Barbie trägt jetzt Cellulite und Pickel

Große blaue Augen, blondes Haar bis zum Po, Wespentaille und endlos lange Beine – damit verzaubert Barbie junge Mädchen auf der ganzen Welt. Doch für viele ist die Plastik-Puppe mit den Model-Maßen mehr als nur eine Spielkameradin. Mit ihr halten falsche Idealvorstellungen Einzug in die Kinderzimmer. Das soll die neue Normalo-Barbie „Lammily“ jetzt ändern.

Einer Studie zufolge werden pro Sekunde weltweit zwei neue Barbie-Puppen verkauft. Und zwar hauptsächlich an Mädchen zwischen drei und zwölf Jahren. Im Schnitt bekommt ein Mädchen mit drei Jahren seine erste Barbie – die erste von insgesamt sieben. 
Damit ist die Plastik-Puppe von Mattel aus den Kinderzimmern junger Mädchen kaum noch wegzudenken. Dass die Plastik-Blondine für viele junge Mädchen zum Kindheitsvorbild wird, sehen Eltern und Psychologen jedoch kritisch: Barbie verkörpere alles andere als ein reales Vorbild. 

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Aufgrund ihres Kärperbaus wäre Plastik-Blondine als echte Frau nicht lebensfähig. Foto: Mattel.de

Denn wäre Barbie ein Mensch, wäre sie überhaupt nicht lebensfähig. Eine Infografik zeigt, wie surreal Barbies Äußeres eigentlich ist. Mit einem Brustumfang von 99, einen Taillenumfang von 46 und einen Hüftumfang von 84 Zentimetern hätten die lebenswichtigen Organe des Menschen in Barbies Körper keinen Platz. Nicht nur, dass ihr Körperbau sie dazu zwingen würde, sich auf allen Vieren fortzubewegen – mit einer Wespentaille von 46 Zentimetern könnte Barbie nicht einmal richtig atmen. Bei einer Größe von 1,80 Meter und einem Gewicht von 50 Kilogramm läge Barbies Body Mass Index bei 16.24 und wäre damit ein Zeichen für Magersucht.

Und trotzdem gelten Körpermaße wie die von Barbie bei jungen Mädchen als schön. Körpermerkmale wie die sogenannte „thigh gap“, dem Freiraum zwischen den Oberschenkeln beim Stehen mit geschlossenen Beinen,  sind heute Merkmale des perfekten Frauenkörpers. Diese Lücke ist aber meist nur bei sehr schlanken bis dünnen Frauen zu sehen. Für viele junge Mädchen gilt daher: je größer die „thigh gap“, desto schlanker und schöner der Körper. 

Negatives Körpergefühl bei Teenagern

Gesundheitswissenschaftler Jens Bucksch und sein Team der Uni Bielefeld führten eine internationale Vergleichsstudie zum Gesundheitsverhalten von Kindern zwischen 11 und 15 Jahren durch. Die Studie zeigt, dass vor allem Mädchen in diesem Alter besonders unzufrieden mit ihrem eigenen Körper sind. Jedes zweite 15-jährige Mädchen findet sich zu dick – auch wenn sie eigentlich ein normales Körpergewicht hat. Dieses negative Körperbild könne auch gesundheitliche Folgen haben, denn häufig führe es zu ungesunden Ernährungspraktiken sowie Essstörungen.

Magerwahn bei jungen Mädchen
– Vier von fünf 10-Jährigen haben Angst davor, zu dick zu sein.

- 42% der Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren wünschen sich, dünner zu sein.

– Die Hälfte der Mädchen zwischen neun und zehn Jahren geben an, dass sie sich besser fühlen, wenn sie Diät halten. 

– Einer von 10 Schülern zwischen elf und zwölf Jahren hat eine Essstörung.

– 90% der Menschen mit Essstörungen sind Frauen zwischen 12 und 25 Jahren.

– Die Durchschnitts-Amerikanerin ist 1,63 Meter groß und wiegt 52,6 Kilogramm, das Durchschnitts-Model dagegen ist 1,79 Meter groß und wiegt 48,5 Kilogramm.

 

Die neue Barbie „Lammily“ hat die Körpermaße einer durchschnittlichen 19-jährigen Amerikanerin. Foto: Lammily.com

Dass Barbie ein falsches Idealbild verbreitet, glaubt auch der amerikanische Künstler Nickolay Lamm. Ein Grund für ihn, eine realistische Version der klassischen Barbie zu entwerfen. „Lammily“ heißt die „Normalo-Barbie“ mit den typischen Körpermaßen einer 19-jährigen Durchschnitts-Amerikanerin. Statt auf unsichtbaren High-Heels wie ihre Vorgängerin läuft „Lammily“ auf flachem Fuß und kann ihre Beine normal bewegen. Auch ihre Kleidung entspricht eher der einer normalen Jugendlichen: statt Pink und ultra-kurz trägt die „Normalo-Barbie“ Jeans und Sneaker. Und obwohl „Lammily“ aus Plastik ist, hat auch sie mit den leidigen Problemen des Erwachsenwerdens zu kämpfen. Ob Akne, Muttermale, Cellulite oder sogar Tattoos: Mit Stickern können Mädels ihre neue Plastik-Freundin nach eigenen Vorlieben noch realistischer aussehen lassen. 


„So sieht einfach keine Frau aus“

Mit seiner „Lammily“ möchte Lamm einen Gegenpol zur Blondine mit der Wespentaille liefern. „Durchschnittlich ist schön“ lautet die Aussage des Projekts. Denn die klassische Barbie sei alles andere als durchschnittlich – und verfälsche somit das Körperbild junger Mädchen. „So sieht einfach keine Frau aus. Und Millionen Mädchen spielen damit und viele wollen danach etwas werden, was sie schon aus biologischen Gründen gar nicht werden können“, sagte Lamm in einem Interview mit der „Huffington Post“. Das Problem seien also nicht nur magere Models und Hollywood-Sternchen, die junge Mädchen in den Medien sehen. Laut Lamm verkörpere auch Barbie ein Schönheitsideal, das gesundheitlich nicht vertretbar sei. „Wenn wir Models kritisieren, müssen wir auch offen sein für die Möglichkeit, dass auch Barbie einen negativen Einfluss auf junge Mädchen haben kann“, sagte Lamm.

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„Das Schlankheitsideal, nach dem viele Mädchen streben, ist in unserer Gesellschaft überall zu finden: in Film und Fernsehen, in der Werbung und sogar bei Puppen“, so Jens Bucksch. „Natürlich ist die Barbie-Puppe nur ein Spielzeug, aber trotzdem kann sie durchaus eine sozialisierende Wirkung auf junge Mädchen haben.“
 Das zeigt auch eine Studie der American Psychological Association aus dem Jahr 2007. Die Psychologen ließen Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren entweder mit einer klassischen Barbie-Puppe oder mit einer durchschnittlich proportionierten Puppe spielen. Die Mädchen, die mit der klassischen Barbie gespielt hatten, aßen nach den Spielphasen deutlich weniger als die Mädchen, die mit der „Normalo-Barbie“ gespielt hatten. 

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Für „Lammily“ gibt es Pickel, Narben und Tattoos zum Aufkleben. Foto: Lammily.com

Für den Barbie-Hersteller Mattel ist die Kritik jedoch unbegründet. „Mädchen verstehen, dass Barbie eine Puppe ist“, sagte Kimberly Culmone, die führende Barbie-Designerin bei Mattel in einem Interview. Barbie sei bewusst nicht nach den Proportionen eines echten Menschen modelliert. Mit ihrem spindeldürren Körperbau sei sie einfach aus- und wieder anzuziehen und damit perfekt zum Spielen geeignet. Denn schließlich sei Barbie eben nur ein Spielzeug.

Deshalb sieht Mattel auch keinen Grund, eine realistischere Barbie zu entwerfen. Für Lamm völlig unverständlich: „Wenn die kleinste Chance besteht, dass Barbie, die momentan einen negativen Einfluss auf junge Mädchen hat, auch als Durchschnittsamerikanerin gut aussieht, was hindert Mattel daran, sie zu produzieren?““ Er selbst finanzierte die Produktion seiner alternativen Barbie durch Crowdfunding. Und traf mit seiner Idee scheinbar einen Nerv. Denn innerhalb eines Tages kamen die benötigten 95.000 US Dollar Startkapital zusammen. In dieser Woche kommt die „Normalo-Barbie“ nun offiziell auf dem Markt. Mehr als 19.000 Puppen wurden bereits vorbestellt. 

Teaserfoto: Lammily.com

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