Plötzlich Waffenlieferant

Es ist einer der sensibelsten Bereiche im Außenhandel – illegal und doch keine Seltenheit: Immer wieder tauchen Fotos auf, die Geräte deutscher Hersteller in Forschungs- und Produktionseinrichtungen für Massenvernichtungswaffen im Ausland zeigen, beispielsweise in Nordkorea, im Iran oder Pakistan. Denn all diese Länder streben danach, eine Atommacht zu sein. Technisch sind diese Länder jedoch oft nicht in der Lage, hochtechnisierte Bauteile für nukleare Anlagen selbst herzustellen. Deswegen müssen sie anderswo einkaufen. 

Das Prinzip heißt Proliferation: Um seine dunklen Absichten zu verschleiern, gründet der Iran beispielsweise ein Unternehmen in der Türkei. Über die Berge ist das Land gut zu erreichen, die Transportwege sind übersichtlich. Für andere Länder ist ein türkisches Unternehmen unauffällig: Mit der Türkei handeln deutsche Unternehmen fast jeden Tag.

Ein mögliches Beispiel: Über ein solches Subunternehmen getarnt nimmt das iranische Atomprogramm Kontakt mit Firmen in Deutschland auf. Die Hintermänner geben sich als Kunden aus, die in der Türkei beispielsweise ein Industrieunternehmen gründen möchte. Begehrt sind ganz normale Produkte, die erst kritisch werden, wenn sie in falsche Hände geraten. „Fast jedes Produkt kann sehr schnell kritisch werden“, sagt Roland Kussel von der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund. „Wir haben einen der größten Pumpenhersteller in der Region, solche Teile werden üblicherweise in Industrieanlagen verwendet. Aber auch in einer Förderanlage für Uran könnte man beispielsweise Pumpen verbauen.“ Begehrt sind neben Pumpen zum Beispiel auch Vakuumtechnik und Messgeräte.

Pumpen kommen beispielsweise in Gebäuden und Schwimmbädern zum Einsatz. Bestimmte Modelle könnten aber auch in Nuklearanlagen verwendet werden – ohne, dass der Hersteller davon weiß. Foto: Nikolas Golsch

Verdächtige Anfragen nehmen zu

Der Handel mit Industrieteilen für illegale Zwecke ist natürlich verboten. Deswegen müssen ausländische Staaten sich tarnen und Handel auf Schleichwegen betreiben. Ein Schattengeschäft, in dessen Fokus auch NRW steht: 2015 gab es laut Verfassungsschutz 141 Versuche, illegal an Technik zu kommen. Eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr: Damals waren es nur etwas mehr als halb so viele Versuche.

Landet eine solche Anfrage im Maileingang eines Unternehmens, sieht die auf den ersten Blick ganz normal aus. Dennoch gibt es Merkmale, die Unternehmen verdächtig stimmen sollten. Denn oft machten Staaten wie der Iran dumme Fehler, sagt Jörg Rademacher vom Verfassungsschutz NRW: „Wenn aus einer G-Mail-Adresse zum Beispiel ein Millionenauftrag angefragt wird, liegt der Verdacht schon nahe, dass da etwas verschleiert werden soll.“ Verdächtig können aber auch ungenaue, widersprüchliche oder fehlende Angaben zum Verwendungszweck sein. „Es ist auch schon vorgekommen, dass ein Unternehmen Geräte bestellen wollte, die gegen Wüstensand abgedichtet sind. Diese Anfrage kam aber angeblich von einem Unternehmen aus Norwegen“, sagt IHK-Mann Kussel. 

In 90 Prozent der Fälle keine Ware ausgeliefert

Doch auch wenn auf den ersten Blick alles passt, müssen Unternehmen genauer hinzuschauen und die Anfragen grundsätzlich zu prüfen. Das müsse gar nicht schwer sein, sagt Roland Kussel: „Natürlich muss ich sorgsam fragen, mit wem gehe ich in der Türkei um. Wer hat diese Anfrage gemacht? Ist das ein Unternehmen? Es reicht ja schon im Internet zu schauen, wer dahintersteckt.“

Denn oft existieren die Unternehmen, die bei deutschen Firmen kritische Produkte anfragen, dort gar nicht. „Das ist bei einem Unternehmen, das mehrere Millionen Euro ausgeben will, schon verdächtig.“ Der Verfassungsschutz beobachtet den Markt und führt auf Sanktionslisten kritische Unternehmen auf. „Größere Firmen können heute schon Softwareprogramme schalten, die automatisch, wenn im Unternehmen ein Kunden-Name eingegeben wird, im Hintergrund prüfen, ob der irgendwo auf Sanktionslisten genannt ist“, sagt er. Und Unternehmen tun gut daran, selbst aktiv zu werden – denn ansonsten drohen sensible Haftstrafen für die Verantwortlichen. 

Beispiel Iran: Über Schattengeschäfte versucht das iranische Atomprogramm an Waren aus Deutschland zu kommen. Dazu fungiert ein Unternehmen in der Türkei als getarnter Handelspartner (rot eingefärbt). Grafik: Nikolas Golsch erstellt mit Piktochart

Der Verfassungsschutz überwacht den Markt mit sensiblen Produkten und warnt Unternehmen gezielt, wenn er Verdacht schöpft. Ein System, das zu funktionieren scheint: 2015 wurde in 90 Prozent aller Fälle keine Ware ausgeliefert. Eine gewisse Unsicherheit bleibt aber bestehen – in zehn Prozent der Fälle scheinen die Pläne von Staaten wie dem Iran oder Nordkorea aufzugehen, Warnungen kamen zu spät.

Beitragsfoto: Nicolas Raymond/flickr; lizenziert nach Creative Commons

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