Nordkorea: Im Netz der Lügen

Bild 03_MBUSIN_Meine Schwestern © Kundschafter Filmproduktion GmbH

Regisseurin Sung-Hyung Cho (auf dem Foto rechts) ist Deutsche geworden, um nach Nordkorea einreisen zu können. In ihrem neuen Film reist sie auf den Spuren ihrer Kindheit durch ein diktatorisch regiertes Land – und will die Menschen hinter der grauen Mauer kennenlernen. Das gelingt ihr nur zum Teil.

Am Anfang liegt er vor ihr, der neue Pass. In Hessen wohnt die gebürtige Südkoreanerin Sung-Hyung Cho schon lange. Um aber für ihren neuen Film nach Nordkorea einreisen zu können, musste sie auch Deutsche werden. Denn wenn eine Südkoreanerin ohne die Erlaubnis der südkoreanischen Regierung nach Nordkorea einreist, kann sie davon ausgehen, bei der Rückkehr am Flughafen in Seoul verhaftet zu werden – als Staatsverräterin. 

Auf der koreanischen Halbinsel sind der eiserne Vorhang und der kalte Krieg noch allgegenwärtig. Zum ersten Mal überhaupt ist es einer Südkoreanerin jetzt gelungen, einen Film im Land jenseits der Grenze zu drehen. Was wir von diesem Land zu sehen bekommen, das ist eigentlich immer das Gleiche. Militärparaden mit Panzern und Raketen, Kriegsdrohungen und nicht zuletzt die drei Generationen der brutalen Kim-Diktatoren. Sung-Hyung Cho möchte nun hinter diese Fassade blicken. Und die Menschen treffen. Sie macht sich auf die Reise durch ein abgeschottetes Land, oder wie sie es ausdrückt, durch „ein unverstandenes Land“. 

Die Regisseurin hat keine Scheu, sich selbst zu inszenieren

„Ein lächelnder Nordkoreaner passt nicht in unser Bild“, sagt Sung-Hyung Cho und möchte das Gegenteil zeigen. So trifft sie einen Ingenieur, eine Soldatin, eine Gruppe Näherinnen. Den Ingenieur begleitet sie bei seiner Arbeit im Schwimmbad, die Soldatin besucht sie zu Hause, mit der Näherin trifft sie sich in der Kleiderfabrik. An allen drei Orten herrscht strikte Disziplin, im Schwimmbad seien Bikinis tabu, zuhause gehorche man der Mutter, in der Fabrik wird sich in der Pause der Körper mit Gymnastik fit gehalten.

Das zumindest erzählen die Protagonist*innen der Regisseurin, die keine Scheu hat, auch selbst vor der Kamera zu stehen. Sie erzählen ihr aber noch viel mehr. Und geben auch scheinbar Privates preis. „Ich möchte noch mehr arbeiten, um unserem General noch besser dienen zu können“, sagt etwa Näherin Ri Gum Hyang. „Aha“, sagt Sung-Hyung Cho, und nickt verständnisvoll mit dem Kopf.

Spätestens jetzt wird dem Zuschauer klar, dass irgendetwas nicht stimmen kann mit diesem Film. Ja, vielleicht sogar mit diesem Volk. Und in der Tat ist es kein Film wie jeder andere. Denn alle Protagonist*innen des Films haben eine Sache gemeinsam. Sie sind keine Zufallsbekanntschaften, sondern wurden vom Regime ausgewählt. 

Am Ende bleibt der Zuschauer ein kleines bisschen verloren zurück

Die Regisseurin selbst geht neutral an die Persönlichkeiten heran und lässt sie einfach erzählen: Geschichten aus einem abgeschotteten Land. Aber eben auch Geschichten aus der Feder des diktatorischen Staates. Und der weiß genau, wie die Zuschauer das Land sehen sollen: Als Land mit Tradition und Fortschritt. Als Land der Glücklichen und Erfolgreichen. Und als friedliches Land, das sich nichts sehnlicher wünscht als eine Wiedervereinigung mit dem Süden. 

Sung-Hyung Cho kommentiert dieses Bild nicht. Sie gibt es an die Zuschauer weiter, ungefiltert.  Ob sie das bewusst tut, das wird nicht ganz klar. Und so entsteht der Verdacht, dass sie sich ein klein wenig im Netz der staatlichen Filmemacher verheddert. Da sie das Geschehen nicht einordnet, fehlt es dem Film an einer klaren Botschaft. Und so bleibt der Zuschauer trotz außergewöhnlicher Eindrücke doch ein kleines bisschen verloren zurück. In dieser Welt eines totalitären Staates, hinter der grauen Mauer aus Illusionen.

„Meine Brüder und Schwestern im Norden“ läuft am Donnerstag (14. Juli) im Kino an. In Dortmund ist der Film im sweetSixteen-Kino im Depot zu sehen, in Bochum zeigt das Kino Endstation im Bahnhof Langendeer den Streifen.

Beitragsbilder: Kundschafter Filmproduktion

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