Duell: Abzocke oder Abschreckung beim Blitzermarathon?

Duell Feyza-Hannah

Für einen Autofahrer gibt es wohl nichts ärgerlicheres als geblitzt zu werden. Für 10 km/h zu viel ist man direkt 15 Euro los, dabei hat man nur kurz nicht auf den Tacho geschaut. Polizei und Ordnungsamt wollen damit nach eigener Aussage „die Köpfe“ der Leute erreichen und nicht die Portemonnaies. Doch ist Geldstrafe für zu schnelles Fahren tatsächlich sinnvoll oder am Ende doch reine Abzocke? Feyza Bicakci und Hannah Schmidt, zwei Durchschnittsautofahrerinnen, haben dazu unterschiedliche Meinungen

Als Abschreckung sinnvoll

findet Feyza Bicakci

Ein bundesweiter Blitzmarathon steht mal wieder an und aus jeder Ecke hört man die Leute nörgeln. Das würde ja eh nichts bringen und das Ganze sei ohnehin nur Abzocke. Doch warum? Warum wird es als Abzocke bezeichnet, wenn jemand sich nicht an die Regeln hält, in diesem Fall an die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung, und dafür seine gerechte Strafe bekommt?

Allein in NRW starben im letzten Jahr 520 Menschen bei Verkehrsunfällen, Raserei ist immer noch der Hauptgrund für Verkehrstote. Doch zu viele handeln immer noch verantwortungslos und fahren an gefährlichen Stellen viel zu schnell.

Da ist es doch gut, wenn solche Leute einen Denkzettel verpasst bekommen oder nicht? Bei dem einen oder anderen wird sich dadurch sicherlich die Angst einschleichen, mit zu hoher Geschwindigkeit erwischt zu werden. Wer zahlt schon gerne eine hohe Geldstrafe oder gibt seinen Führerschein ab?

Keine Abzocke – nur gerechte Strafen für Raser

Und wenn die Stadt an den Rasern verdient – warum nicht? Es ist nur gerechtfertigt, dass die Stadt an denen verdient, die andere durch ihr Verhalten gefährden und Vorschriften missachten. Kein Mitleid mit Verkehrssündern!

Dass nicht das ganze Jahr über so intensiv wie am Tag des Blitzmarathons kontrolliert wird, bedeutet außerdem noch lange nicht, dass eben dieser Tag nur zur Abzocke dient. Es sollte selbstverständlich sein, dass man den Begrenzungen entsprechend fährt.

Gut, an dem Konzept könnte man noch feilen, vielleicht ist es wirklich nicht so sinnvoll, vorher bekannt zu geben, wo kontrolliert wird. Es scheint aber noch genügend Leute zu geben, die darauf reinfallen. Das zeigt auch die Entwicklung des Blitzmarathons: nach Empfehlung des Innenministers findet er mittlerweile bundesweit statt und nicht nur in einzelnen Bundesländern. Auch einige andere europäische Länder, wie Belgien, Luxemburg oder die Niederlande, machen mit.

Nicht vergessen um was es dabei geht!

Das Wichtigste an der ganzen Sache? Es bringt Aufmerksamkeit. Nicht nur am Tag des Marathons wird darüber diskutiert, sondern auch davor und danach. Und wenn das dafür sorgt, dass manche sich Gedanken über ihr Verhalten machen, ist das schon einmal der erste Schritt in die richtige Richtung. Denn solange die Stadt oder das Land nicht dafür sorgen kann, dass bei der Allgemeinheit ein Umdenken stattfindet, ist es nur fair, Verkehrssünder zu jagen.

24 Stunden, in denen sich Fahrer an die Regeln halten und niemanden gefährden, sind immerhin 24 Stunden, in denen die Fahrer sich an Regeln halten und niemanden gefährden! Das ist besser als nichts und schaden kann es ja nicht. Und wenn manche immer noch so blöd sind darauf reinzufallen – selbst Schuld!

Geldstrafen sind die falsche Maßnahme

findet Hannah Schmidt

Eine typische Szene von der B1: Kaum ist der fiese Standblitzer Richtung Dortmund brav mit 50 km/h passiert, wird wieder Gas gegeben, auf 60 oder 65 km/h beschleunigt, damit man es bei Grün noch über die nächste Ampel schafft. Jeder, der die Strecke öfter fährt, wird sich genau das angewöhnt haben. Hämisches Grinsen gibt es nur über Ortsfremde, die die wohl berühmteste Standblitze Dortmunds nicht kennen und erwischt werden. Folge: 15 Euro weniger im Portemonnaie und die Lehre fürs nächste Mal – zumindest an dieser Stelle.

Tempo 50 – genau 200 Meter lang

Tatsächlich hat die Installation dieses Geräts zumindest bei Ortskundigen dazu geführt, dass knappe 200 Meter lang genau 50 gefahren wird. Ähnlich der Effekt der neu angebrachten 24 (!) Blitzer auf der Rheinbrücke bei Köln: einen Kilometer lang Tempo 60 für alle, die Bescheid wissen.

Nimmt man an, dass es sich bei den Blitzgeräten um pädagogische Maßnahmen handeln soll, ist damit das Ziel definitiv nicht erreicht. Hier schreibt die wohl am häufigsten geblitzte Autofahrerin Dortmunds und spricht aus Erfahrung: Nein, ich habe nicht moralisch daraus gelernt. Was ich stattdessen gelernt habe? 10 oder 20 km/h zu schnell fahren kostet zwischen 15 und 35 Euro – wenn man erwischt wird. Was ich auch gelernt habe? Erwischt wird man höchstens einmal in drei Monaten. Und: unter 20 km/h zu viel gibt es keine Punkte.

Kaum Blitzer in kleinen Straßen

Tatsächlich habe ich für mich festgestellt, dass Polizei und Ordnungsamt – ob mobil oder mit fest installierten Geräten – nicht etwa nur an Stellen warten, an denen zu schnelles Fahren tatsächlich eine konkrete Gefahr darstellt: Denn in diesen Straßen fährt fast keiner zu schnell. So weit denkt ein Fahrzeugführer nämlich schon: eng, dunkel, unübersichtlich – Bremse.

Es wird sich nicht in eine ruhige und schmale Nebenstraße gestellt, die kaum befahren wird, in der aber viele Familien mit kleinen Kindern wohnen, und langsames Fahren unabdingbar ist.

Nein – Polizei und Ordnungsamt nehmen sich vielbefahrene, breite, gut übersichtliche Straßen vor, auf denen aufgrund genau dieser Straßenverhältnisse möglichst viele Leute in der Regel minimal zu schnell unterwegs sind. Beispiel? B1, Hohe Straße, Wall, Flughafenstraße, Westfaliastraße, Ruhrallee, OWIIIa, Märkische Straße … Hier geht es nicht darum, Autofahrer zu besseren Menschen zu erziehen, die auf einer breiten und übersichtlichen Straße haargenau 50 fahren, weil sie so autoritätshörig sind. Hier geht es darum, möglichst viele Fahrer ‚auf frischer Tat‘ zu ertappen – um an das Bußgeld zu kommen.

Keiner lernt moralisch aus 15 Euro Strafe

Anders sieht es aus, wenn – wie beim letzten Blitzermarathon – beispielsweise Schulkinder dazugeholt werden, die der Polizei sagen, an welchen Straßen sie vor zu schnellen Autos Angst haben. Ein regelmäßiger, fest installierter Blitzer mit Warnschild davor würde an dieser Stelle immerhin dazu führen, dass 200 bis 1000 Meter lang genau 50 oder 30 gefahren würde. Aber ein temporärer Blitzermarathon an finanziell besonders ergiebigen Straßen? Das ist reine Abzocke.

Moralisch gelernt wird nicht aus 15, 35 oder 135 Euro Strafe und einem schadenfrohen Blick für zu schnelles Fahren, und das gebe ich ganz offen zu: Ich als Durchschnittsautofahrerin werde dadurch nicht zur Musterbürgerin. Egal wie oft ich geblitzt werde. Denn mein Portemonnaie hat faktisch nichts mit meinem Gaspedal zu tun. Da wird völlig aneinander vorbei geredet. Alle 90 Tage eine zufällige und willkürliche Geldstrafe ist definitiv die falsche Maßnahme.

Um ein Zitat von Henry David Thoreau etwas abzuwandeln: Polizei und Ordnungsamt, die Geldstrafen für zu schnelles Fahren verhängen, erinnern an „kleine Jungen, die, weil sie eine Wut auf jemanden haben, aber nicht an ihn herankönnen, dessen Hund misshandeln.“

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, D. Moßbrucker. Montage: Pietsch/Schweigmann.
Teaserfoto: Foto: Tim Reckmann  / pixelio.de

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