Buchtipp: „Weihnachten – Das globale Fest“

Weihnachten ist ein weltweiter Hit. Dabei kommt es gar nicht mehr darauf an, dass auch wirklich der religiös-kulturelle Hintergrund gegeben ist, wo man das Fest feiert. Auch auf die Eckpunkte Schlemmen, Prassen und teure Geschenke hat man sich weltweit einigen können. In seinem neuen Buch „Weihnachten – Das globale Fest“ zeigt Autor Daniel Miller, wie Kommerz und Materialismus das einzigartige Familienfest prägen – obwohl wir das alle vehement von uns weisen.

Kaufen gegen den Kapitalismus

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Daniel Miller, 1954 geboren, lehrt am University College in London Ethnologie. Konsumforschung gehört zu seinen Schwerpunkten. Foto: Privat. Teaserfoto: Barbara Großmann / pixelio.de

Der Ethnologe Miller ist sich sicher: Auch in der westlichen Welt finden die meisten Menschen den Kapitalismus eigentlich blöd. Sie erkennen ihn zwar als notwendig für das eigene Wohlergehen an, verurteilen den Kapitalismus aber gleichzeitig als „trockene, depersonalisierte und entfremdete“ Ordnung. Die wahre Paradoxie liegt für den Autoren in unserer Systemabwehr. Seine These lautet: Wir alle widersetzen uns dem Kapitalismus, indem wir kaufen. Und da kommt seiner Meinung nach Weihnachten ins Spiel.

Dass Weihnachten trotz manch alter Wurzel vor allem eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts ist, ist nicht neu. Miller führt es dem Leser aber unvergleichbar schonungslos und auf den Punkt gebracht vor Augen. Da wäre zum Beispiel die 1843 erschienene Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens „A Christmas Charol“. Mit verständlichem Ton macht Dickens klar, dass das darin beschriebene Weihnachtsfest eine uralte Institution sei. Die Leser kauften es ihm ab. „Erfundene Tradition“, urteilt Miller. Dann war da noch Coca-Cola: Als der Konzern 1931 die Werbefigur Santa-Claus etablierte, war der Hype perfekt. Die Attribute Rentiere, rot-weißer Mantel, oder ein Zuhause am Nordpol sind frei erfunden und doch in allen Köpfen verankert. Weihnachten war danach endlich populär.

Wir hauen das Geld auf den Kopf

Weihnachtsbaum, mal anders: Dank Globalisierung kann jetzt jeder Weihnachten feiern. Schon gewusst? Der Tannenbaum ist der deutsche Beitrag zum globalen Fest. Foto: Suhrkamp Verlag.

Weihnachtsbaum, mal anders: Dank Globalisierung kann jetzt jeder Weihnachten feiern. Schon gewusst? Der Tannenbaum ist der deutsche Beitrag zum globalen Fest. Foto: Suhrkamp Verlag.

Miller stellt fest: Weil wir uns das besinnliche Fest nicht kaputt machen lassen wollen, verweigern wir uns der ökonomischen Komponente. Wie? Indem wir das Geld an Weihnachten erst recht auf den Kopf hauen. Denn das Schenken, argumentiert der Autor, ist „ein Prozess, in dem der Warencharakter eines Gegenstands verschwindet“. Aus einem „Emblem des öden Kommerzes“ wird mit der Kaufentscheidung etwas ganz Besonderes. Damit liefert Miller in seinem neuen Buch packenden Diskussionsstoff. In der zunehmend materialisierten Welt, in der wir groß werden, erkennt Miller Weihnachten als die Lösung unseres Problems. Wir können uns ohne schlechtes Gewissen über unseren Wohlstand freuen, wenn wir uns zum Weihnachtsfest im kleinen familiären Mikrokosmos von der fast asozialen, von Überfluss gezeichneten Außenwelt abschotten. Dann investieren wir unseren Wohlstand mit dem Kauf von Geschenken in „menschliche Wärme“ und demonstrieren durch Großzügigkeit unsere Ablehnung des Materialismus.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Der Kommerz ist nur einer von vielen Bereichen, in denen Miller untersucht, wie der Mensch sich die Welt zurechtbiegt, bis sie passt. Seine Ausführungen bleiben dabei stets verständlich. Empfehlenswert sind Millers Analysen zum Phänomen der „Glokalisierung“, für das Weihnachten – lokal geprägt, global gefeiert – ein Paradebeispiel ist. So viel sei dazu verraten: Wir alle glauben, nur unter unserem Tannenbaum Zuhause gebe es das einzig wahre Weihnachten. Bis wir das Buch von Miller lesen.

Das überschaubare 60-Seiten-Werk ist eine Weihnachtslektüre für Realisten. Eine Prise Komik ist garantiert. Fundiert, aber mit lockerem Ton führt Miller den Leser durch seine Studie. Einen weiteren Horizont schafft er, weil er stets auch die Forschungsergebnisse seiner Kollegen hinzuzieht. Seine weiteren Erzählungen von Weihnachten in Trinidad runden den Inhalt des Buches letztendlich ab.

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