden Bilder illustriert hatte, entschieden sie sich jedoch dazu, die Rechte nicht abzugeben. „Wir wollen eigene Literatur herstellen und ästhetische Botschaften bei unterschiedlichen Themen vermitteln – ohne Einschränkungen“, sagt Aylin Yavuz.

Mirjam Gille und Aylin Yavuz haben ihr Unternehmen wie eine Mischung ihrer Nachnamen genannt: der Gillvuz Verlag. Foto: Gillvuz Verlag

Mirjam Gille und Aylin Yavuz haben ihr Unternehmen nach einer Mischung ihrer Nachnamen benannt: der Gillvuz Verlag. Foto: Gillvuz Verlag

Beide Germanistikstudentinnen hatten bei der Verlagsgründung im April 2007 bereits ihr Lehramtsstudium an der TU abgeschlossen und arbeiteten als Lehrerin, sowie an ihrer Doktorarbeit. In Anlehnung an ihre beiden Nachnamen nannten sie ihr Unternehmen „Gillvuz Verlag“. 2008 kam der Zusatz „Bücher für Kinder und andere Intellektuelle“ hinzu. Da die jungen Gründerinnen ohne Vorkenntnisse ihr Unternehmen gründeten, beschlossen sie, sich beraten und weiterbilden zu lassen.

Vom Bundesministerium gefördert

Die Verlagsgründerinnen Mirjam Gille und Aylin Yavuz, sowie „zechenkind“ Anika Beller-Kraft wurden auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützt von kultur.unternehmen.dortmund. Zu diesem Projekt des allgemeinen Gründungsnetzwerks G-DUR gehören neben der FH und der TU Dortmund auch die Wirtschaftsförderung und die Technologiezentren in der Region. G-DUR steht für „Gründungen aus der Wissenschaft in Dortmund und Region“. Sowohl G-DUR als auch kultur.unternehmen.dortmund sind von EXIST gefördert worden. Dieses Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ist speziell für Existenzgründungen aus der Wissenschaft entwickelt worden.

Für die Gründerinnen von „zechenkind“ und dem Gillvuz Verlag war Angela Märtin, kultur.unternehmen.dortmund-Projektkoordinatorin von Seiten der TU, in ihrem Büro auf dem Südcampus (Referat für Forschungsförderung und Wissenstransfer) erste Ansprechpartnerin. „Kreative Köpfe, Menschen mit guten Ideen motivieren und ihnen mit dem richtigen Handwerkszeug beim betriebswirtschaftlichen Grundkonzept helfen“, erklärt Angela Märtin die Ziele ihrer Arbeit. Auf ihren Rat hin nahmen die drei Studentinnen am Zertifikatstudium Kulturarbeit und Kreativwirtschaft teil. Über zwei Semester wurden ihnen Grundkenntnisse in den Bereichen BWL, Finanzierung, Marketing und Presse vermittelt. Nach dem Auslaufen der Förderung des Bundesministeriums 2010 wird das Zertifikatstudium nicht mehr angeboten. Stattdessen gibt es jedoch jedes Semester im Vorlesungsverzeichnis Projektseminare zu ähnlichen Themen.

Wer ein eigenes Unternehmen gründen möchte, muss einen Businessplan erstellen. Foto: kultur.unternehmen.dortmund

Wer ein eigenes Unternehmen gründen möchte, muss einen Businessplan erstellen. Foto: kultur.unternehmen.dortmund

Zusätzlich haben die drei Gründerinnen an der Kreativwerkstatt der Wirtschaftsförderung Dortmund teilgenommen. Diese findet jährlich statt und bietet die Möglichkeit mit Hilfe eines Coaches aus einer Ideenskizze einen Businessplan zu erstellen, der das ganze Unternehmenskonzept inklusive Finanzierung und Marketing beinhaltet. Am Ende der Werkstatt werden die verschiedenen Präsentationen von einer Jury bewertet und die besten ausgezeichnet. „zechenkind“ belegte hierbei den ersten Platz und auch der Gillvuz Verlag schaffte es mit dem dritten Platz auf das Treppchen.

Beratung durch Gründungslotsen

Kostenlos berät an der TU Dortmund nicht nur Angela Märtin, sondern auch der Gründungslotse Sebastian Hanny. Bei ihm kann sich jeder, der sich selbstständig machen will, zum Beispiel über den start2grow-Gründungswettbewerb informieren und sich für diesen anmelden. Der Wettbewerb, der von der Wirtschaftsförderung ausgerichtet wird, ist überregional und kostenlos. Anika Beller-Kraft nahm auch hieran erfolgreich teil und belegte den vierten Platz.

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New York ruft

Seit der ausgezeichneten Unternehmensgründung von Anika Beller-Kraft sind drei Jahre vergangen: Ihre journalistische Karriere hat die Jungunternehmerin nicht weiter verfolgt, aber auch ihre Produkte näht sie nicht mehr selbst. Denn mit der Selbstständigkeit kamen neben dem Design ganz andere Aufgaben auf sie zu: Finanzierung, Organisation, Marketing und Vertrieb. Die Waren werden jetzt von ehemals langzeitarbeitslosen Frauen im Ruhrgebiet genäht.

Anika Beller-Kraft benennt ihre Taschen nach ehemaligen Zechen und Schächten im Ruhrgebiet. Dieses Exemplar heißt "Tremonia". Foto: zechenkind

Anika Beller-Kraft benennt ihre Taschen nach ehemaligen Zechen und Schächten im Ruhrgebiet. Dieses Exemplar heißt "Tremonia". Foto: zechenkind

„Das Konzept wird von vier Säulen getragen: Es ist sozial, ökologisch, individuell und regional“, sagt sie über ihr eigenes Unternehmen. Unter dem Slogan „Du trägst ehrlich“ verkauft sie inzwischen sehr erfolgreich nicht nur Taschen, sondern beispielsweise auch Schlüsselbänder oder Geldbörsen in ganz Deutschland. Und nicht nur da: Ein Laden in New York verkauft bald ihre Produkte.

„Eine Unternehmensgründung kostet viel Zeit und Energie. Man muss am Ball bleiben und sich darüber im Klaren sein, dass am Anfang etwa 90 Prozent Büroarbeit und nur 10 Prozent Kreativität stehen“, gibt die Alleinunternehmerin interessierten Studenten mit auf den Weg. „Gleichzeitig ist es ein wunderschönes Gefühl etwas selbst geschaffen zu haben und sein eigener Chef zu sein. Ich würde es immer wieder machen.“

Selbstständigkeit nebenher

Auch die Gründerinnen des Gillvuz Verlages können auf erfolgreiche Jahre nach der Unternehmensgründung zurückblicken: Bis jetzt sind im Verlag bereits sieben Bücher erschienen, wovon drei von den Verlegerinnen selbst produziert wurden. Zwei bis drei Manuskripte bekommt der Verlag im Monat. Meist sind die Autoren durch Mundpropaganda oder noch über die Gründungswerkstatt auf Gillvuz aufmerksam geworden.

Nach Beschreibung der Gründerinnen ist der Gillvuz Verlag für "Kinder, junge Erwachsene und Junggebliebene". Foto: Gillvuz Verlag

Nach Beschreibung der Gründerinnen ist der Gillvuz Verlag für "Kinder, junge Erwachsene und Junggebliebene". Foto: Gillvuz Verlag

„Es ist nicht leicht, neben Promotion und Arbeit noch ein eigenes Unternehmen zu führen. Da wir aber zu zweit sind und beide einen sicheren Job an der Schule haben, geht das. Wir hatten nie das Risiko, vom Verlag vielleicht nicht leben zu können“, sagt Mirjam Gille. Während Aylin Yavuz gerade für einige Jahre in Istanbul als Lehrerin arbeitet, unterrichtet Mirjam Gille derzeit an einer Berufsschule im Ruhrgebiet und gibt ein Seminar an der TU Dortmund. Die Unternehmerinnen können sich vorstellen, später mehr Zeit und Geld in den Gillvuz-Verlag zu investieren, aber zunächst stehen private Wünsche im Vordergrund. „Die Gründung hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das ist eine sehr gute Referenz und man sammelt wichtige Erfahrungen, die man nur machen kann, wenn man ein Risiko eingeht.“

Eine widersprüchliche Verbindung

Auch Angela Märtin hat nach 60 erfolgreich begleiteten Gründungen Tipps: „Die in gewisser Weise widersprüchliche Verbindung von Wirtschaft und Kreativität erfordert einen Balanceakt. Es ist wichtig, die Situation realistisch einzuschätzen, sich zu informieren und zu vernetzen. Außerdem sollte man seine Stärken und Schwächen kennen.“

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