Problem Promotion?

Dr. Wolfgang Adamczak arbeitet beim Forschungsreferat der Universität Kassel. Täglich hat er mit Träumen von einer Hochschulkarriere zu tun. Doch der Weg dahin ist hart. Von der Promotion, also dem Erwerb des Doktortitels, über Zwischenphasen, wie der des Post-Docs, bis  hin zur Habilitation vergehen mehr als zehn Jahre. Und dass all die Mühen dann tatsächlich mit einer Professur belohnt werden, ist sehr selten. Dr. Adamczak verrät, warum eine Promotion trotzdem sinnvoll ist und wie man seine Karriere am besten gestaltet.

Dr. Wolfgang Adamczak berät Studenten auf dem Weg zum Doktortitel und zur Professur. Auch für seinen Sohn hat er immer einen Tipp parat. Foto: Lena Kalmer

Dr. Wolfgang Adamczak berät Studenten auf dem Weg zum Doktortitel und zur Professur. Foto: Lena Kalmer

Nach einer Studie des Hochschul-Informations-Systems ist die Zahl der Promovierenden in Deutschland  in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen. Warum entscheiden sich heute immer mehr Absolventen für die Promotion?

Wolfgang Adamczak: Aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe: Erstens verbessere ich damit meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt und eröffne mir eine Hochschulkarriere, die ohne Promotion gar nicht möglich wäre. Und der zweite Grund ist ein schlechter: Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, ich finde keinen vernünftigen Job und habe mich in der Uni eingenistet.

Aber gerade in der wissenschaftlichen Karriere sind die Chancen immer schlechter. Viele Promovierende und Promovierte werden zu  wissenschaftlichen Mitarbeitern. Einige schaffen den Sprung zum PostDoc, einer Übungsphase, in der sie selbst lehren. Die wenigsten aber werden wirklich zum Professor. Ist die freie Wirtschaft vielleicht die bessere Alternative?

Wolfgang Adamczak: Nein, das kommt völlig auf die Person an. Also bin ich ein Typ, der heiß auf Forschung ist? Dann ist eine wissenschaftliche Karriere natürlich interessant. Wenn ich aber nur daran denke, wie ich viel Geld verdiene, ist eine wissenschaftliche Karriere nicht das Richtige.

An den drei Ruhr-Unis schlossen 2009 über 1000 Studenten ihre Promotion ab. Doch nicht alle von ihnen setzen ihre Karriere in der Wissenschaft fort. Foto: Rolf van Melis/pixelio

An den drei Ruhr-Unis promovierten 2009 über 1.000 Studenten. Nicht alle von ihnen setzen die Karriere in der Wissenschaft fort. Foto: pixelio.de/Rolf van Melis

Wie finde ich heraus, was das Richtige ist?

Wolfgang Adamczak: Man sollte lernen, sich selbst einzuschätzen. Sind wir mal ehrlich: Die Zensuren, die man auf dem Weg zur Promotion bekommt, sind alle gut. Aber ob sie wirklich gut sind, kann ich nur feststellen, wenn ich mich mit anderen vergleiche. Deshalb rate ich immer: Gehen Sie mal hinaus in die weite Welt und vor allem gehen Sie mal zu Konferenzen, tragen da vor, hören sich andere Leute an und dann haben Sie ein Gefühl dafür, wie gut Sie wirklich sind.

Wie sollten dann die Schritte zur erfolgreichen Promotion aussehen?

Wolfgan Adamczak: Es gibt viele Kriterien. Ich zitiere immer ein Bespiel: Mein jüngerer Sohn hat mich vor vier Jahren – übrigens das erste Mal in seinem Leben –  um Rat gefragt. Er wolle promovieren und brauche meinen Rat. Vier Dinge fielen mir da direkt ein. Erstens: Geh mal weg von dem Ort, an dem du studiert hast. Erkunde ein neues Terrain und schaue, wie gut du da bist.

Zweitens: Bevor du dich für einen Ort und einen Professor entscheidest, informiere dich mal. Wie erfolgreich sind die Promotionen und wie lange brauchen die Doktoranden dafür? Drittens: Versuche, auf Konferenzen zu fahren, um Erfahrungen zu sammeln und versuche, schon während der Promotion zu publizieren. Viertens: Wer finanziert das? All diese Dinge lassen sich nachprüfen, bevor ich eine Entscheidung treffe.

Die Finanzierung ist ein entscheidender Punkt. Was gibt es für Möglichkeiten?

Die Promotion bringt oft hohe Kosten mit sich. Stipendien, Drittmittelfinanzierungen und Landesstellen können die wissenschaftliche Karriere möglich machen. Foto: Thommy Weiss/pixelio

Die Promotion bringt oft hohe Kosten mit sich. Stipendien können die wissenschaftliche Karriere möglich machen. Foto: pixelio.de/Thommy Weiss

Wolfgang Adamczak: Es gibt drei Arten, seine Promotion zu finanzieren. Die erste ist ein Stipendium, die zweite ist eine Landesstelle bei dem Professor, die die Promotion zwar bezahlt, aber auch Dienstleistungen dafür fordert. Und die Dritte ist eine Drittmittelfinanzierung.

Bei den Stipendien herrscht eine große Unabhängigkeit und man ist in keinster Weise gebunden. Man ist noch nicht mal zu einer Leistung verpflichtet. Das ist immer dann gut, wenn die Ressourcen aus dem Stipendium ausreichen, um seine Promotion komplett zu bezahlen – tendenziell also für jemanden, der kein großes Verbrauchsmaterial hat und nicht viele Reisen machen muss.

Gehen die benötigten Ressourcen darüber hinaus, ist eine Promotion über eine Drittmittelfinanzierung viel besser angelegt. Der Professor beantragt dabei ein Projekt bei externen Instituten. Damit wird der Doktorand finanziert, damit werden die zusätzlichen Mittel finanziert.

Aber binde ich mich damit dann nicht an den Geldgeber?

Wolfgang Adamczak: Sie bekommen einen Arbeitsvertrag. Und das läuft wie in der freien Wirtschaft: Vertrag ist Vertrag und den müssen Sie einhalten. Damit sind Sie gebunden, klar. Sie haben Urlaubszeit, Sie haben Arbeitszeitregelungen – obwohl Arbeitszeitregelungen interessieren ja keine Sau in der Uni. Aber wenn ich in einer Firma irgendwo anfange, ist das doch genauso. Die Bindung ist hier überhaupt nicht das Problem. Als Doktorand oder in der Zeit danach als Post-Doc bekommen Sie befristete Arbeitsverträge. Wichtig ist die Zeit danach. Dann müssen Sie sich entscheiden: Wollen Sie in der Wissenschaft bleiben, das Risiko eingehen, oder bewerben Sie sich woanders?

Laut dem „Bundesbericht zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses“ schaffen nur 8,6% der Promovierten den Sprung zur Habilitation, dem letzten Schritt vor der Professur. Danach werden 40% der Habilitierten dann auch Professor. Foto: Geld Altmann/pixelio

Laut einer Studie schaffen nur 8,6% der Promovierten den Sprung zur Habilitation. 40% der Habilitierten werden dann auch Professor. Foto: pixelio.de/Gerd Altmann

Erklären Sie mir das Risiko bitte einmal genauer.

Wolfgang Adamczak: Ja, das Risiko ist überall dasselbe. Wenn Sie sagen: „Ich will jetzt Professor werden“, ist das ja schön, aber ob das auch klappt, steht in den Sternen.

Woran glauben Sie, liegt das? Wo ist der Fehler in diesem System?

Wolfgang Adamczak:
Ich glaube nicht, dass das ein Fehler im System ist. Wir bilden natürlich viel mehr Leute aus, die promoviert sind, als wir jemals Professoren an der Uni haben werden – selbst unter guten Bedingungen. Das heißt, wir bilden nicht nur für die Universitäten aus. Und jetzt muss ich entscheiden. Wenn ich meine Zukunft plane, würde ich nie sagen: „Ich will Professor werden“. Sondern immer: „Ich will Professor werden, aber was könnte die Alternative sein?“

Also wenn meine Zeit als Doktorand zu Ende ist, dann guck ich, wo ich eine PostDoc-Stelle bekomme oder ob es für mich auch eine interessante Stelle bei einer Behörde, in einer Firma oder sowas gibt. Einen doppelgleisigen Weg zu gehen, ist immer sinnvoll, um das Risiko zu vermindern.

Wenn ich nur auf eine Stelle setze, gehe ich ein hohes Risiko ein. Das ist im Moment bei der Habilitation ganz akut: Sie sind habilitiert, nachher hochqualifiziert aber finden keinen entsprechenden Job. Das ist aber kein Fehler im System, das ist die Pyramide.

Die Entscheidung für eine Finanzierung über Drittmittel oder eine Landesstelle führt zu befristeten Arbeitsverträgen – das haben wir schon gehört. Die Angst, die Promotion nicht beenden zu können, bevor der Vertrag wieder ausläuft, schwebt immer mit. Und auch im Anschluss sind befristete Stellen mit Unsicherheit verbunden.  Wie schätzen Sie die Arbeitsbedingungen für Promovierende und Promovierte ein?

Wolfgang Adamczak: Das Zeitarbeitsgesetz erlaubt, wenn ich promoviert bin, im Grunde eine Vielzahl von Verträgen, die ich anschließend an der Uni eingehen kann. Das halte ich für überhaupt nicht sinnvoll, weil es die Unsicherheit bis ins hohe Alter erhöht. Wenn Sie an die Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf denken, ist das ein ganz großes Problem der Wissenschaft und das hängt damit zusammen, dass sich natürlich niemand für Familie und womöglich auch noch Kinder entscheidet, wenn er immer befristete Verträge bekommt. Und dieses System ist nicht sinnvoll. Es gibt ja von der GEW [Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft; Anm. der Red.] zum Beispiel auch die Vorstellung, für Dauertätigkeiten auch Dauerverträge auszustellen: Also zum Beispiel der wissenschaftliche Assistent, der Laboringenieur. Das sind Leute, die die Institute brauchen. Dann müssen sie auch unbefristete Verträge bekommen.

Aber die Realität sieht anders aus.

Dr. Wolfgang Adamczak empfiehlt Promoventen neben der Professur auch andere Alternativen im Blick zu haben. Foto: Thomas Kölsch/pixelio

Dr. Wolfgang Adamczak empfiehlt Promoventen neben der Professur auch andere Alternativen im Blick zu haben. Foto: pixelio.de/Thomas Kölsch

Wolfgang Adamczak: Natürlich sieht die Realität anders aus und das ist nicht gut. Das heißt nicht, dass jeder, der in der Promotionsphase oder in der Post-Doc Phase ist, unbefristete Verträge bekommen sollte. Aber zumindest die, die währenddessen schon Dauertätigkeiten machen, wie Dienstleistungen oder Service, die sollten die Sicherheit bekommen, für ihre Promotionsphase mit einem unbefristeten Vertrag abgedeckt zu sein.

Und bei den anderen ist dann die Sache, dass man sich irgendwann entscheidet und fragt: So, welche Chance hab ich bei meiner Qualifikation an diesem Platz noch was zu werden? Oder man sucht nach Alternativen: Wo bekomme ich mit meinem Stand vielleicht auch eine vernünftige Beschäftigung in der Wirtschaft, in Behörden, in Ministerien?

Sagen Sie nochmal konkret, was sich an den Hochschulen ändern müsste, damit die wissenschaftlichen Qualifikationsphasen  eine Perspektive haben, eine positive Perspektive.

Wolfgang Adamczak: Wir müssen den Menschen frühzeitig Karriereplanung anbieten. Also wenn jemand zu mir kommt und sagt: „Ich will promovieren, mein Prof hat mich vorgeschlagen, ich hab ein Stipendium“. Dann ist das erste, was man fragen müsste: Und was willst du nach der Promotion machen?

Was uns fehlt an den Hochschulen ist auch sowas wie vernünftige Karriereplanung. Es werden immer nur Hoffnungen geweckt ohne die Realität darzustellen. Das ist jetzt vielleicht etwas allgemein formuliert, es gibt ja schon Ansätze von Serviceprogrammen für die einzelnen Qualifikationsphasen. Aber man müsste den Leuten aufzeigen, was ihre Perspektiven sind, wenn sie immer nur befristete Verträge bekommen.

Von Christina Wilkes

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