Spotify: Nicht das schwarze Schaf

Der Musik-Streamingdienst Spotify wirbt mit einem neuen Studentenrabatt um junge Kunden: Sie können für unter fünf Euro im Monat ab sofort so viel Musik hören, wie sie wollen. Das dürfte dem Dienst noch mehr Nutzer bescheren, in der Branche ist er hingegen umstritten. Kritiker werfen Spotify vor, die Künstler kaum für ihre Arbeit zu entlohnen. Doch statt Pauschalkritik lohnt ein differenzierterer Blick auf die Rolle des des Dienstes in der Musikindustrie.

SpotifyIn ihrem Song „We are never ever getting back together“ besingt die US-Musikerin Taylor Swift die scheinbar endgültige Trennung nach langer Beziehung. So (oder so ähnlich) könnte es auch geklungen haben, als sich Swift Anfang November vom Musik-Streamingdienst Spotify verabschiedete und alle ihre Alben offline nehmen ließ. Die Künstlerin monierte, Streaming-Anbieter wie Spotify beuteten Musiker aus und machten es ihnen schwer, von ihrer Kunst leben zu können. So wurde Swift zu einer der prominentesten Spotify-Kritikerinnen und entfachte erneut die Diskussion über die Bedeutung von Streamingdiensten für die Musikwelt.

Streaming ist günstig und bequem

Hintergrund sind große Umbrüche in der Musikindustrie. Für die Künstler ist es deutlicher schwieriger geworden, mit der Musik viel Geld zu verdienen. Heute sind ein allgemeiner gesellschaftlicher Wandel hin zu einer Umsonstkultur und die technische Entwicklung durch mobile Endgeräte und Laptops ohne CD-Laufwerk nicht mehr wegzudenken. Besonders junge Leute fragen sich, warum sie viel Geld für ein einziges Album ausgeben sollten, wenn dieses mit nur wenigen Klicks kostenlos im Internet zu finden ist.

Und wieso sollten sie sich die Mühe machen, in einen Laden zu gehen, eine CD zu kaufen, diese zu Hause auf den Computer zu spielen, um sie anschließend auf das Smartphone oder den MP3-Player zu übertragen, nur um dann die Lieblingsmusik auch unterwegs genießen zu können? Dienste wie Spotify ermöglichen es, sich das Album direkt im Bus auf das Smartphone zu laden und dann immer und überall hören zu können.

Musikwelt im Wandel

Genau diese Entwicklungen haben sich die Schweden Daniel Ek und Martin Lorentzon zunutze gemacht. Während sich der skandinavische Musikmarkt Mitte der 2000er Jahre auf dem Tiefpunkt befand, entwickelten sie gemeinsam mit der Musikindustrie das Geschäftsmodell für Spotify. Musikpiraterie hatte die Industrie in die roten Zahlen getrieben und die Plattenverkäufe waren deutlich gesunken. Besonders die junge Zielgruppe hatte das Wertgefühl für die physischen Platten verloren und griff immer häufiger auf illegale Plattformen zurück.

Spotify weltweit

– in 58 Ländern weltweit vertreten (Stand: 2014)

– rund 20 Millionen Songs

– Nutzungsmöglichkeiten:

Spotify Free: kostenlos / Werbeunterbrechungen / bei der mobilen Nutzung entscheidet Spotify, welches Lied aus einer Playlist als nächstes gespielt wird  

Spotify Premium: 9,99€ pro Monat / werbefrei /  volle Offline-Nutzung aller Lieder

Nach zweijähriger Planung ging Spotify im Oktober 2008 an den Start. Seit März 2012 ist der Streaming-Anbieter auch in Deutschland vertreten. Dabei bietet Spotify seinen Usern sowohl eine werbefinanzierte kostenlose also auch eine zahlungspflichtige Nutzung an und entwickelte sich damit zum Weltmarktführer unter den Streaming-Anbietern. 

Gerade das kostenlose Angebot macht Spotify so erfolgreich, die Kostenloskultur ist aber auch Kern der Kritik. Der Vorwurf: Die angebliche Ausbeutung der Künstler. Der Hintergrund: Spotify bezahlt pro Klick, der den Künstlern in aller Regel nur kleinste Centbeträge einbringt.

Der Musiker Gregor McEwan Foto: Max Lewe

Gregor McEwan sieht die Vor- und Nachteile von Spotify. Foto: Max Lewe

Geiz ist geil

Gerade für kleine Künstler lohnt sich das finanziell nicht. Der Berliner Musiker Gregor McEwan steht dem Streamingdienst deshalb eher zwiegespalten gegenüber. „Was beim Künstler da finanziell ankommt, ist ein Riesenwitz“, sagt er. „Ich habe ein gewaltiges Problem mit dieser Flatrate- und Geiz-ist-geil-Mentalität“. Er selbst ist zwar auf der Plattform gelistet, fügt allerdings lachend hinzu, dass er persönlich nie gefragt worden sei, ob er damit überhaupt einverstanden sei. Denn Spotify hat keine direkten Verträge mit den einzelnen Künstlern, sondern handelt diese pauschal mit deren Labels und Lizenzgebern aus.

Trotzdem sieht der Musiker auch die Vorteile für eher unbekannte Künstler. Denn die Streaming-Dienste bieten die Chance, gehört zu werden. „Es ist möglich, dass dich Leute entdecken, die dich sonst niemals gehört hätten“, sagt McEwan. Diese könnten dann wiederum zum Konzertgänger werden, was sich für die Künstler auch wieder finanziell lohnen würde.

Er selbst bleibt allerdings lieber dem klassischen Musikgenuss treu, weil er den Kauf eines physischen Albums auch als Wertschätzung sieht. „Einen Song oder ein ganzes Album fertigzustellen, ist mit einer Menge Arbeit verbunden, die Zeit, Geld und Kraft kostet“, sagt der Sänger. Ein Lieblingsalbum könne einen ein ganzes Leben lang „begleiten, aufbauen, inspirieren oder an etwas erinnern“. Das sei für ihn deutlich mehr wert als ein Klick und ein paar Cent. 

„Streaming is the future“

Laut des Bundesverband Musikindustrie lagen 2013 die Umsätze aus allen in Deutschland vertretenden Streaming-Angeboten bei rund 68 Millionen Euro. Das führte dazu, dass seit 15 Jahren erstmals wieder Wachstum auf dem deutschen Musikmarkt zu beobachten war.  Die Zukunft – das zeigen die Zahlen – dürfte deshalb Diensten wie Spotify gehören, auch weil sie besonders junge Leute im Blick haben.

Alternativen zu Spotify

Napster, eine ehemals illegale Plattform, bietet heute rund 20 Mio. Songs ab 7,95 Euro pro Monat an – auch im Offline-Modus. 

Deezer stellt seinen Nutzern sogar 30 Mio. Songs zur Verfügung. Außerdem können die User eigene Musik importieren und bekommen eine Soundqualität von 320 kb/s. 

Auch Simfy, Amaya, Wimp und andere Plattformen bieten ähnliche Angebote zu teilweise günstigeren Konditionen.

SoundCloud gibt vor allem unabhängigen Künstlern die Möglichkeit, ihre Musik hochzuladen. Für die User ist die Nutzung kostenlos und auch ohne Registrierung möglich. 

Apple plant die App Beats Music in iTunes zu integrieren Und YouTube kündigte mit Music Key ebenfalls eine Streaming-App an. Diese funktioniert ähnlich wie ein YouTube ohne Werbeeinblendungen und soll auch offline funktionieren. Wann die Dienste allerdings nach Deutschland kommen, ist noch unklar. 

„Deutscher Rap und Hip-Hop Künstler, die auf unserer Plattform gelistet sind, sprechen besonders unsere junge Zielgruppe an“, sagt Marcel Grobe von Spotify Deutschland. Dies sei besonders an den jeweiligen Klickzahlen zu sehen. „Künstler wie Alligatoah, Kollegah, die 257ers und alles aus dem EDM-Bereich (Anm. d. Red.: Elektronik Dance Music) gehen bei uns durch die Decke“, so Grobe. Das Unternehmen bezweifelt, dass gerade diese Zielgruppe bei Wegfall des Streaming-Angebots den legalen Musikvertrieben treu bliebe. Dieser Meinung schließt sich auch Adele-Manger Jonathan Dickens an. Auf der Web Summit Conference in Dublin sagte er kürzlich: „Streaming is the future whether people like it or not“.

Die Labels sind in der Verantwortung

Zumal es unfair wäre, dem Streamingdienst allein den Schwarzen Peter zuzuschieben. Denn Spotify zahlt sehr wohl eine Menge Geld an die Musikindustrie (seit Unternehmensgründung rund zwei Milliarden Euro), hat aber nur einen indirekten Einfluss darauf, wie viel Geld letztklich bei den Künstlern ankommt. Das Unternehmen handelt die Rahmenverträge mit den Labels aus – wie viel davon dann weiter zu den Musikern fließt, liegt eher in der Hand der Labels. U2-Sänger Bono stärkte den Streamingdiensten deshalb auf der Konferenz in Dublin den Rücken. „Spotify are giving up 70% of all their revenues to rights owners“, sagte er. „It’s just that people don’t know where the money is because the record labels haven’t been transparent“.

Durch die Entwicklungen in Gesellschaft und Technik stellt sich längst nicht mehr die Frage, ob Streaming grundsätzlich schlecht ist, sondern eher, wie es ermöglicht werden kann, Künstlern eine faire Bezahlung zu ermöglichen. Denn dass die Nutzer durchaus bereit dazu sind, auch weiterhin Geld für die Musik auszugeben, zeigen die Zahlen von Spotify Premium. Weltweit nutzen rund 12,5 Millionen Menschen das Payment-Angebot des schwedischen Streaming-Dientstes. Dabei zahlt jeder User im Jahr 120 Euro an Spotify. Und das ist deutlich mehr als das, was bislang durchschnittlich pro Jahr und Person für Musik ausgegeben wurde.

Teaserbild: Joel G. Goodman/flickr | Bild oben: Björn Olsson/flickr

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