Können wir Weihnachten dieses Jahr abschaffen?

Duell am Donnerstag

Es riecht danach, es schmeckt danach und es klingt danach – seit zwei Monaten hat uns Weihnachten mit all seinen Facetten voll im Griff.  Für manche ist es das lang ersehnte Highlight des Jahres, für andere fühlt es sich nur wie der stressige Endspurt des Kalendertage an. Warum nicht mal was Neues wagen und Weihnachten abschaffen?

PRO CONTRA
Menschen brauchen Rituale. Sie geben unserem Alltag Struktur und erfinden einen Sinn dafür, tagtäglich aufzustehen. Weihnachten ist eines dieser Rituale. Sobald die ersten Weihnachtsmänner in den Supermärkten stehen, soll man dem Fest der Feste entgegenfiebern. Die Folge: Es riecht, es schmeckt und es klingt nach Weihnachten. Das ist gut. Aber es bleibt nicht dabei. Denn Weihnachten ist auch das Fest, das für Konsumrausch, für Familienkonflikte, für Völlerei und sozialen Stress steht. Aber eins nach dem Anderen:

Kaufrausch: Schenken um zu schenken

Emsig zieht der Otto-Normalverbraucher in der Adventszeit über die ohnehin überfüllten Weihnachtsmärkte und durch die Kaufhäuser, um für jeden noch so verwandten und bekannten ein Geschenk zu ergattern. Weihnachten und Geschenke gehören für viele einfach zusammen. Allerdings geht es nicht darum, was verschenkt wird, sondern das überhaupt etwas verschenkt wird. Denn es herrscht eine soziale Norm: Du bekommst Geschenke, also musst du auch schenken – ob du willst oder nicht.

Familienkonflikte sind vorprogrammiert

Zu keiner Zeit im Jahr muss Familie so gut funktionieren, wie an den Festtagen. Denn Weihnachten ist das Fest der Liebe. Und wenn die schon im Rest des Jahres verloren gegangen ist, dann solle man sie doch bitte an drei Tagen vorm Tannenbaum ausleben. Einmal Einigkeit und Heiterkeit für das Familienalbum bitte. Funktioniert nicht? Wie sollte es auch? Wenn an 362 Tagen im Jahr das Gegenteil gelebt wird, dann kann es zu Weihnachten nicht anders sein.

Völlerei mit Alkohol erträglicher

Über Weihnachten wieder ein paar Kilo zugenommen? Macht nichts. Das gehört dazu. Denn Essen verbindet ja. Also wird Jahr für Jahr das ganze Fress-Programm durchgezogen: Einen Tag Gans, einen Tag Kaninchen und einen Tag Wild. Dazu gibt es massenhaft Plätzchen und Stollen – und natürlich Alkohol. Der macht zumindest den überfüllten Magen vergessen und die Völlerei erträglich.

Man muss kein Christ sein, um all das zu kritisieren und auch ich bin keiner. Es reicht schon aus, sich an einem Samstagnachmittag mit Menschenverstand in die Fußgängerzone zu stellen um zu erkennen: Weihnachten ist kein Ritual mehr, um in sich zu kehren oder sich zu besinnen. Der Zweck des Festes ist entgleist. Wir müssen Weihnachten deshalb abschaffen, um es neu zu erfinden.

Nein, wir brauchen Weihnachten. Aus christlicher Sicht ist der Brauch des Weihnachtsfestes ein Zeichen für Hoffnung – und so ein Zeichen können wir alle, egal wie gläubig, gebrauchen. Zwischen Terrorwarnungen, Finanzkrise und Alltagsstress tut es der menschlichen Psyche gut, die Hoffnung nicht zu verlieren. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt nicht aufgeben zu müssen.

Lieber mit Familie als alleine

Darum will doch Weihnachten niemand einsam sein, feiert lieber mit allen Freunden und Verwandten ein chaotisches Christmas inklusive verkokeltem Braten und Tannenbau in Flammen, als alleine vor der Krippe mit der heiligen Familie zu hocken. Das ist der Wunsch nach Geborgenheit zum Fest der Liebe.

Hätte Weihnachten nicht diese tiefere, hoffnungsvolle Bedeutung, würden wir das Fest doch schon lange nicht mehr feiern. Die kommerzielle Gesellschaft hätte eben einfach ein anderes Fest erfunden, um die Verkaufszahlen am Jahresende noch einmal anzukurbeln.

Abseits von Konsum und Kitsch

Aber abseits von Konsum und Kitsch hat sogar das Schenken eine tiefere Bedeutung. Die heiligen drei Könige wertschätzten Jesu Geburt mit dem Überreichen von Weihrauch, Myrre und Gold. Weihnachten erinnert uns daran, dass wir die, die uns wichtig sind, wertschätzen sollten. Dafür steht doch die Geste des Schenkens.
Dabei geht es nicht um die Bedeutung eines gekauften Geschenks mit Glitter und Geldwert. Es bedeutet, neben der Wertschätzung für den Anderen, auch das Sich-einander-Zeit-schenken: Zeit beim Weihnachtsessen, Zeit unterm Weihnachtsbaum, Zeit zum Glühweintrinken, Zeit miteinander zu Reden, zu Schweigen, zu Lachen und zu Weinen. Zeit für Geborgenheit zum Fest der Liebe.

Und genau das brauchen wir: Weihnachten als Erinnerungsfunktion an die Hoffnung, das Wertschätzen und das Zusammensein. Nicht, weil wir sonst zwischen Dauerstress und Nachlässigkeit, das alles vergessen würden. Auch nicht, weil wir uns wahrscheinlich kaum Zeit dafür nehmen würden. Sondern einfach, weil das die eigentliche Botschaft von Weihnachten ist. Und so eine Botschaft muss man doch feiern!

1 Comment

  • Steffen Meyer sagt:

    „Wer mit Freude Weihnachten feiert, sich über Weihnachtsferien freut, das gute Abendessen genießt, sich drei Tage lang von einem proppenvollen TV-Programm verwöhnen lässt, wer die Winterzeit dazu nutzt, sich Zeit für seine Lieben zu nehmen oder auch etwas Gutes zu tun oder sich ethischen Fragen zu widmen, der soll das tun und sich damit wohlfühlen, ohne sich in ein christliches Korsett zwingen zu lassen.“

    Das finde ich ganz schön zu dem Thema. Stammt aus diesem Text:
    http://hpd.de/node/10922

    via F!XMBR (http://www.fixmbr.de/zu-guter-letzt-13/)

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