Ein Plastikröhrchen, eine Toilette und der Auftrag: Geben Sie doch bitte mal eine Stuhlprobe ab. Wenn Patienten an ungewöhnlich starkem Durchfall leiden, muss der Arzt den Kot untersuchen lassen. Diese Aufgabe klingt ziemlich ekelig. Wer arbeitet schon freiwillig mit stinkenden Proben und sieht sich die ganze Scheiße an?
Dr. Angela Helmer ist Fachärztin für Mikrobiologie und arbeitet seit rund drei Jahren im Labor der Medizinischen Laboratorien Düsseldorf. Allein in diesem Jahr hat sie mit ihrem Team schon ca. 400 Liter Stuhl analysiert, das sind ungefähr 40 herkömmliche Eimer voll. Dass ihr Arbeitsalltag irgendwann mal damit gefüllt ist, menschlichen Kot zu untersuchen, hätte sie damals nicht gedacht. „Ich wollte immer im Bereich der Infektionskrankheiten arbeiten. Erreger, Keime und Bakterien fand ich sehr interessant“, berichtet Helmer.
Eine stinkige Angelegenheit
Um diese unerwünschten Eindringlinge bei Patienten zu identifizieren, gehören Stuhlproben nunmal dazu. Im Labor analysiert die Mikrobiologin auch andere Körpersekrete wie Urin oder Blut, aber Kot sei da schon am ekeligsten: Es stinke. Und zwar gewaltig. Auch für Angela Helmer war diese Geruchspenetration erst mal komisch. „Ich musste mich zu Anfang schon überwinden, mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.“
Ihr „Arbeitsmaterial“ kommt in kleinen Röhrchen ins Labor. Je nach Erkrankung und zugeführter Nahrung des Patienten variieren Konsistenz und Farbe der Proben. Ein fast durchsichtiger Kot weise beispielsweise auf massiven Durchfall und starken Wasserverlust beim Patienten hin. „Das deutet in der Regel auf die Krankheit Cholera hin. Diese Diagnose kam während meiner Amtszeit allerdings noch nicht vor“, so Helmer. Rein von der Optik kann Helmer nicht direkt sagen, was in der Stuhlprobe enthalten ist. Beispielsweise könne eine fast schwarze Färbung auf Blut im Magen oder lediglich auf den vorherigen Verzehr von Blaubeeren hinweisen.
[metaslider id=184092]Was die Forscher in einer Stuhlprobe finden können, ist sehr unterschiedlich. Neben den unverdaulichen Nahrungsresten befindet sich in unserem Kot noch mehr: abgebautes Blut, Zellen aus dem Darm, Wasser, Fett und eine Vielzahl von Mikroorganismen. All diese kleinen Lebewesen gehören dort auch hin – kein Grund zur Beunruhigung. Schmerzhaft und gefährlich ist es, wenn sich dort unerwünschte Fremdlinge einnisten. Das können Toxine von Bakterien, Viren, Amöben und auch Mehrzeller wie Würmer sein.
Tief in der Scheiße
Auch Frank Hünger vom Klinikum Dortmund sucht täglich nach unerwünschten Mikroorganismen im Kot der Patienten. Als Oberarzt hat er einiges erlebt und – im wahrsten Sinne des Wortes – auch schon tief in der Scheiße gesteckt. „Das war irgendwann Anfang der 90er, als ich noch im Tropeninstitut in Hamburg gearbeitet habe“, beginnt Hünger. Dort wurde bei einem Patienten AIDS prognostiziert. Damals galt AIDS noch als „alleinige“ Krankheit und nicht – wie man heute weiß – als Folgeerkrankung, die das Immunsystem stark schwächt. Die Ärzte vermuteten daher, dass sich der Parasit Mikrosporidium in seinem Körper eingenistet habe – und den sollte Hünger in der Stuhlprobe finden, auf eine gewisse Anzahl vermehren und fachgerecht analysieren.
Wir haben damals Literweise dünnflüssigen Durchfall durchsucht. Ich musste auf den Balkon gehen, weil es so abartig gerochen hat.
Leider gab es dabei ein Problem: Mikrosporidien sind sturr und lassen sich nicht anzüchten und vermehren. Deshalb musste Hünger seine erwünschte Probenmenge auf andere Weise auftreiben. „Wir haben Literweise dünnflüssigen Durchfall durchsucht, um genug Mikrosporidien für die Analyse zu finden“, berichtet Hünger. Bei dem Gedanken an den Geruch verzieht er das Gesicht und fügt hinzu, dass das nur auf dem Balkon möglich war, denn es habe so abartig gestunken.
Auf die Frage, wie er eine Stuhlprobe bearbeitet, hat Hünger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Stuhlprobe nicht gleich eine Stuhlprobe ist. Die 10 Milliliter Stuhl, die pro Patient in seinem Labor eingereicht werden, werden mit unterschiedlichen Methoden untersucht. Je nach Prognose gibt es ein besonderes Verfahren.
Achtung, Risiko!
Kotforscher zu sein, ist nicht nur unangenehm für die Nase, sondern auch wirklich gefährlich. Jede Stuhlprobe kann Erreger enthalten, die fäkal vom Stuhl oral übertragbar sind. Da ist das Infektionsrisiko für die Forscher immer geben, sich beispielsweise mit dem Novovirus oder Hepatitis A anzustecken. „Klar kann es mal vorkommen, dass man sich während der Arbeit unbewusst ins Gesicht fasst“, erzählt Helmer. Deshalb wird Hygiene im Labor sehr groß geschrieben: Lieber einmal mehr die Hände desinfizieren und die Handschuhe wechseln. Außerdem wird jede Stuhlprobe nach einer Woche nach strengen Regeln entsorgt.
Mit voller Hingabe
Obwohl der Beruf als Mikrobiologe unmittelbar mit menschlichen Fäkalien zu tun hat und auch noch eine gewisse Ansteckungsgefahr mit sich bringt, hält Hünger ihn für den interessantesten der Medizin. „Mikrobiologie ist der Bereich in der Medizin, der sich mit Infektionskrankheiten wie HIV oder der Pest beschäftigt“, schwärmt Hünger. Für ihn gibt es kein anderes Themengebiet, welches unsere Kultur und Gesellschaft so stark prägt wie Infektionserkrankungen. „Wir haben heute noch Schützenvereine, das waren damals die Pestbruderschaften.“
Bei solch einer Hingabe und Motivation ist der Ekelfaktor der Stuhlproben den Forschern egal. Denn wie es im Leben so ist – man gewöhnt sich an alles. Nach jahrelanger Kotanalyse haben die Forscher Helmer und Hünger den nötigen Abstand zu den Proben, die sie untersuchen. Hünger sagt lachend: „Zum Glück mache ich mir keine Gedanken darüber, wie der Kot in die Dose gekommen ist und wo die Stuhlprobe herkommt …“