Bioprinting: Der gedruckte Mensch

Das eigene Abbild als Spielfigur, eine Waffe aus Kunststoff, sogar Lebensmittel lassen sich mittlerweile mit 3D-Druckern herstellen. Aber ein menschliches Organ, das tatsächlich funktioniert? Auch das könnte es schon sehr bald geben – zumindest nach Meinung vieler Forscher. Es ist ihnen gelungen, mit umgebauten 3D-Druckern lebende Zellen zu drucken. Ihre Hoffnung in die neue Technologie ist groß: In den nächsten Jahren wollen sie per 3D-Druck ganze Organe drucken, die dann Patienten implantiert werden könnten.

Zell-Gel-Tropfen direkt nach dem Druck mit einem 3D-Bioloaserdrucker (unter dem Fluoreszenzmikroskop). Foto: Dr. Lothar Koch

Zell-Gel-Tropfen direkt nach dem Druck mit einem 3D-Bioloaserdrucker (aufgenommen mit einem Fluoreszenzmikroskop). (Foto: Dr. Lothar Koch)

 Es gibt drei Verfahren beim Bioprinting

Das Drucken von Organen, auch Bioprinting genannt, funktioniert ähnlich wie das gewöhnliche Drucken auf Papier. Der Unterschied: Bioprinter drucken nicht mit Tinte oder Toner, sondern mit lebenden Zellen. Die Forscher wenden heute vor allem drei verschiedene Verfahren an: 

Das Laserdruckverfahren
Dr. Lothar Koch vom Laserzentrum in Hannover. (Foto: Dr. Lothar Koch)

Dr. Lothar Koch vom Laserzentrum in Hannover. (Foto: Dr. Lothar Koch)

Seit 2008 beschäftigen sich Dr. Lothar Koch und sein Team vom Laserzentrum in Hannover mit dem Drucken von Hautstücken und Herzmuskelzellen. Der Physiker verwendet dafür einen Bio-Laserdrucker, den er selbst entwickelt hat. „Das Verfahren wird schon länger für andere Anwendungen genutzt, zum Beispiel, um Leiterbahnen auf Solarzellen zu drucken. Wir haben es nur für biologische Anwendungen angepasst“, erklärt Koch. 

Der Bio-Laserdrucker besteht aus einem Lasergerät und zwei darunter liegenden Glasplatten. Diese sind mit einem Abstand von etwa einem Millimeter parallel übereinander befestigt. Die Unterseite der oberen Platte ist mit einem speziellen Material beschichtet, zum Beispiel einer dünnen Gold- oder Titanschicht, die Laserstrahlen absorbieren kann. Das heißt, die Schicht saugt die Strahlen auf, ähnlich wie dunkle Flächen die Wärme der Sonne aufsaugen. Auf der Unterseite der beschichteten Glasplatte befindet sich auch das Biomaterial, das gedruckt werden soll. Dieses besteht aus einem dickflüssigen, wasserhaltigen Gel (Hydrogel) und lebenden Zellen. Ohne das Gel würde das Drucken nicht funktionieren. Die zweite Glasplatte dient lediglich als Unterlage, auf die gedruckt wird.

Schematische Darstellung des Laserdruckprozesses. (Grafik: Dr. Lothar Koch)

Schematische Darstellung des Laserdruckprozesses. (Grafik: Dr. Lothar Koch)

Wenn Lothar Koch an seinem Computer auf „Drucken“ klickt, passiert folgendes: Das Lasergerät schießt einen gebündelten Lichtstrahl auf die erste Glasplatte. Dort, wo der Laser auf die Platte trifft, verdampft die Materialschicht auf ihrer Unterseite. Durch den dabei entstehenden Druck wird das darauf liegende Biomaterial beschleunigt und fließt in Form eines dünnen Strahls auf die zweite Glasplatte. Der Gelstrahl reißt irgendwann wieder ab: Es bleibt ein Tropfen des Zellgemischs auf der Unterlage. Tropfen für Tropfen entsteht so das Gewebe oder Organ, das gedruckt werden soll.

Mit der Laserdruckmethode haben Lothar Koch und sein Team unter anderem Herzmuskelzellen und Hautstücke gedruckt. Allerdings fehlt es der Haut aus dem 3D-Drucker noch an Blutgefäßen sowie Haar-, Nerven- und Schweißdrüsenzellen. Einem Menschen könnte sie heute also noch nicht transplantiert werden. An Mäusen haben die Forscher aus Hannover das gedruckte Hautstück jedoch bereits mit Erfolg getestet: Es wuchsen sogar Blutgefäße in das Gewebe hinein.

Für Interessierte, die mehr sehen wollen …
web: Video-Beitrag über Lothar Koch (SAT1)

Das Tintenstrahldruckverfahren
Porträt von Anthony Atala vom Wake Forest Baptist Medical Center in North Carolina

Anthony Atala vom Wake Forest Baptist Medical Center in North Carolina. (Foto: Wake Forest Baptist Medical Center)

Anthony Atala und James Yoo vom Wake Forest Baptist Medical Center im US-Bundesstaat North Carolina drucken auch Organe – aber anders. Die Forscher verwenden einen Tintenstrahldrucker, der zwei Düsen besitzt: In der ersten befindet sich ein Hydrogel, wie es auch Lothar Koch aus Hannover verwendet. Die zweite Düse enthält ein Gemisch aus Gel und lebenden Zellen, die sogenannte Bio-Tinte.

Der Druckvorgang selbst funktioniert dann ähnlich wie das Schichten einer Lasagne: Zuerst wird das Hydrogel auf die Unterlage gedruckt, dann kommt eine Schicht Bio-Tinte und danach wieder das Hydrogel und so weiter. Schicht für Schicht wird so das Gewebe oder Organ gedruckt.

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„Der Vorteil dieses Verfahrens ist, das es sehr billig ist“, sagt Lothar Koch. „Man kann einfach einen kommerziellen Tintenstrahldrucker nehmen, der irgendwo noch herumsteht. Und man kann wirklich auch die Patronen oder Kartuschen nehmen, die man im Laden kaufen kann.“ Man müsse nur die Tinte herausnehmen und den Schwamm, der in der Patrone ist, gut durchspülen und desinfizieren. Dann könne man die Bio-Tinte in die Patrone einfüllen und loslegen. „Natürlich muss man vorher noch den Papiereinzug durch eine andere Mechanik ersetzen, aber grundsätzlich ist das die einfachste und billigste Art, Zellen zu drucken“, sagt Koch.

Mit dem Tintenstrahldruckverfahren haben Anthony Atala und sein Team zum Beispiel eine Niere gedruckt, die der Forscher auf einer TED-Konferenz im März 2011 vor laufender Kamera präsentierte. Funktionsfähig ist die Nachbildung einer echten Niere bislang allerdings nicht.

Für Interessierte, die mehr sehen wollen …
web: Bioprinting am Wake Forest Institute 

Die Extrusionstechnik

Neben dem Laser- und dem Tintenstrahldruck gibt es noch eine dritte Technik, die relativ häufig verwendet wird – die Extrusionstechnik. „Die funktioniert im Grunde wie eine Spritze“, sagt Lothar Koch. „Man übt von oben Druck aus, meistens per Luftdruck, und hat unten eine Düse, aus der das Material herausgepresst wird.“ Es gebe auch noch verschiedene andere Techniken zum Drucken von Zellen. Aber man könne heute noch nicht abschätzen, ob diese wirklich zum Erfolg führten. 

Nach dem Druck ist vor dem Training

Unabhängig davon, welches Verfahren man für den Organdruck verwendet: Mit dem Drucken allein ist es nicht getan. Die gedruckten Zellhaufen brauchen auch noch etwas Zeit, um zusammenzuwachsen. „Bei Hautzellen dauert es zum Beispiel etwa fünf Tage, bis sie anfangen, Gewebe zu bilden“, sagt Lothar Koch vom Laserzentrum in Hannover.

Aufnahme von gedruckten Zellen.

Nach dem Drucken bewegen sich die Zellen zum Teil noch, das heißt, sie verbleiben nicht unbedingt dort, wo sie hingedruckt wurden. Die Forscher müssen das beim Drucken von Gewebe- oder Organteilen berücksichtigen. Das Foto zeigt Zellen zwei Tage nach dem Druck. (Foto: Dr. Lothar Koch)

Muskelzellen benötigten noch mehr Zeit, da sie richtig trainiert werden müssten, wenn sie aus dem Drucker kommen. „Wenn man Muskelzellen druckt, sind die kugelrund. In unserem Körper sind die Muskelzellen aber sehr stark ausgerichtet, alle in dieselbe Richtung“, erklärt der Physiker. Ein gedruckter Muskel müsse also trainiert werden, um später im Körper seine Funktion erfüllen zu können.

Info: Mit welchen Zellen wird gedruckt?

Als Material für die Bio-Drucker dienen Stammzellen oder sogenannte Zelllinien. Die Stammzellen werden einem Embryo oder aus dem Rückenmark eines Erwachsenen entnommen. Eine gute Quelle ist auch das Fettgewebe erwachsener Patienten. „Und da fällt in der Plastischen Chirurgie immer was an“, sagt Lothar Koch vom Laserzentrum in Hannover.

Stammzellen bieten einen entscheidenden Vorteil: Sie haben sich noch nicht differenziert und können im Prinzip noch jeden Zelltypen bilden – etwa Haut-, Muskel- oder Drüsenzellen. Im Labor können Stammzellen also von den Forschern so programmiert werden, dass sie sich in den Zelltypen verwandeln, den sie für den Druck benötigen.

Für die Herstellung von Zelllinien nehmen die Wissenschaftler dagegen Zellen, die bereits eine Funktion innehaben. Sie entnehmen dafür einem Patienten zum Beispiel Zellen aus der Haut und züchten diese im Labor zu einer Zelllinie – sie bringen die Zellen des Patienten dazu, sich im Reagenzglas zu vermehren. Zelllinien sind sehr lange haltbar, außerdem müssen Forscher sie nicht mehr programmieren müssen. Es gibt heute auch spezielle Zellbanken, bei denen man die fertigen Zelllinien kaufen kann.

Beide Materialien haben jedoch auch Nachteile. Stammzellen lassen sich relativ einfach vermehren, aber ihre Programmierung ist eine knifflige Angelegenheit. Bei Zelllinien fällt die Programmierungsarbeit weg. „Man würde sie aber nicht für das Drucken von Organen nehmen, die man Patienten implantieren will, da sie sich wie Krebszellen immer weiter vermehren könnten“, sagt Lothar Koch. Zelllinien seien aber interessant, um die Drucktechnik zu erproben, da man sie einfach und billig kultivieren könne.

Für das Drucken von Organen für einen Patienten würde man Zellen aus seinem Körper entnehmen.

Dr. Lothar Koch

Der Vorteil: Körpereigene Zellen stößt der Körper nicht ab, wie zum Beispiel Organe, die nach einer Transplantation abgestoßen werden können.

Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Zellmaterial hängt aber auch von dem Organ oder Gewebe ab, dass man drucken will. „Angenommen, ich will ein Herz drucken. Dann kann ich nicht einfach aus dem Herz Zellen entnehmen und sie dann im Labor vermehren“, sagt Lothar Koch vom Laserzentrum in Hannover. Denn Kardiomyozyten, die Herzmuskelzellen, ließen sich nicht ohne Probleme vermehren. Außerdem bräuchte der Patient seine Herzmuskelzellen noch, bis er ein neues Herz bekomme. „In dem Fall wäre also der Weg, dem Patienten Stammzellen zu entnehmen, diese zu vermehren und sie dann zu Herzmuskelzellen zu differenzieren.“ 

Organdruck ist keine Erste Hilfe-Maßnahme

Dr. Lothar Koch
Jaehyun Kim vom Wake Forest Baptist Medical Center forscht für das AFIRM am Drucken von Haut. Foto: Wake Forest Baptist Medical Center

Jaehyun Kim forscht für das AFIRM am Drucken von Haut. (Foto: Wake Forest Baptist Medical Center)

Neben der Zeit, die die Zellen nach dem Drucken benötigen, um zu wachsen, braucht es auch eine gewisse Zeit, um die Zellen vor dem Drucken zu vermehren. „Wenn man wirklich später mal ein Organ für einen Menschen drucken wollte, müsste man die Zellen erst einmal stark vermehren“, sagt Koch. Und für ein ganzes Organ brauche es Milliarden von Zellen, die vorher im Labor gezüchtet werden müssten. „Das würde einige Zeit dauern – ein paar Wochen, vielleicht auch ein bis zwei Monate“, meint Koch. „Organdruck ist also keine Erste Hilfe-Maßnahme, sondern etwas, das längerfristig genutzt werden kann.“

Obwohl es in den USA auch Wissenschaftler gebe, die genau daran forschten. „Das Armed Forces Institute of Regenerative Medicine will zum Beispiel Soldaten, die im Gefecht eine Brandverletzung erleiden, direkt vor Ort mit Zellen bedrucken“, sagt Lothar Koch.

Info: Was macht das Armed Forces Institute of Regenerative Medicine?

Das Armed Forces Institute of Regenerative Medicine (AFIRM) ist ein Forschungsnetzwerk, das vom US-Verteidigungsministerium gegründet wurde. Finanziert wird die Einrichtung unter anderem durch die US Army und die US Air Force. Die Wissenschaftler, die für das AFIRM arbeiten, sollen neue Therapieansätze entwickeln, um etwa Soldaten, die im Krieg verwundet wurden, vor Ort besser versorgen zu können. Zu den Hauptforschungsgebieten des AFIRMs zählen daher zum Beispiel die Behandlung von Brandverletzungen und die narbenfreie Wundheilung.

web: Simulationsvideo zum Bedrucken von Brandwunden
web: Website des AFIRMs
web: Bericht zum technischen Fortschritt des AFIRMs (2012)

In einer ersten Phase entwickelten die Forscher einen speziellen Drucker. Dieser enthält einen Scanner, der bestimmt, wie groß und wie tief die Wunde ist, die bedruckt werden soll. Denn je nach Tiefe der Verletzung finden sich verschiedene Typen von Hautzellen in der Wunde. Die Daten, die der Scanner liefert, nutzt der Drucker dann, um die richtigen Hautzellen an die richtige Stelle zu drucken. Innerhalb der nächsten fünf Jahre, so das Ziel der Wissenschaftler, soll diese Technologie zum Einsatz kommen.

Jaehyun Kim bedient einen Scanner, der Größe und Tiefe der Wunde misst. (Foto: Wake Forest Baptist Medical Center)

Jaehyun Kim bedient einen Scanner, der Größe und Tiefe der Wunde misst. (Foto: Wake Forest Baptist Medical Center)

„In diesem Fall wäre der 3D-Druck tatsächlich eine Erste Hilfe-Maßnahme“, sagt Lothar Koch. Allerdings könne man dafür nicht die Zellen des Patienten nehmen, sondern nur die, die vor Ort zur Verfügung stehen. „Die würden später aber wieder abgestoßen werden, also quasi nur vorübergehend ihre Funktion erfüllen“, sagt Koch. 

Herz und Niere aus dem Drucker: Zukunftsmusik oder bald Realität?

Einige Forscher sehen im 3D-Druck eine neue Form der Organspende. (Foto: Thorben Wengert/pixelio.de)

Einige Forscher sehen im 3D-Druck eine neue Form der Organspende. (Foto: Thorben Wengert/pixelio.de)

Einige Forscher, die im Bereich Bioprinting arbeiten, gehen davon aus, dass es innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich sein wird, ganze Organe zu drucken. Vor allem im Hinblick auf das Thema Organspende könnte das 3D-Drucken also interessant werden. Skeptiker sehen die Zukunft nicht ganz so optimistisch. Sie glauben nicht, dass es möglich sein wird, ein menschliches Organ durch eines aus dem Bioprinter zu ersetzen.

Vielleicht sei das auch gar nicht nötig, sagt Lothar Koch. Schließlich gebe es zum Beispiel Herzpatienten, bei denen nicht das ganze Herz beschädigt sei, sondern nur ein Teil. „In solchen Fällen müsste man also nicht gleich das komplette Herz drucken, sondern nur einen Teil davon“, sagt Koch. „Und ich hoffe, dass das bald möglich ist. Es steht und fällt aber damit, ob man es schafft, das komplexe Blutgefäßsystem in so einem Organ nachzubilden.“

Aufnahme von gedruckten Zellen.

Ein erster Schritt in Richtung gedruckte Blutgefäße: Die Forscher haben zwei verschiedene Zelltypen gedruckt (a), die sich danach aufeinander zu bewegten (b). Als sie sich berührten, bildeten beide zusammen Mikrokapillarstrukturen aus (c), die Teil des Blutgefäßsystems sind. (Foto: Dr. Lothar Koch)

Ein Organ wie das Herz besteht aus Milliarden von Blutgefäßen, durch die jeden Tag etwa 10.000 Liter Blut gepumpt werden. „Das Problem ist, dass man Blutgefäße mit sehr unterschiedlichen Durchmessern braucht“, sagt Lothar Koch. Heute gebe es bereits eine Reihe erprobter Techniken, mit denen Blutgefäße mit einem Durchmesser hergestellt werden könnten, die einigermaßen gut funktionierten. „Man müsste es in Zukunft hinbekommen, die miteinander zu kombinieren“, sagt der Wissenschaftler. „Aber das wird sicher noch etwas dauern.“ 

Dass man in Zukunft in der Lage sein wird, jedes Organ zu drucken, hält Lothar Koch allerdings für unrealistisch. Den gedruckten Menschen wird es erstmal nicht geben. „Aber ich denke schon, dass man es irgendwann schaffen wird, ein paar Organe wie Herz und Niere zu drucken. Jetzt nicht in den nächsten fünf Jahren, das wird schon ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nehmen, denke ich“, sagt der Physiker. Aber irgendwann könne das tatsächlich wahr werden.

Teaserfoto: Wake Forest Baptist Medical Center

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