Studieren mit Kind – zwischen Spielplatz und Seminaren

Das Kind mit in die Vorlesung zu nehmen ist oft problematisch. Nur wenige Dozenten habe Verständnis.

Das Kind mit in die Vorlesung zu nehmen ist oft problematisch. Nur wenige Dozenten habe Verständnis.

An den Unis im Ruhrgebiet ist die „Krabbelburg“ in Essen die einzige, die sich allein aus einer Elterninitiative heraus und ohne Angestellte über Wasser hält. Keinen Cent müssen die Eltern hier zahlen, dafür müssen sie aber wie bei anderen Elterninitiativ-Betreuungen selbst mit anpacken, nur mit dem Unterschied, dass in der Krabbelburg die Eltern nicht nur kleine Dienste mitgestalten, sondern die Betreuung komplett alleine übernehmen – und zwar genau so viele Stunden lang, wie ihr eigenes Kind von anderen Eltern betreut wird. Ähnlich ist es auch bei den „Uni-Zwergen““ in Bochum. Vier Tage in der Woche ist Jonas dort untergebracht. Donnerstags passt Sara dafür zwei Stunden auf die Kinder der „Uni-Zwerge“ auf.
Saskia hat bis heute keinen Kita-Platz für ihren Sohn bekommen. Sie hat eine Tagesmutter, die vier Tage in der Woche auf Joel aufpasst. Dafür muss sie 18 Euro bezahlen, den Rest übernimmt das Essener Jugendamt.

Babytausch in den Seminarpausen

Sebastian Amen, geht einen anderen Weg. Der 25-jährige Vater passt auf seinen dreijährigen Sohn auf, während seine Freundin Vorlesungen besucht, Umgekehrt genauso. „Wir treffen uns oft zwei-, dreimal täglich zwischen den Vorlesungen und geben das Kind dem anderen“, sagt Sebastian. Das wird aber zusätzlich erschwert: Sebastian studiert an der RUB, seine Freundin an der FH Bochum. Mit einem Kind ist das typische Studentenleben vorbei. „Mit Partyleben ist nicht mehr viel. Und auch Freunde müssen sich darauf einstellen, dass man nun sehr stark gebunden ist“, sagt Sebastian. Auch Saskia merkt die Veränderung. Im Freundeskreis sei sie nicht mehr so präsent. „Aber die wirklich wichtigen Freunde sind mir geblieben.“ Am Anfang hatte die Studentin große Probleme, sich mit ihrer neuen Situation abzufinden. „Ich hatte eine Phase, in der ich kurz davor war aufzugeben“, sagt sie heute.

Junge Eltern sind oft relaxter

Petra Rudolph, psychologische Beraterin aus Duisburg, führt diese Überforderung auf die instabile Situation vieler Studenten zurück. Eine generelle Einordnung könne sie aber nicht geben: „Natürlich gibt es die, die sowohl Studium und Kind auf eine Reihe kriegen.“ Trotzdem rät sie, erst dann ein Kind zu bekommen, „wenn man in einer festen Beziehung lebt und gutes Geld verdient“. Rudolph spricht aus eigener Erfahrung. Kurz nach dem Abschluss ihres Informatik-Studiums wurde sie schwanger und ließ das Kind abtreiben. „Ich wäre damals überfordert gewesen. Und darunter hätte mein Kind gelitten.“

Bessere Berufschancen?

Zum Lernen oder Hausarbeiten schreiben ist erst Zeit, wenn das Kind schläft.

Zum Lernen oder Hausarbeiten schreiben ist erst Zeit, wenn das Kind schläft.

Auch Jürgen Wittpoth möchte keine generellen Aussagen treffen. Doch der Professor im Bereich der Erwachsenenbildung an der RUB sieht einen Vorteil: „Kinder wachsen, wenn man sie während der Studienzeit bekommt, unter entspannteren Bedingungen auf: Wenn Eltern mit Mitte 30 Kinder bekommen, also nach dem Studium, wird es zunehmend schwieriger.“ Viele Erzieher sind davon überzeugt, dass eine junge Mutter auch oft eine bessere Mutter ist. „Ich merke, dass viele junge Eltern, die ihr Kind nicht geplant hatten, viel relaxter und entspannter mit ihren Kinder umgehen und nicht so hohe Erwartungen an sie haben wie ältere, die ihr Leben und auch ihre Kinder genau durchgeplant haben“, sagt Claudia Spärlich, Gruppenleiterin der Kinderwerkstatt Bochum. Saskia erkennt einen weiteren Vorteil: „Ich glaube, dass ich im Beruf später bessere Chancen habe. Schließlich ist Joel dann schon aus dem Gröbsten heraus.“

Denn trotz Kind ist eine Karriere immer noch möglich. Die Gleichstellungsbeauftragte der TU Dortmund meint, dass „eine Mutter nicht auf das Kind aufpassen und mit der linken Hand gleichzeitig an der Karriere feilen“ kann. Daher sei eine gute Betreuung wichtig. Man müsse Kind und Karriere gut miteinander verzahnen. „Aber ein Kind ist erst dann ein Karriereknick, wenn die Mutter zu lange aus der wissenschaftlichen Arbeit raus ist“, sagt Ute Zimmermann. Ein Jahr Babypause sei das Maximum.

Skepsis: Karriere und Kind miteinander vereinbar?

Obwohl der Berufsein- oder wiedereinstieg für Frauen mit Kind noch immer schwierig ist, unterstützen viele Unternehmen Eltern darin, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen und machen meist keinen Unterschied zwischen Absolventen mit oder ohne Kind. „Wir helfen unseren Mitarbeitern sogar, Beruf und Familie zu vereinbaren“, sagt Barbara Müller, Pressesprecherin der Evonik Industries AG. Das Unternehmen stellt Betreuungsplätze in konzerneigenen Kitas zur Verfügung und hilft bei der Vermittlung von Tagesmüttern und Babysittern. Für Nobert Sander, Geschäftsführer der BZR Bürozentrum GmbH Dortmund ist es kein Nachteil, wenn jemand schon ein Kind hat. „Ich sehe Frauen mit Kind und Frauen ohne Kind im Einstellungsverfahren als gleichwertig an. Entscheidend für eine Einstellung ist für unser Unternehmen immer noch die Qualifikation und die Persönlichkeit des Menschen.“

„Ich habe gelernt, effizienter zu arbeiten“

Ingo Lenzing, studentische Hilfskraft Career Service Bochum, sieht es skeptischer, Kind und Karriere zu vereinbaren. Karriere bedeutet für ihn, möglichst schnell möglichst viel zu erreichen. „Dann denkt man Firma, ist Firma und atmet Firma“, sagt Lenzing. Eine Sieben-Tage-Woche sei da keine Seltenheit. In Deutschland fehlen seiner Meinung nach aber Möglichkeiten, die Kinder flexibel unterzubringen. Obwohl die Geburtenrate rückläufig sind, solle man genau da investieren. Trotz der verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge und der Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen würden sich Sara, Saskia und Sebastian immer wieder für ein Kind während des Studiums entscheiden. Sie sind jetzt viel organisierter. Sara: „Ich habe gelernt, effizienter zu arbeiten. Ich teile mir meine Zeit zum Studieren jetzt viel besser ein als vor dem Kind.“

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Text: Susann Eberlein, Marylen Reschop, Martina Vogt und Sophie Mono

Fotos: Anna-Lena Wagner, Anna-Maria Kramer, Florian Hückelheim, Nils Bickenbach, Thomas Terhorst, Tobias Fülbeck

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