Zwischen Kofferpacken und Prüfungsstress

In der nächsten Woche steht für die 20-jährige Anissa eine Uni-Prüfung und eine Hausarbeitsabgabe an. Nichts besonderes am Ende des Semesters. Anissas To-Do-Liste ist allerdings länger: Denn sie ist in diesem Wintersemester Erasmus-Studentin an der TU und muss neben den Prüfungen ihre Koffer packen – ihr Auslandssemester geht zuende. Und das bedeutet für die Belgierin totalen Stress.

To-do 1: Abgaben

Die Kommunikationsstudentin aus Brüssel hat am Montag eine Deutschprüfung, auch eine Hausarbeit muss sie in der nächsten Woche abgeben. Die Arbeit ist allerdings noch nicht ansatzweise fertig. Fünf von sechs Seiten muss Anissa noch schreiben: „Das ist unmachbar,“ sagt Anissa und lacht. Unmachbar, weil sie die komplette Hausarbeit auf Deutsch abgeben muss  – nur hat sie in sechs Monaten Dortmund leider kaum Deutsch hinzugelernt. Deshalb fürchtet sie: „Das schaff‘ ich niemals!“ Damit nicht genug: Es warten noch zwei Umzüge innerhalb von drei Tagen auf sie.

Koffer packen für die Heimreise: Schon nächste Woche geht es für Anissa zurück nach Belgien. Fotos: Julia Bömer

Koffer packen für die Heimreise: Schon nächste Woche geht es für Anissa zurück nach Belgien. Fotos: Julia Bömer

To-do 2: Umzug

Anissas Wohnungsvertrag im Studentenwohnheim läuft aus. Ihr Zimmer ist nur noch bis zum 31. Januar gebucht – allerdings bleibt sie bis zum 3. Februar. Deshalb werde sie ihr gesamtes Gepäck in das Zimmer einer befreundeten Erasmus-Studentin bringen, die noch länger in Dortmund bleibt. Drei Tage später wird sie dann wieder ihre gesamten Sachen packen, dann geht es zurück nach Belgien. Immer noch nicht genug zu tun – es steht auch noch Besuch an.

To-do 3: Besuch

Am Wochenende kommen Freunde aus Belgien. Die haben nämlich noch nichts von Anissas deutschem Leben gesehen: „Ich möchte meinen Freunden von Zuhause unbedingt zeigen, wie ich hier lebe, deshalb habe ich sie hierhin eingeladen.“ Trotz Prüfung, Hausarbeit und Umzug.

Wer freut sich bei so viel Stress nicht auf die Reise zurück in die Heimat? Doch Anissa widerspricht: „Neeeeeein!“ Am liebsten würde sie noch länger bleiben und bereut, dass sie ihr Erasmus-Semester nicht für ein Jahr geplant hat. Gerne würde sie ihr Deutsch noch verbessern (Anm. d. R.: Das Interview wurde auf Englisch geführt.) Und noch mehr feiern. Dafür hatte sie während des Erasmus-Semesters viel Zeit: Vorlesungen erst am Nachmittag und ein magerer Stundenplan haben das ermöglicht. Sie resümiert: „Wenn du in den Urlaub fährst, dann ist das für 10 Tage. Erasmus ist genauso – nur für sechs Monate.“

Wehmut wegen des Semestertickets

Das Semesterticket wird sie vermissen und die vielen Reisen. Einmal hat sie sich mit ein paar Erasmus-Studenten und ihren Semestertickets auf nach Berlin gemacht: Bis zur Grenze Nordrheim-Westfalens und dann mit Anschlusstickets weiter. „Das hat ewig gedauert, aber ich werde mich für immer daran erinnern“, erzählt Anissa. Außerdem habe sie jede Woche ein Abendessen mit einem Kreis von internationalen Studierenden gemacht – erst diese Woche hat sie brasilianisch gegessen.

Lernen, auch wenn viel zu tun ist: Anissa hat am Montag noch eine Deutschprüfung.

Lernen, auch wenn viel zu tun ist: Anissa hat am Montag noch eine Deutschprüfung.

Aber es hat eben auch etwa Entscheidendes in ihrem Auslandssemester in Dortmund gefehlt: Deutschland. „Ich wollte die ganze Zeit Deutsch sprechen und deutsche Studenten treffen“, hatte sie gehofft. Die Realität: Meistens sei sie mit Erasmus-Studenten zusammen gewesen und habe Englisch gesprochen. Und deutsche Freunde seien auch rar: Nur einer ihrer Freunde, die sie in Dortmund kennen gelernt hat, sei Deutscher. Es sei schwierig gewesen, in den Vorlesungen, in denen sie nichts verstanden habe, Kontakte zu knüpfen. In Belgien – so vermutet sie – sei das für ausländische Studenten wohl genauso. Doch Anissa nimmt sich vor, auf ausländische Erasmus-Studenten aktiv zuzugehen, wenn sie wieder in Belgien ist.

Aber erst muss Anissa noch lernen. Und packen. Und umziehen. Besuch erwarten. Und Abschied nehmen.

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