Duell am Donnerstag: Medien

Die WM wird in diesem Jahr sowohl von ARD und ZDF, als auch von RTL übertragen. Während bei ARD und ZDF die Unterschiede in der Konzeption der WM-Sendungen gering ausfallen, grenzt sich der private Sender RTL deutlich ab. Wer macht den besseren Job? Michael Prieler und Maximilian Koch aus dem WM-Team der Pflichtlektüre sagen es Euch.

Von Maximilian Koch

Dass Jürgen Klopp einer der sympathischsten und kompetentesten Fußballexperten im deutschen Fernsehen ist, weiß seit der WM 2006 jeder. Damals machte er beim ZDF neben Johannes B. Kerner und Urs Meier die beste Figur und wurde bei der EM 2008 wieder engagiert. Dieses Jahr hat sich RTL den Dortmunder Trainer geschnappt und damit einen Coup gelandet.

Bei Fußball-Fans beliebt: Günther Jauch. Foto: flickr.com/User wm_berlin_rene_090

Bei Fußball-Fans beliebt: Günther Jauch. Foto: flickr.com/User SpreePiX

Mit Günther Jauch sitzt der zweite Charmebolzen im RTL-Boot. Jauch versteht es, als Moderator einer Fußballübertragung die Zuschauer zu unterhalten. Das zeigte er schon 1998 beim „Torfall von Madrid“. Damals war ein Tor vor dem Champions League Halbfinale zwischen Borussia Dortmund und Real Madrid umgefallen. Das Spiel wurde dadurch mit 76-minütiger Verspätung angepfiffen. Jauch schaffte es zusammen mit Marcel Reif, knapp zwölf Millionen Zuschauer über die gesamte Zeit vor dem Fernseher zu fesseln. Das Spiel guckten dann nur noch die Hälfte. Die Moderation wurde mit dem bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. So stehen für RTL zwei Entertainer vor der Kamera, die bis jetzt halten, was ihre Namen versprechen.

Wenn man sich dagegen das Auslaufmodell „Delling und Netzer“ der ARD anguckt, hat RTL in meinen Augen klar die bessere Wahl getroffen. Günter Netzer ist alt geworden. Und das merkt man. Wo die Feindseligkeit zwischen ihm und Gerhard Delling früher noch Spaß gemacht hat, ist sie mittlerweile einfach nur noch peinlich. Nicht nur, dass die Anfeindungen schon seit langem gezwungen wirken. Seitdem raus gekommen ist, dass Netzer der Trauzeuge von Delling war, weiß auch jeder, dass es eine Lüge ist. Von Katrin Müller-Hohenstein möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Dass sie von Oliver Kahn in den Schatten gestellt wird, sagt da schon alles.

RTL hat aber nicht nur bei der Wahl des Moderatoren-Teams alles richtig gemacht. Auch die Live-Inszenierung aus verschiedenen Städten bringt neuen Schwung in das immer gleiche Gelaber rund um die Fußballpartien. Sie sind damit einfach näher am Fußball-Fan. Der typische deutsche Fan ist eben nicht in Südafrika live dabei, sondern hier in Deutschland und erfreut sich an der „Public-Viewing-Kultur“. Und genau da ist RTL. Die Vor- und Nachberichterstattung bekommt damit und mit Live-Acts wie dem Safri Duo oder Bushido einen Event-Charakter. Da können die Öffentlich Rechtlichen mit ihren trockenen Analysen aus dem sterilen Studio nicht mithalten.

Jürgen Klinsmann ist ein gefragter Experte wenn es um den Fußball geht. Foto: flickr.com/User Giftraum

Jürgen Klinsmann ist ein gefragter Experte, wenn es um Fußball geht. Foto: flickr.com/User Giftraum

Und nur für alle, die sich über den RTL-Co-Kommentator Jürgen Klinsmann aufregen: Der Mann hat sich einfach ein wenig übernommen. Er macht nämlich nicht nur den Co-Kommentar für RTL, sondern auch für die Briten von BBC und den amerikanischen Sportsender ESPN. So muss er während der Spiele von einer Sprecher-Kabine zur nächsten rennen. Da sollte man ein wenig Verständnis dafür haben, dass er nicht die ganze Zeit qualitativ hochwertige Beiträge abliefern kann – die Betonung liegt hier auf „ganze Zeit“. Als kleine Wiedergutmachung: In den Augen der Engländer wendet „Klinsi“ eindeutig mehr Zeit für seine RTL-Kommentare auf.

Ab auf die stille Treppe, RTL!

Von Michael Prieler

Mein Urteil fällt einfach, aber vernichtend aus: RTL ist und bleibt in Sachen Fußballübertragung weiterhin ein Fall für die Super Nanny.

Man muss dem Sender zwar eines zu gute halten: Mit Jürgen Klopp haben sie Chef-Moderator Günther Jauch den wohl charismatischsten Insider zur Seite gestellt, den der Markt zu bieten hat. Aber das ist nur der viel zitierte Silberstreif am Horizont. Für den Spruch wandern zwei Euro ins Phrasenschwein, keine Sorge. Aber im Prinzip trifft er den Kern.

Mit Frankreich gegen Uruguay haben sich die Kölner einen rechten Grottenkick als erstes von insgesamt neun WM-Spielen zur Übertragung ausgesucht, und ihr Niveau folgerichtig im Laufe der letzten Wochen dem des Auftaktspiels der Chaoten-Equipe angepasst. Okay, Günther Jauch ist ein Alleskönner, das wissen wir inzwischen. Aber: Jauch ist auch nur noch zur Hälfte ein Privater, ab 2011 wechselt er zur ARD und es wäre kein Wunder, wenn er nicht schon ein Jahr später bei der EM in Polen und der Ukraine für das Erste vor der Kamera stehen würde. Der zählt also nicht.

Wenn es nach Michael Prieler geht, machen diese Herren bei der WM-Berichterstattung nur eine bedingt gute Figur. Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Wenn es nach Michael Prieler geht, machen diese Herren bei der WM-Berichterstattung nur eine bedingt gute Figur. Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Ob die Idee, die beiden Strahlemänner bei der Vor- und Nachberichterstattung auf öffentliche Bühnen zu stellen dagegen die beste war, darf bezweifelt werden. Wenn ich mich entschieden habe, das Spiel am Fernseher zu verfolgen, dann habe ich mich auch bewusst gegen grölende Asi-Fans mit Sonnenstich und für einen gemütlichen Abend mit Kumpels und Elektrogrill entschieden. Dass mir RTL aber zwanghaft Fanmeilen-Atmosphäre ins Wohnzimmer liefern will, nervt.

Genauso wie die eingesetzten Moderatoren und Experten. Sorry, Klinsi: Aber die drei Sätze, die du alle zehn Minuten als Co-Kommentator ins weite Rund wirfst, braucht wirklich niemand. „Bei so einem Turnier ist jeder Spieler heiß, da muss man niemanden pushen.“ Ein Satz, bei dem vor allem Arne Friedrich („Arne, der spürt deinem Aten“) aufgehorcht haben dürfte. Jürgen, danke fürs Sommermärchen, aber da gibt sogar mein Kühlschrank sinnvollere Geräusche von sich.

Reiner Calmund war für den Privatsender lobenswerter Weise vor Turnierbeginn auf Entdeckungsreise in zahlreichen Teilnehmerländern. Dass er in Uruguay unter anderem „Seelöwen gefuttert“ hat – welch ein Versprecher – soll für sich stehen.

Und ob Florian König nun weiß, ob er gerade Fußball, Formel 1, Skispringen, ein Red Bull Air Race oder Boxen kommentiert, lässt sich nicht beantworten. Der Zuschauer kann allein froh sein, dass RTL nicht auch noch Kai Ebel nach Südafrika abkommandiert hat. Und, dass die Kölner ihre Übertragungszeit aufgrund von erschreckend schwachen Quoten inzwischen um 90 Minuten Vorberichterstattung gekürzt haben.

Über solche Notentscheidungen müssen sich die ARD- und ZDF-Oberen gar keine Gedanken machen. Die Einschaltquoten sind jeden Abend top, der Durchschnittszuschauer kann sich an das Programm vor der WM gar nicht mehr erinnern – und möchte das vielleicht auch nicht. Die Fußballweltmeisterschaft verleiht den öffentlich-rechtlichen Sendern wieder eine Vormachtstellung, die sie seit Einführung des Privatfunks gar nicht mehr gekannt haben. Aber sie haben sich diesen Erfolg verdient.

Die Übertragungen sind solide, das, was man von ARD und ZDF eben erwartet. Nicht mehr, aber, in diesem Fall ausschlaggebend, auch nicht weniger. Die Analysen sind stimmig und liefern wenigstens einen gewissen Mehrwert. Kommentatorenurgesteine wie Béla Réthy oder Steffen Simon wissen, was sie tun. Ihre Stimmen überschlagen nicht in einer Drangphase der deutschen Mannschaft. Wenn sich Brasilien und Portugal die Bälle in der Viererkette zukicken, liefern sie dafür genug Informationen, um den Zuschauer bei Laune zu halten.

Ein Teil des ZDF-Expertenteams bei der WM: Lutz Pfannenstiel. Foto: www.lutz-pfannenstiel.de

Ein Teil des ZDF-Expertenteams bei der WM: Lutz Pfannenstiel. Foto: www.lutz-pfannenstiel.de

Das ZDF ist mit einer überaus bunt gemixten Expertentruppe aufgestellt: Neben dem schweizer Regelpapst Urs Meier hat das Zweite auch den Globetrotter Lutz Pfannenstiel aus dem Hut gezaubert, einen niederbayerischen Ex-Torwart, der schon auf allen Kontinenten zwischen den Pfosten stand und derzeit als Torwarttrainer in Namibia engagiert ist.

Auch wenn ihn der Großteil der Zuschauer – meiner Meinung nach völlig zu Unrecht – nicht kennen dürfte: Pfannenstiel beim Philosophieren über seinen Lebensinhalt zuzuhören, hat etwas extrem Erquickendes, vorausgesetzt man versteht seinen Dialekt. Rudi Cerne macht an seiner Seite nicht viel verkehrt, er ist sozusagen der Günter Jauch des ZDF, weil er genauso unaufgeregt durch eine Krimisendung leitet wie durch einen eher uninteressanten Gruppenspieltag bei der WM.

Dem angedachten Traum-Duo Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn kann dagegen auch ich nur wenig Erfreuliches abgewinnen. Kahn redet so monoton wie mein früherer Lateinlehrer, hat dafür aber die schönere Frisur der beiden. Nach dem Spiel Spanien gegen Portugal hat er zugegeben, dass er inzwischen ein weiteres Loch in seinem Gürtel braucht. Der informativste Satz bis dato.

Dieser kleine Wermutstropfen ist mit Blick auf die ARD aber leicht zu verschmerzen. Denn das Erste leistet in Südafrika wirklich ganze Arbeit. Mehmet Scholl ist für mich die Entdeckung der WM abseits des Rasens. Der frühere Bayernspieler zeigt sich an der Seite von Reinhold Beckmann schlagfertig wie eh und je: „Die schönsten Tore sind die, bei denen der Ball flach oben reingeht“ oder „Hängt die Grünen solange es noch Bäume gibt“ sind nur zwei der Sprüche aus seiner aktiven Zeit. Scholl wusste schon immer mit den Medien umzugehen, dass er den Weg auf die andere Seite des Mikrophons gefunden hat, war nur ein logischer Schritt. Im Gegensatz zu früher füllt der Ex-Nationalspieler seine Sätze aber heute mit Gehalt.

Mehmet Scholl ersetzt nach der WM Günter Netzer. Foto: ap

Mehmet Scholl ersetzt nach der WM Günter Netzer. Foto: ap

Oft genug spielt ihm Reinhold Beckmann die Bälle so zu, dass Scholl sie mit einer hintergründigen Antwort nur noch zu verwerten braucht. Die Information steht bei Scholl, anders als man denken könnte, im Vordergrund. Angepasst ist er deswegen aber noch lange nicht. Trotz Rüffel der Senderverantwortlichen weigert Scholl sich beispielsweise weiterhin vehement, mit Krawatte zu moderieren. „Ein echtes Schlitzohr“, der Mehmet, um mit einem weiteren Scholl-Zitat zu schließen.

Über das ARD-Moderatoren-Duo schlechthin – Gerhard Delling und Günter Netzer – wurde schon vieles gesagt, deshalb möchte ich mich eher kurz halten. Die beiden sind einfach eine Institution im deutschen Sportjournalismus. Auch wenn Netzer manchmal wirkt wie gerade aus der Leichenstarre erwacht, der Schlagabtausch, den er sich stets mit Delling liefert, ist einfach köstlich. Außerdem sind Netzers Analysen die wohl treffendsten im Fußballgeschäft, das darf man bei aller Betonung des Zickenkriegs der beiden vor der Kamera nicht vergessen.

Wie Scholl zählt der Weltmeister von 1974 zu den eloquentesten Vertretern seines Fachs und ist nebenbei ein wahrer Medienmogul. Er weiß, wie das Fußball- aber auch das Fernsehgeschäft läuft und das merkt man seinen Worten auch an. Damit ist Netzer das Idealbild des Fußballexperten, aber auch der Großvater seiner Gattung. Nach der WM ist für ihn Schluss. Sein Ersatzmann wird die großen Fußstapfen zu füllen wissen – es ist Mehmet Scholl.

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