Die Stimme der deutschen Literatur schweigt

Günter Grass ist am 13. April gestorben. Foto:  Flickr.com /Das blaue Sofa / Club Bertelsmann

Günter Grass ist am 13. April gestorben. Foto: Flickr.com /Das blaue Sofa / Club Bertelsmann

Günter Grass ist gestorben. Auf diese Nachricht reagierten die französischen Medien unterschiedlich – Pflichtlektüre-Autor Pierre Loevenbrueck hat sich die großen Online-Zeitungen Frankreichs in den Tagen nach Grass‘ Tod genauer angesehen. Ein Medienrückblick  

Im heutigen Frankreich war Günter Grass, der am 13. April gestorben ist, das Gesicht der deutschen Literatur. Geboren 1927 in Danzig, wurde er mit Die Blechtrommel bekannt. Die Verfilmung von Völker Schlöndorff, die 1979 die goldene Palme in Cannes bekommen hat, hat Grass in Frankreich bekannt gemacht. Die Blechtrommel beschreibt das Leben des jungen Oskar Matzeraths während des Dritten Reichs. Die Arbeit von Günter Grass wurde 1999 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Ein umstrittener Autor

Die französische Zeitung Le Figaro erinnerte in einem Artikel daran, dass „die deutsche Geschichte in der gesamten Arbeit von Grass ein zentrales Thema“ sei. Das sei unter anderem spürbar in Katz und Maus (1961), Hundejahre (1965) oder Das Treffen in Telgte (1981). 

Die französische Presse erwähnte auch die Kontroversen, mit denen sich Grass zu Lebzeiten konfrontiert sah. Le Monde nannte den Autor beispielsweise einen „nationalen Dichter mit einem streitlustigen Geist“. L’Obs bezeichnete ihn als einen „Mann, der Deutschland nicht liebte“. Grass habe „nie ein Geheimnis aus seiner Abscheu für seine eigene deutsche Jugend“ gemacht.

Die Jugend war ein schwarzer Punkt im Leben von Grass. Erst 2006 gab der Schriftsteller in seiner Autobiografie Beim Häuten der Zwiebel an, dass er als Freiwilliger für die Waffen-SS gearbeitet hat. Diese Offenbarung brachte ihm scharfe Kritiken ein.

Die Franzosen erinnerten sich auch an Grass‘ Polemik der Wiedervereinigung. Le Figaro schrieb: „Er war völlig gegen die deutsche Wiedervereinigung.“ Günter Grass hat zwei Bücher geschrieben, in denen die Wende Thema ist. In Unterwegs von Deutschland nach Deutschland positioniert er sich gegen Helmut Kohl. In Kritik geriet Grass, als er die DDR als eine „bequeme Diktatur“ bezeichnete. Kurz vor seinem Tod, im Jahr 2012, schrieb Grass außerdem ein israelkritisches Gedicht, das heftig diskutiert wurde. 

Eine engagierte Persönlichkeit

In Frankreich galt Grass oft als eine Stimme Deutschlands. Das lag vor allem daran, dass der Autor immer seine eigene Meinung vertrat und zu ihr stand. Grass war politisch engagiert, denunzierte den Faschismus. Er war für seine Freundschaft mit Willy Brandt bekannt.  Le Monde erinnerte an die „aktive Rolle des Autors während des Wahlkampfes 1969 und 1972. In drei Jahren hielt Grass 94 Reden, um Willy Brandt zu unterstützen“. 1992 hörte der Autor mit der Politik auf.

Doch trotz seines offiziellen Rücktritts verließ Grass die Politik nie richtig. Le Figaro bemerkte, dass er sich zum Beispiel fürdie Umweltschützer der Grünen“ aussprach. 2003 habe er sich gegen die Politik von George Bush und seinem „Kreuzzug“ im Irak geäußert.

Internationale Anerkennung

Der Tod von Günter Grass hat international für große Aufmerksamkeit gesorgt. In Deutschland lobte Angela Merkel den Schriftsteller. Sigmar Gabriel, Mitglied der SPD, sagte: „Er hat unseren Staat verändert. Seine Meinungen waren oft streitbar, sie haben die politische Kultur in Deutschland geprägt, und die Beziehungen zwischen Politik und Kultur verändert“. Lech Walesa, der ehemalige polnische Präsident, sprach von Grass als „großem Intellektuellen, der Danzig wie ich liebte. Wir hatten die gleiche Vision von der Welt, Europa und Polen“.

Die große Anerkennung, die Grass auch nach seinem Tod entgegen gebracht wurde, zeigt, wie umstritten und beliebt der Autor war, und wie viele Menschen auf der Welt ihn als eine Stimme der Deutschen wahrgenommen haben. Diese Stimme schweigt nun für immer.

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