Lernstörungen durch Stress im Studium

Diplom-Psychologe Berthold Iserloh

Diplom-Psychologe Berthold Iserloh empfiehlt Auszeiten. Foto: Stefanie Brüning

Schnell noch das Referat fertig machen, und die Hausarbeit für morgen fertig tippen, ein paar Aufgaben lösen oder 50 Seiten lesen – die Nacht wird kurz, der Tag an der Uni lang. Vielleicht gar nicht erst hingehen? Wenn doch bloß nicht alles wieder auf den letzen Drücker wäre!

Wer diese Situation gut kennt, den überraschen auch die Forschungsergebnisse von Psychologin Prof. Karin Schleider und  Diplom-Pädagogin Marion Güntert wenig. Da heißt es, dass jeder fünfte Student Lern- und Arbeitsstörungen habe.

Diese äußern sich durch “Ausweichen und Aufschieben von Arbeitsaufträgen“ sowie “Konzentrationsschwächen“. Auslöser sind oft Notendruck, Schlafmangel und Mehrbelastung durch Jobben neben dem Studium. Auch gaben die befragten 736 Studenten überfüllte Hörsäle, unklare Leistungsanforderungen und mangelnde didaktische Kompetenzen der Lehrenden als Probleme an.

Das Thema Lern- und Arbeitsstörungen bei Studenten sei noch kaum erforscht, schreiben die beiden Wissenschaftlerinnen; geschweige denn, dass es schon gute Lösungsansätze für die Problematik gäbe. Ihre Studie bringe nur erste Erkenntnisse der Ursachen. Doch woher kommt die Dauerüberlastung, über die so viele Studenten klagen?

Alles wird schneller und „dynaxisch“

“Das kommt daher, dass unsere Arbeit und unser Erleben immer dynaxischer werden“, sagt der Dortmunder Diplom- Psychologe Berthold Iserloh vom Lehrstuhl für Organisationspsychologie.  Dynaxisch – das ist eine Wortmischung aus dynamisch und komplex. „Durch Anzahl, Vielartigkeit und Vernetzung von Elementen werden die Dinge immer komplexer“, erklärt der Psychologe. Einfacher gesagt: „Wenn ich als Kind mit meiner Mutter einkaufen ging, und sie sagte: Berthold, such dir einen Joghurt aus, dann gab es nur die Möglichkeiten Erdbeere oder Kirsche“, erzählt er. Wenn er heute mit seinen Kindern in den Supermarkt gehe, gäbe es dagegen riesige Regalreihen voller verschiedener Sorten, die alle anders aussehen, und oft auch noch verschiedene Geschmacksrichtungen kombinieren.

Immer mehr Anforderungen hat der Mensch zeitlich zu erfassen, die Ansprüche werden höher und „im Prinzip überfordert es den Einzelnen“, so Berthold Iserloh. So geht es auch Studenten im Bachelor/Master-Studium. „Je klarer die Struktur, desto eher finden wir uns zurecht“, sagt der Psychologe. Wenn die Studienordnung ständig verändert werde, bedeutet das also zusätzlichen Stress. Besser wird es nach seiner Meinung erst, wenn die Bachelor-Ordnung nicht bloß verändert, sondern “ausgekämmt“ und vereinfacht werde.

Bis dahin empfiehlt er den Studenten, sich zwischendurch Auszeiten zu nehmen, sich zu für Leistungen zu belohnen und zu entspannen. Wie das bei Anwesenheitspflicht, Arbeit neben dem Studium und Prüfungsstress möglich ist, müsse jeder Einzelne für sich lösen, räumt Berthold Iserloh ein; möglicherweise auch durch Verzicht auf Hobbies oder durch Extra-Semester. Langfristig hofft er jedoch darauf, dass das Universitätsstudium in Zukunft an Lebensqualität gewinnt, denn nur wer Spaß an seinem Studium hat, werde auch gut darin.

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