Iran: Gesellschaft kann nicht zurück

Für die meisten Menschen hier im Ruhrgebiet waren die Bilder von den Unruhen im Iran nur Nachrichten. Nicht aber für pflichtlektüre Mitarbeiterin Ramesh Kiani: Die Iranerin studiert in Dortmund und schildert für uns ihre Erfahrungen.

Asadi(Freiheit) Platz in Teheran Foto: Sadjad Alawi

Asadi (Freiheit) Platz in Teheran Foto: Sadjad Alawi

Der 13. Juni 2009 war ein besonderer Tag für mich. An diesem Tag wurde das Ergebnis der Präsidentschaftswahl im Iran veröffentlicht. Ich war sehr besorgt um meine Familie, weil ich bemerkte, dass vor der Wahl keine Normalität herrschte.

Einen Tag vor der Wahl las ich auf der Website der Opposition, dass militärische Truppen die Umgebung des Innenministeriums kontrollieren. Es war klar, dass etwas passieren würde, aber niemand wusste was.

Die Zeitungen schrieben nicht darüber, dass die Sicherheitskräfte auf den Straßen waren. Die Pressefreiheit ist im Iran eingeschränkt. Die Journalisten stehen immer unter Druck und müssen ihre Artikel selbst zensieren. Eigentlich ist es die Aufgabe der Journalisten, die Regierung zu kritisieren. Aber wer das im Iran macht – auch wenn es nur leichte Kritik ist – muss Angst vor einer Geldstrafe oder sogar der Verhaftung haben.

Ungefähr zwei Wochen vor der Wahl war die Kontrolle der Presse nicht so stark wie immer. Die Regierung wollte zeigen, dass sie offen und tolerant ist. Ahmadinedschad und seine Unterstützer wurden zwar kritisiert, haben sich aber nach außen so verhalten, als seien sie schon Wahlsieger. Doch die Stimmung in der Gesellschaft war ganz anders: Die Leute wollten eine große Veränderung.

Foto: Iranische Studentin an der Universität TU- Dortmund Ramesh Kiani

Foto: Iranische Studentin an der Universität TU- Dortmund Ramesh Kiani

Großer Schock

Als ich am Tag der Wahl aufgewacht bin, schaltete ich sofort meinen Laptop ein. Ich wollte das Ergebnis wissen und etwas von meiner Familie hören.

Wie für viele Iraner war es auch für mich ein großer Schock, dass Ahmadinedschad wieder als Wahlsieger genannt wurde.

Beim Kontakt mit meinen Freunden bemerkte ich, dass die Regierung etwas ungewöhnliche Vorbereitungen traf. Ein paar Stunden bevor das Wahlergebnis veröffentlicht wurde, waren viele Polizisten an wichtigen Orten in den großen Städten stationiert.

Davor haben vorher viele Leute über das Internet gewarnt.

Einschränkung der Presse

Die Zeitungen haben nicht darüber geschrieben, dass die Sicherheitskräfte auf den Straßen waren. Die Pressefreiheit ist im Iran eingeschränkt. Die Journalisten stehen immer unter Druck und müssen ihre Artikel selbst zensieren. Eigentlich ist es die Aufgabe der Journalisten, die Regierung zu kritisieren. Aber wer das im Iran macht – auch wenn es nur leichte Kritik ist – muss Angst vor einer Geldstrafe oder sogar der Verhaftung haben.

Ungefähr zwei Wochen vor der Wahl war die Kontrolle der Presse aber nicht so stark wie immer. Die Regierung wollte zeigen, dass sie offen und tolerant ist. Ahmadinedschad und seine Unterstützer wurden zwar kritisiert, aber haben sich nach außen so verhalten, als seien sie schon Wahlsieger. Doch die Stimmung in der Gesellschaft war ganz anders: Die Leute wollten eine große Änderung.

Die Medien zeigen im Iran nicht das, was wirklich passiert.

Die Medien zeigen im Iran nicht das, was wirklich passiert. Karikatur: Mana Neyestani

Ich spürte die Angst

Ich chatte immer mit meinen Eltern, aber zwei Tage vor der Wahl hörte ich nicht von ihnen. Einen Tag vor der Wahl versuchte ich mit ihnen zu telefonieren, aber es kam immer nur die Nachricht, dass meine Eltern nicht erreichbar sind.

Als ich meinen Laptop eingeschaltet habe, sah ich im Facebook, dass ein Freund kurze Filme über die Demos auf seine Seite gestellt hat. Auf seiner Seite schrieb er, dass wir die Filme schnell weitergeben und alle über die Krise informieren sollten, bevor das Internet gesperrt wird. Es war unglaublich, als ich die Filme gesehen habe, Hunderttausende Menschen waren auf verschiedenen Strassen und marschierten zum Innenministerium. Die Stimme der Demonstranten ist immer noch in meinem Ohr. Ich konnte die Angst meines Freundes spüren. Ich wusste nicht, was ich machen soll. Ich telefonierte mit meinen iranischen Freunden hier in Deutschland, sie waren nicht besser dran als ich.

Keine Unruhen – das verkünden sie zumindest

Am Abend konnte ich endlich kurz mit meiner Mutter telefonieren. Durch die Blume gab sie mir zu verstehen, dass Internet und Handy gesperrt sind – und wie aufgebracht das Volk wegen des Wahlergebnisses ist. Als ich mit ihr telefonierte, sagte sie mir indirekt, dass alle Telefone kontrolliert werden. Auch könnten sie nicht nach draußen gehen weil sie der Polizei nicht begegnen wollten. Ich erzählte ihr kurz, was ich im Internet sah. Sie sagte, dass im Fernsehen das normale Programm und nicht die Unruhen gezeigt werden. "Wir fühlen uns wie im Käfig", sagte meine Mutter.

Solidarität im Ausland

Alle Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sind im Moment unter Kontrolle des Staates. Die meisten Websites sind gesperrt, sodass ich mich nicht über die Lage zuhause informieren kann.

Die Menschen wollen friedlich demonstrieren, aber Regierungs- Unterschützer schlagen diese Bewegung mit Gewalt nieder. Sie verbreiten falsche Informationen und bedrohen die Menschen. Seitdem versuchen wir Iraner, die im Ausland sind, wichtige Informationen per Internet zu senden. Wir mailen unseren Verwandten und Freunden Programme, mit denen sie die Netzsperrungen umgehen können. Momentan sind Facebook, YouTube und Twitter die Websites, auf denen alle Informationen ausgetauscht werden.

Das Ziel: Veränderung

Diese Regierung ist kein guter Vertreter für den Iran. Das Atomprogramm und was Ahmadinedschad über den Holocaust gesagt hat waren zwei Themen, mit denen die ganze Welt beschäftigt war. Aber niemand hat bemerkt, was die eigentliche Wahrheit der iranischen Gesellschaft ist – wer die Iraner wirklich sind. Die Gesellschaft ist im Iran immer weiter voran, als die Regierung. Und die Gesellschaft kann jetzt nicht wieder zurück, weil die Iraner sehen, dass sie etwas ändern könnten.

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