Duell: Pyrotechnik im Stadion legalisieren?

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Feuer frei? Wer in den vergangenen Wochen Fußball geschaut hat, kam um ein Thema nicht herum: Pyrotechnik im Stadion. Die Debatte schwelte schon länger vor sich hin und kocht momentan wieder hoch. Nach Annäherungsversuchen mit der Ultraszene brach der DFB die Gespräche ab. Die Frage, ob Pyrotechnik im Stadion legalisiert werden sollte, entzweit Fußball-Deutschland und auch unsere Redakteure Emmanuel Schneider und Paul Crone.

PRO
CONTRA

“Ich persönlich habe nix gegen Pyro, aber dann sollte man es auch anständig entsorgen.“ – Mit diesem Satz löste ZDF-Kommentator Oliver Schmidt eine mittelgroße Lawine aus, und brachte es damit auf den Punkt: Es geht um den verantwortungsvollen Umgang mit Pyrotechnik im Stadion, nicht um eine generelle Legalisierung. Eines vorweg: Hier soll nicht Pyrotechnik beim Fußball verharmlost werden. Eben weil die Leuchtfeuer potenziell sehr gefährlich sind, macht eine Legalisierung nur mit klaren Regeln und Auflagen Sinn.

„Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“

Was bisher geschah: Seit einigen Jahren ist Pyrotechnik in deutschen Stadien verboten, doch illegal wird weiter gezündelt. Vor ungefähr einem Jahr gründete sich die vereinsübergreifende Kampagne „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“, der ungefähr 150 Ultragruppen angehören. In diesem Sommer schien es einen Durchbruch zu geben: Die Ultras versprachen, die ersten drei Spieltage und die erste Pokalrunde auf das Zündeln zu verzichten, dafür wurden ihnen wohl seitens DFB und DFL versprochen, lokale Pilotprojekte mit Pyrotechnik initiieren zu dürfen. Nach den Vorfällen rund ums Pokalspiel in Dortmund gab es nun eine definitive Absage für Pyrotechnik. Die Unterstützer der Kampagne fühlen sich „verarscht“ und in ihren Vorurteilen gegenüber DFB/DFL bestätigt. Dadurch verpasste der DFB die Chance, differenziert mit dem Thema umzugehen und spielt stattdessen den radikalen Fans in die Karten.

Regelungen bringen mehr Sicherheit

Der DFB ließ verlauten, in den Stadien gebe es keinen rechtsfreien Raum. Das muss wie Hohn in den Ohren der Kampagnenunterstützer klingen. Denn was sie fordern, ist alles andere als ein rechtsfreier Raum. Es geht darum, lokal durch Absprachen mit Verein, Feuerwehr, Ordnungsamt und Polizei Pyrotechnik geordnet einzusetzen. Die Leuchtfeuer sollen in einem eigens eingerichteten Sicherheitsbereich in der ersten Reihe abgebrannt werden dürfen, zum Löschen stehen Sandfässer bereit. Das würde die Lage deutlich entspannen: Die Fans würden im dichtgedrängten Block nicht zugequalmt und die Situation sicherer. Denn bisher verstecken sich die Fans mit Pyros in der Hand meist mitten in der Menge und gefährden so Andere.

Keine Knallkörper und Geschosse

Der Einsatz von Pyrotechnik hat auch überhaupt nichts mit Rauchbomben, Knallkörpern, Laserpointern und Leuchtspurengeschossen zu tun. Die Unterstützer der Kampagne lehnen diese Dinge strikt ab.
Die Rede ist auch nicht von einer allgemeinen Regelung, sondern von lokalen Projekten in Absprache mit den Behörden. Von einigen Seiten heißt es, dass eine rechtliche Grundlage für die Legalisierung fehle. Nach Angaben der Kampagne gibt es sowohl positive Rechtsgutachten ihrerseits, als auch vom ehemaligen DFB-Sicherheitsbeauftragten Helmut Spahn. Der DFB zog laut aktuellen Medienberichten offensichtlich eine Erlaubnis ernsthaft in Erwägung. Zudem dürfte es auch möglich sein, die juristische Verantwortung an die Ultras abzugeben.

Ja, Pyrotechnik ist gefährlich. Das zeigen die schrecklichen Vorfälle in Bochum vor zwei Jahren oder erst kürzlich in Rom. Gefährlich wird es oft, weil illegale Pyros benutzt werden. Deshalb setzt sich die Kampagne setzt sich für den Gebrauch von zertifizierter Pyrotechnik ein, die nicht gefährlicher als so manches Silvesterfeuerwerk ist.
Kritiker sagen, dass das Abbrennen von Bengalos der Vorbildfunktion gegenüber Kinder entgegenstehe. Doch zeugt der Wunsch nach abgesicherten, geregelten Pyro-Aktionen nicht von Verantwortungsbewusstsein?

Lokale Pilotprojekte

Es wäre zumindest den Versuch wert, lokale Pilotprojekte zu testen, statt immer nur auf härtere Strafverfolgung zu setzen. Denn wozu diese Kriminalisierung führen kann, zeigte sich vor wenigen Wochen im Hannoveraner Fanblock. Auf einen „berechtigten Verdacht“ hin ging die Polizei in den Block, um nach Pyros zu suchen. Dabei kam auch Pfefferspray zum Einsatz. Die ernüchternde Bilanz: 36 Verletzte, gefundene Pyromaterialien: Null.


Der DFB hat richtig reagiert, als er die Gespräche über die Legalisierung von Pyrotechnik beendet hat. Warum? Allein das Pokal-Spiel von Dortmund gegen Dresden reicht als Erklärung.Böller fliegen in den Innenraum, auf der Tribüne brennen die Bengalo-Fackeln, Fans versuchen massiv ins Spielgeschehen einzugreifen. Mehrfach muss die Begegnung unterbrochen werden. Die Sicherheit der übrigen Zuschauer ist nicht mehr gewährleistet.Insgesamt 150.000 Euro Sachschaden verursachten die Randalierer allein beim Dortmunder Pokalspiel und prügelten sich mit der Polizei. Das Nachspiel: Bundesweites Unverständnis der Fans darüber, dass der DFB die rotleuchtenden Lichter, die doch eigentlich ganz schön aussehen, nun doch nicht in den Stadien haben will.Pyrotechnik nicht gleich RandaleVorrangig ist natürlich die Randale das Problem, nicht die Pyrotechnik an sich. Es ist auch klar, dass Randale und Pyrotechnik nicht das Gleiche sind. Die Befürworter fordern „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“. Die Stadionfeuer seien ein wichtiger Bestandteil der Atmosphäre. Das versuchten sie auch dem DFB zu erklären.Einerseits verständlich, andererseits auch wieder nicht. In keinster Weise nachvollziehbar ist der Standpunkt, so häufig wie beängstigende Bilder wie die vom Pokalspiel gegen Dresden über unsere Bildschirme flimmern. Ansonsten könnte ja auch Randale gleich als ausgelebte Emotion interpretiert werden: Wenn mein Team verliert, muss ich meine „Emotionen“ damit ausdrücken, die Einrichtung zu zerstören. Oder eben die ach so schön anzusehenden Feuerwerke auf den Rasen zu werfen. Die Sicherheit Unbeteiligter darf diesem Gefühlsausbruch aber bitte auch nicht entgegenstehen.Keine Kontrolle möglich

Letztlich hilft auch der Ruf nach einer Möglichkeit, die Bengalos kontrolliert abzubrennen, herzlich wenig. Er verkennt die Lage. Denn auch die kontrollierten Leuchtfeuer heizen nicht nur die Stimmung zusätzlich an, sondern können in der aufgeladenen Atmosphäre eines Derbys schnell zweckentfremdet werden. Passiert ist das schon häufig, gerechnet werden muss damit auch immer. Wofür sonst gibt es die Einstufung spezieller Begegnungen als „Hochrisikospiele“?

Hoffnungen lösten sich in Rauch auf

Außerdem haben letztlich die Randalierer dafür gesorgt, dass der DFB die Annäherungsgespräche für gescheitert erklärt hat. Die Hoffnungen, die sich die Pyro-Bewegung gemacht hat, lösten sich in Rauch auf, nur ist jetzt der DFB der Buhmann.

Die Befürworter vergessen dabei nur, dass ihre eigenen Fan-Kollegen Schuld am endgültigen Verbot haben. Der Verband reagiert nur auf die kriegsähnlichen Bilder, mit denen die Pyrotechnik zwangsläufig in Verbindung gebracht wird. Es ist zu befürchten, dass sich auch durch das Verbot nichts ändert. Denn so heißt es auf der Homepage der Legalisierungskampagne: „Wir lieben die Pyrotechnik, so wie wir unsere Zaunfahnen, Choreographien, Gesänge lieben. Und: wir werden sie uns nicht nehmen lassen.“ Ergo: Weiter gezündelt wird trotzdem, völlig egal ob der DFB seinen Segen dazu gibt. Das macht es nicht ungefährlicher.

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Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Patzwald, Teaserfoto: Screenshot: Do1