Ein Beitrag von Nora Sonnabend
Marktbuden, der Duft gebrannter Mandeln und Kerzen, Lichterketten und dazu eine Menge Menschen unterwegs. Mancher mag’s – andere finden das gewöhnungsbedürftig: Alle Jahre wieder bricht in der Innenstadt die Hölle los. Wenn sich Menschen voll bepackt mit schweren Tüten gestresst durch die Straßen schieben, man an jeder Ecke über Abfall vom Weihnachtsmarkt stolpert und im Kaufhaus von Parfüm-Duft, „Last Christmas“ und Heizungsluft umhüllt wird – dann möchte man sich manchmal einfach nur wieder umdrehen und mit leeren Händen heimkehren.
Aber was, wenn man gerade auf der Suche nach einem guten Buch ist? Sei es als Geschenk oder für sich selbst, zur kalten Jahreszeit gehören gute Schmöker. Und wenn man ein Buch nicht enttäuscht nach den ersten Seiten wieder weglegen möchte, dann sollte man sich vielleicht eines empfehlen lassen. Aber in einer der großen Buchhandelsketten der Innenstadt? Da mag nicht recht Stimmung aufkommen. Außerdem liegen da bloß die Bücher der Bestseller-Listen aus. Es geht doch nichts über eine persönliche Buchempfehlung. Also sollte man lieber in eine kleine, persönliche Buchhandlung gehen. Eine wie die Buchhandlung „Anton Reiser“ im Dortmunder Kreuzviertel, nahe der Möllerbrücke. Auf der kleinen Beurhausstraße tummeln sich einige kleine Geschäfte: Da gibt es „andere Mode“, „Geschenke auch für Männer“, einen „concept store“ namens „fraukeller“, ein Atelier-Geschäft – und daneben eben die Buchhandlung „Anton Reiser“. Es ist ein gemütliches Geschäft. Das Schaufenster ist braun eingerahmt, betritt man den Laden, möchte man sich gleich setzen und schmökern. Der Schwabe Ulrich Rieder führt diese Buchhandlung gemeinsam mit seiner Frau Silke Reichelt bereits seit gut elf Jahren.
Persönliche Beratung
„Wir sehen uns hauptsächlich als Stadtteilbuchhandlung mit klarem Bezug zum Viertel hier. Im Gegensatz zu großen Ketten haben wir vor allem Stammkunden, die uns über die Jahre quasi begleitet haben. Deren Lesegeschmack haben wir über Jahre kennen gelernt“, so Rieder. Er liebt und lebt den Buchhandel: „Das ist so der Zauber unserer Arbeit, dass man einen sehr persönlichen Bezug zu den Kunden hat.“ Fragt man Ulrich Rieder also nach einem persönlichen Buchtipp, fällt ihm eine Antwort nicht schwer:
Buchtipp Nummer 1:
Ulrich Rieder, Buchhandlung „Anton Reiser“, Kleine Beurhausstraße 5:
„Mein Tipp ist ein Buch aus einer ganzen Reihe, der Autor heißt Edward St. Aubyn. Es gibt eine ganz berühmte Patrick Melrose- Trilogie. Es steckt in dieser Figur relativ viel Tragisches. Es gibt eine Missbrauchsgeschichte, die den Protagonisten prägt. Der letzte Band spielt an einem Tag, und zwar auf der Beerdigung seiner Mutter. Das Buch hat so einen richtig schönen, schwarzen, deftigen Humor – typisch britisch. Was er brillant macht, ist die Adelswelt zu beschreiben, also dieses aufgesetzte blasierte, dekadente Getue der Figuren wird unglaublich gut dargestellt.“
Edward St. Aubyn: „Zu guter letzt“, Piper Verlag, 17,99 Euro
Die Buchhandlung Taranta Babu
Nur ein paar Gehminuten entfernt befindet sich eine weitere kleinere Buchhandlung: „Taranta Babu“. Sie ist Teil des Kulturvereins „zur Förderung der interkulturellen Lesekultur und Medienkompetenz e. V.“. Kaffeehaus-Atmosphäre statt verstaubter Regale: Das Konzept funktioniert schon seit 1979. Fast alle Mitarbeiter arbeiten hier vollkommen ehrenamtlich.
Betritt man den Laden, hat man das Gefühl in einem Hinterhof gelandet zu sein: Gepflasterter Boden, eine Palme im Raum, aber auch Sessel und kleine Bücherregale. Gleich rechts landet man im Café. Links: Der Buchladen. Hassan Sahin, auch Mit-Begründer des Projekts, arbeitet bei Taranta Babu. Er weiß um den Reiz des Geschäftes: „Ich finde immer noch sehr, sehr wichtig, kleine, gemütliche Räume zu schaffen: Für alle, die abseits von Konsumdenken Orte suchen. Um ein Glas Tee zu trinken, mit einem guten Buch oder eine Zeitung. Ruhig sitzen, lesen, sich kennen lernen.“ Auch wenn der Buchladen wegen des türkischen Dichters Nazim Hikmet „Taranta Babu“ heißt, gibt es hier nicht nur türkische oder abendländische Literatur: Das Angebot ist breit gefächert. Nazim Hikmet war ein Aktivist, der aus dem Gefängnis Briefe an Taranta Babu schrieb – eine äthiopische Freiheitskämpferin aus den 1930er Jahren. Helmut Weiss arbeitet hier auch schon seit zwanzig Jahren. „Auch wenn ich zwischendurch immer mal woanders gelebt habe.“ Es hat ihn immer wieder zu Taranta Babu zurück gezogen.
Sein Tipp für die kalte Jahreszeit:
Buchtipp Nummer 2:
Helmut Weiss, Buchhandlung „Taranta Babu“, Humboldtstraße 44:
„Spinnewipp“, so erklärt Weiss, ist westfälisch für „dürres Kind“. Es ist ein autobiographischer Roman, den Egon Neuhaus schrieb, bevor er, 1922 in Lüdenscheidt geboren, 2008 verstarb. Er erzählt in „Spinnewipp“ Geschichten aus seinem Leben – aus seiner Kindheit, vor und nach dem zweiten Weltkrieg. Kurioses, Spannendes, Witziges. „Er ist einfach immer angeeckt, er passte da nicht rein in seine Zeit“, so Weiss. Manchmal habe Neuhaus wohl gar nicht gemerkt, dass er Einstellungen vertrete, von denen er im dritten Reich besser nicht laut sprach. Und indem er diese kleinen Geschichten über sich selbst erzähle, erzähle er immer auch etwas über Geschichte im Allgemeinen – Dortmunder Geschichte und Deutsche Geschichte.
Egon Neuhaus: „Spinnewipp“, Verbrecher Verlag, 13 Euro.
Autobiographische Bücher sind schon länger ein Trend. Und das scheinbar also nicht nur auf großen Bestseller-Listen: Auch Buchhändler aus kleinen Buchhandlungen empfehlen Romane mit wahrem Kern. Auch „Die Expedition“ von Monika Bittl ist so ein Roman.
Buchtipp Nummer 3:
Helga Brüx-Harthan, „HomBuchHandlung“, Harkortstraße 71:
Buchhändlerin Helga Brüx-Harthan von der HomBuchHandlung, Harkortstraße 71, hat die Geschichte „total gerne gelesen, weil es eine Geschichte ist, die sich wirklich ereignet hat.“ Es gehe dabei unter anderem um die Großmutter der Autorin, vier andere Frauen, Schlittenhunde und den mutigen Plan, im Winter die Alpen zu überqueren. Im Jahr 1903. Das hatte sich zuvor noch niemand getraut. Auch kein Mann.
Monika Bittl: „Die Expedition“, Droemer Verlag, 18 Euro
Frauenpower gibt es auch in der HomBuchHandlung. Seit knapp acht Jahren leitet Helga Brüx-Harthan das Geschäft schon gemeinsam mit Angelika Czajkowski. Unterstützt werden die beiden aber nicht nur von einer weiblichen 30-Stunden-Kraft, sondern auch von zwei männlichen Auszubildenden. In der Fußgängerzone Hombruchs gelegen, ganz in der Nähe der U-Bahn-Haltestelle Harkortstraße, lädt das Ladenlokal durch die helle, offene Gestaltung ein. Brüx-Harthan beschreibt die Buchhandlung so: „Wir sind eine eindeutige Beraterbuchhandlung mit literarischer Ausrichtung und führen vor allem Kinder- und Jugendliteratur.“ Als Buchhändlerin arbeitet sie seit 40 Jahren. An ihre Arbeit stellt sie hohe Ansprüche: „Am meisten Spaß macht mir immer noch das Lesen und der Verkauf von Büchern. Das müssen Bücher sein, hinter denen ich auch inhaltlich stehe, hauptsächlich moderne Belletristik. Die dürfen nicht geschlampt sein, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich: Sie müssen was bieten.“
Mehr zum Thema:
2 Comments