Ein Preis für den leeren Stuhl

Für seinen Mut sowie sein Geschick und für die Aufdeckung „des beispiellosen Ausmaßes an staatlicher Überwachung“ wurde Edward Snowden mit dem Ehrenpreis des schwedischen Right Livelihood Awards, dem Preis für die richtige Lebensweise, ausgezeichnet. Bei der Verleihung in Stockholm war Snowden gegenwärtig, obwohl er persönlich gar nicht da sein konnte.

Ob Preisträger aus früheren Jahren, einige hochdotierte Stifter oder Freunde des Right Livelihood Award – alle folgen gebannt den Worten des wohl bekanntesten Preisträgers dieses Jahres. Er ist schwer zu verstehen, doch was er sagt, hat es in sich.

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Per Videoschaltung hält Snowden seine Dankesrede. Fotos: Christopher Stolz

„Ich lebe nun bereits seit eineinhalb Jahren im Exil und leider wird sich dieser Zustand in naher Zukunft nicht ändern lassen – aber die Sache ist es wert.“ Nachdem alle Preisträger des diesjährigen „Alternativen Nobelpreis“ ihre Urkunde in Empfang genommen haben, bleibt ein Stuhl weiter unbesetzt.

Präsent wie selten

Trotzdem erheben sich restlos alle Anwesenden im schwedischen Reichstag von ihren Sitzen und spenden minutenlangen Applaus, als Gastgeber Jakob von Uexküll diesen letzten Preisträger präsentiert. Für den Mann, der dort oben an der Leinwand live zugeschaltet ist, gibt es keine Möglichkeit vor Ort zu sein. Doch trotzdem ist Edward Snowden so präsent wie sonst selten.

Der Amerikaner, der seit seiner Enthüllung der NSA-Machenschaften in den USA wegen Hochverrat angeklagt ist und aus diesem Grund Asyl in Russland aufsuchen musste, spricht offen über sein Idealbild der Welt und über die Ziele, die hinter seiner Aufdeckung stecken.

Die richtigen Worte

Die Menschen, so Snowden müssten selbst entscheiden können „in welcher Gesellschaft sie leben wollen, welche Regierung sie haben wollen und wie die Welt aussehen soll, die sie für kommende Generationen hinterlassen.“ Der Whistleblower wird sehr tiefgründig, er stoppt immer wieder und sucht nach den richtigen Worten für das, was in seinem Kopf schwirrt. Es wird deutlich, wie sehr ihn alles das, was er über sein Wirken sowie die NSA weiß und zu erzählen versucht, noch immer beschäftigt.

Seit über 18 Monaten lebt Snowden in Russland, ist geflohen vor Prozess und Gefängnisstrafe in den USA. Aber frei ist er

Der Vater von Edward Snowden hat den Preis für seinen Sohn entgegengenommen. Foto: Christopher Stolz

Der Vater von Edward Snowden hat den Preis für seinen Sohn entgegengenommen.

nicht, sondern eingesperrt in ein Hotelzimmer, dessen genauer Standort unbekannt ist. Snowden dürfe nicht vor die Tür, „weil das Risiko eines tätlichen Übergriffs viel zu hoch ist“, erklärt sein Vater Lon Snowden, der den Award stellvertretend in Empfang nimmt.

Vater bleibt zuversichtlich

„Ich habe meinen Sohn seit langer Zeit nicht mehr gesehen, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich das in Kürze ändern wird. Vielleicht wird es in einem halben Jahr sein, vielleicht auch später“, so Lon Snowden. Trotz all der Verzweiflung, trotz der schwierigen Situation, in der der eigene Sohn steckt, zeigt sich der Vater zuversichtlich: „Mein Sohn ist stark genug, um diese Zeit schadlos zu überstehen.“

Edward Snowden spricht mit entschlossener Stimme, fast zehn Minuten dauert seine Rede, die er mit einem Appell abschließt: „Es ist nicht entscheidend, wo die Behörden agieren (NSA, Anm. d. Red.), wo deren Technologie angewendet wird oder welches Land entscheidet, dass unsere Rechte verletzt werden dürfen – Leute wie ich setzen sich für Freiheit ein. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Staaten einfach nehmen, was sie wollen.“

Stehende Ovationen

Erneut hält es niemanden im historischen Plenarsaal auf seiner Bank. Die Momentaufnahme dieses Mannes an der Leinwand, dem ein breites Lachen im Gesicht steht, gepaart mit den stehenden Ovationen, erzeugt bei einigen seiner Weggefährten sichtbar Gänsehaut. Als die Leinwand sich kurze Zeit später wieder weiß färbt, starren sie auf diesen einen leeren Stuhl, den nur eine Urkunde ziert und bleiben gedankenverloren stehen.

„Wir hoffen“, bricht Stiftungsgründer Jakob von Uexküll die Stille, „dass wir den Preis persönlich überreichen können. Früher oder später werden wir das möglich machen.“ Der schwedische Staat stehe dem zurzeit noch im Wege. Es bestehe ein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten.

Im Hintergrund

Wurde mit Edward Snowden gemeinsam ausgezeichnet: Alan Rusbridger. Foto: Christopher Stolz

Wurde mit Edward Snowden gemeinsam ausgezeichnet: Alan Rusbridger.

Zusammen mit Snowden wird Alan Rusbridger, Chefredakteur von „The Guardian“, mit dem „Alternativen Nobelpreis“ geehrt. Er hatte über die Enthüllung exklusiv berichtet. „Snowden hat dem Journalismus vertraut“, sagt er.

Dass mit Basil Fernando, Bill McKibben und Asma Jahangir weitere Personen in ihrer Rolle als Menschenrechtler und Umweltschützer mit dem „Alternativen Nobelpreis“ ausgezeichnet wurden, rückt, so scheint es, an diesem Abend unbeabsichtigt in den Hintergrund. In Erinnerung bleiben vor allem Snowdens Worte: „Ich hoffe, wir alle begreifen, dass dies nur der Anfang war, es ist noch so viel zu tun. Doch zusammen schaffen wir das.“ Und dabei zeigt sich, dass die Einen ihn als großen Helden feiern, auch wenn – oder gerade weil – Andere in ihm nur den Verräter sehen.

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