Hebammen kämpfen um ihre Existenz

Der Berufsstand der Hebammen ist bedroht. Kaum eine Versicherungsgesellschaft ist noch dazu bereit, ihnen eine Haftpflichtversicherung anzubieten. Doch ohne die können sie nicht arbeiten. Eine Versicherung über die Allianz wäre zwar möglich, stellt vor allem freiberufliche Hebammen aber vor eine große finanzielle Herausforderung. Viele von ihnen zieht es deshalb immer wieder zu Protesten auf die Straße. Sie kämpfen um ihren Job und um politische Unterstützung. Junge Leute zeigen sich eher abgeschreckt und orientieren sich um, obwohl der Beruf der Hebamme lange als echter Traumberuf galt.

Hebammen fürchten um ihren Job Bild: Helene Souza_pixelio.de

Hebammen fürchten um ihren Job
Bild: Helene Souza_pixelio.de

Auch Carmen Zielinski wollte nach ihrem Abschluss am Berufskolleg eine Ausbildung zur Hebamme machen. „Mich hat der Beruf von klein auf fasziniert. 2011 habe ich mich dann an den Hebammenschulen in Deutschland beworben.“ Insgesamt gibt es 58 Schulen, elf davon liegen in Nordrhein-Westfalen. Eine Ausbildung zur Hebamme dauert in der Regel drei Jahre. Neben der Theorie nimmt vor allem die Praxis einen sehr großen Teil ein. „Gerade das hat für mich auch den Reiz ausgemacht. Neben dem Unterricht in der Schule verbringt man bereits viel Zeit in Krankenhäusern und ist hautnah dabei“, erklärt Carmen. Doch dann kam alles anders.

Bis zum Sommer 2015 bleibt den Hebammen noch Zeit, eine politische Lösung zu erwirken. Mit Straßenprotesten wollen sie auf die drohenden Missstände aufmerksam machen. Die Hebammenverbände fordern eine grundlegende Neustrukturierung der Haftpflichtversicherung. Künftig soll es eine Haftungsobergrenze für Hebammen geben, die der Staat mitfinanzieren soll. Eine Haftpflichtversicherung ist für Hebammen unerlässlich, sollte dem Kind oder der Mutter bei der Geburt etwas passieren. Bereits in den vergangenen Jahren sind immer mehr Hebammen aus dem Beruf und insbesondere aus der Geburtshilfe ausgestiegen, da die Haftpflichtprämien überproportional stark angestiegen sind. Nun droht auch noch die Nürnberger Versicherung wegzufallen. Als eine der Letzten hat sie bisher noch eine halbwegs günstige Gruppenversicherung angeboten.

Kritische Stellungnahme

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Fallen die Versicherungsangebote weg, könnte es bald keine freiberuflichen Hebammen mehr geben. Foto: Hartmut910, pixelio

Der Wegfall der Gruppenversicherung könnte das Aus bedeuten für die Versorgung von werdenden Müttern durch freiberufliche Hebammenleistungen, insbesondere bei der Geburtshilfe. In einer gemeinsamen Presseerklärung nehmen der Deutsche Hebammenverband (DHV) sowie der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) Stellung. „Die Lage auf dem Versicherungsmarkt führt zum Zusammenbruch der Versorgung mit Geburtshilfe. Das ist eine absurde Situation“, sagt Martina Klenk, die Präsidentin des DHV. Ruth Pinno, die Vorsitzende des BfHD verdeutlicht: „Das bedeutet Berufsverbot für die freiberuflichen Hebammen, denn ohne Haftpflichtversicherung dürfen wir weder Geburten zu Hause, im Geburtshaus oder als 1:1-Beleghebamme in der Klinik betreuen noch Schwangeren- und Wochenbettbetreuungen annehmen. Der Markt für die Versicherung von Hebammen reguliert sich nicht mehr selbst. Die Folgen sind dramatisch, der Beruf ist akut von der Vernichtung bedroht.“ Martina Klenk fordert deshalb: „Wir brauchen jetzt dringend eine politische Lösung.“

Lautstarke Forderungen

Für freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen hat sich die Prämie in den letzten zehn Jahren trotz abnehmender Schadenszahlen verzehnfacht. Dabei liegt das Einstiegsgehalt von Hebammen bei 1600 bis 1900 Euro Brutto. Die Vergütung bleibt jedoch weiterhin niedrig. Eine Kostenexplosion der Haftpflichtprämie wird auch durch die Beteiligung der Krankenkassen nicht vollständig für jede Hebamme ausgeglichen. Eine flächendeckende Versorgung bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ist schon jetzt nicht mehr möglich. Die Wahlfreiheit des Geburtsortes ist in vielen Regionen also so schon jetzt nicht mehr gegeben.

Traumberuf aufgeben

Schwere Zeiten für Geburtshelferinnen. Bild: Christian v.R._pixelio.de

Schwere Zeiten für Geburtshelferinnen.
Bild: Christian v.R., pixelio

Carmen würde in diesem Jahr ihren Abschluss machen, wenn sie sich nicht im letzten Moment gegen den Berufsweg der Hebamme entschieden hätte. „Auch wenn mich viele Leute nicht verstehen können, warum ich mich gegen meinen Traumberuf entschieden habe, bin ich im Endeffekt sehr glücklich über diese Entscheidung“, erklärt die 22-Jährige. Bereits 2011 habe es immer wieder Unstimmigkeiten im Bezug auf die Zukunft der Hebammen gegeben: „Einiges ging durch die Medien, vieles habe ich aber auch durch Gespräche mit Bekannten erfahren. Zwei Freundinnen meiner Mutter arbeiten als Hebamme und haben mich schon damals vor der unsicheren Zukunft gewarnt.“

Sicherheit im Job

„Ich selbst habe mich vor allem nach Sicherheit im Job gesehnt. Dafür habe ich an anderen Stellen zurück gesteckt“, begründet sie die harte Entscheidung. „Wenn ich mir die jetzige Situation ansehe, würde ich nicht tauschen wollen. Was bringt mir ein Beruf, der mir zwar Spaß macht, aber von dem ich am Ende des Monats doch nicht leben kann.“

Ein Beispiel verdeutlicht die prekäre Situation: Entscheidet sich eine Mutter für eine Hausgeburt, so steht die Hebamme in der Regel bereits 5 Wochen vor dem errechneten Termin in Rufbereitschaft. Dafür bekommt sie ca. 250 Euro. Ein Hungerlohn, wenn man den Stundenlohn betrachtet. Für ca. 30 Cent in der Stunde hätte Carmen ihr Mobiltelefon Tag und Nacht bei sich tragen müssen. Sie hätte zudem Tag und Nacht in der Lage sein müssen, voll konzentriert eine Hausgeburt betreuen zu können. Ein Gedanke, mit dem sie sich jetzt nicht mehr anfreunden konnte.

„Ich habe mich in letzter Minute dann für eine Ausbildung zur Bürokauffrau entschieden“, sagt sie lächelnd. Auch wenn das spießig sein mag, so sei diese Alternative zumindest solide und sicherer.

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