Kommentar: Klartext gegen Diskriminierung

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Ein Mann droht, seine Frau und seine Kinder zu erstechen. Eine von vielen Negativschlagzeilen, die beim Durchblättern der Zeitung zu finden sind. Die Überschrift lautet „Pole drohte, Frau und Kinder zu erstechen“. Im Artikel selbst wird erneut zwei Mal betont, dass die Tat von einem Polen ausgeht. Was hat diese Morddrohung mit seiner Herkunft zu tun?

Es ist eine Frage, die ich mir bei solchen Nachrichten immer wieder stelle. Sollte bei einem Verbrechen die Herkunft bzw. der Migrationshintergrund des Täters genannt werden? Bei dem genannten Beispiel ist es nicht unwahrscheinlich, dass dadurch Vorurteile geschürt werden. Für mich impliziert schon allein die Überschrift, dass Polen gewalttätiger seien als Deutsche. Wäre der Täter ein Deutscher gewesen, hätte die Überschrift wohl kaum gelautet: „Deutscher drohte, Frau und Kinder zu erstechen“. Grundsätzlich stehen bei diesem Problem drei Optionen offen: Entweder der Autor nennt die Herkunft gar nicht. Oder er geht nach der Richtlinie 12.1 des Pressekodex

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Die dritte Option: Die Redakteure nennen die Herkunft immer; egal, ob es sich um einen Deutschen oder einen Ausländer handelt. Das ist seit diesem Sommer ein Projekt der Sächsischen Zeitung. 

Im Artikel „Fakten gegen Gerüchte“ begründet Oliver Reinhard, Kulturredakteur bei der Sächsischen Zeitung, diese Entscheidung: „Ein wichtiges Motiv für unsere Entscheidung waren […] Erkenntnisse aus der Abonnentenbefragung vom Frühjahr. Obwohl die SZ die Täterherkunft bisher eher selten nannte – meist nur, wenn sie in direktem Zusammenhang mit der Tat stand –, schätzen viele Leser die Zahl krimineller Flüchtlinge in Sachsen erheblich höher ein, als sie ist. Dieses Überschätzen von Ausländerkriminalität ist bundesweit ein gravierendes Problem, denn es kann rassistische Vorurteile befördern.“ 

Gleiches Recht für alle

Ich persönlich finde die Entscheidung, die Herkunft immer zu nennen, ist die beste Option. Zum einen wirkt es dem Selbstverständnis entgegen, dass die Nennung der Herkunft nur relevant ist, wenn es sich um einen Migrationshintergrund handelt. Es gilt das Motto „Gleiches Recht für alle“. Zum anderen verschweigt man keine relevanten Informationen. „Gerade das Nichtnennen der Nationalität von Straftätern und Verdächtigen kann Raum für Gerüchte schaffen […]“, betont der Kulturredakteur der Sächsischen Zeitung. Es gibt zudem genug Fälle, in denen die Straftat einen Bezug zur Herkunft des Täters hat. Zum Beispiel, wenn sich zwei Personen gegenseitig angreifen, auf Grund ethnischer Differenzen. Meiner Meinung nach ist dabei aber ein Punkt ganz ausschlaggebend: Wie und wo nennt man diese Information? Man sollte Pauschalisierungen vermeiden und die Herkunft als eine Art Zusatzinformation sehen. Besteht jedoch der „begründbare Sachbezug“ – also ein klarer Zusammenhang mit der Tat – sollte diesem Aspekt natürlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nur stellt sich mir die Frage, wann genau ein solcher Sachbezug besteht. Wo ist die Grenze?

In jedem Volk gibt es Straftäter

Das berühmteste Beispiel ist wohl die Silvesternacht in Köln. In den Medien war immer wieder von Migranten die Rede. Immerhin sei ihre Kultur anders als unsere, sodass ihr Frauenbild sich von unserem unterscheide. Aber was ist mit den drei Deutschen, die mitgemacht haben? Äußerungen wie „Sex-Attacken von Migranten“ sind dann einfach schlichtweg falsch und meiner Meinung nach zu pauschalisierend. In jedem Volk gibt es Straftäter. Egal, ob Deutscher, Syrer, Franzose oder auch Hawaiianer. Die Kriminalität kennt kein Geschlecht, keine Religion, keine Hautfarbe und keine ethnische Zugehörigkeit.

Es gibt auf der anderen Seite auch genug Medien, die ganz im Sinne des Pressekodex handeln. Martin Busch, Chefredakteur von Radio 91.2, erklärt, wie das bei ihnen gehandhabt wird: „Wir nennen in der Kriminalitätsberichterstattung die Herkunft des Täters, wenn sie Teil der Geschichte ist. Das gilt übrigens für Täter und Opfer gleichermaßen. Die bis vor wenigen Jahren noch sehr gängige Praxis, die Nationalität oder ethnische Herkunft des Täters grundsätzlich nicht zu nennen, weil das stigmatisiert, ist inzwischen überholt. Ob es um osteuropäische Einbrecherbanden, marokkanische Drogendealer oder syrische Sprengstoffattentäter geht, in all diesen Fällen hat die Herkunft mit der Tat natürlich sehr viel zu tun.“ 

Für mich bleibt die Idee der Sächsischen Zeitung dennoch die beste Option. Selbstverständlich gibt es auch hier Contra-Argumente: Es wird genug Rezipienten geben, denen die Täter mit Migrationshintergrund dennoch öfter ins Auge fallen werden als deutsche Täter. Aber jemand, der Vorurteile hat, wird immer nach deren Bestätigung suchen. Egal, ob ich die Herkunft nenne oder nicht.

Das denken Studierende der TU Dortmund darüber:

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„Ich würde die Herkunft nur nennen, wenn ein Bezug zur Tat besteht. Ansonsten ist es für mich unnötige Hetzerei.“

– Marvin Mundt

 

 

 

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„Wenn schon, denn schon. Ich finde es am besten, wenn man die Nationalität immer nennt.“ 

– Kilian Zake

 

 

 

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„Man sollte die Nationalität gar nicht nennen. Es gibt genau so viele deutsche Kriminelle wie auch ausländische. Man kann den Bezug auch ohne das Nennen der Herkunft erklären.“

– Karoline Holwe 

 

 

Beitragsbild: Flickr / Nicholas Boos, lizensiert nach Creative Commons

Fotos: Aurora Lushtaku